Schwabing:"Wir wollen keine Monokultur"

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Wolfgang Müller, Geschäftsführer der Immobilienfirma Jost Hurler, zur Zukunft des Wohngebietes Schwabinger Tor

Interview von Stefan Mühleisen, Schwabing

- Das Neubauquartier "Schwabinger Tor" zählt derzeit zu den größten Baustellen der Stadt. Auf 4,2 Hektar errichtet das Unternehmen Jost Hurler an der Leopoldstraße ein Wohn- und Geschäftsviertel, dessen Nordteil bereits fertig ist. Die Stadtspitze zeigt sich begeistert von dem Projekt, doch in der Bevölkerung hält sich der Verdacht, dass hier ein Luxus-Ressort entsteht. Ein Gespräch mit Hurler-Geschäftsführer Wolfgang Müller über den Ruf als "Ghetto für Reiche", die Gründe für den Wohnungsmix und Konzepte für die Vernetzung der Bewohner.

SZ: Dem Projekt Schwabinger Tor haftet hartnäckig der Ruf an, sie errichten hier eine Art Reichen-Ghetto. Ärgert Sie das?

Wolfgang Müller: Ja und Nein. Wir sind nicht ganz unschuldig daran, denn das Quartier wurde zunächst als Luxus-Wohnen propagiert. Ja, es wird hier Dachterrassenwohnungen für eine Miete von 28 Euro pro Quadratmeter und mehr geben. Aber es wird ebenso erschwingliche Wohnungen für normale Bürger geben, für zwölf bis 14 Euro pro Quadratmeter. Im bereits zu 70 Prozent vermieteten Nordteil waren die auch ziemlich schnell weg. Und auch im laufenden Bauabschnitt errichten wir öffentlich geförderte Wohnungen.

Sind die Luxuswohnungen auch schon bezogen?

Die sind in Teilen noch frei. Einige Interessenten lehnten von sich aus ab, doch auch wir haben schon vielen abgesagt. Es gab genügend Anfragen unter anderem aus dem Ausland, da hätten wir noch teurer vermieten können. Doch diese Leute würden die wenigste Zeit hier wohnen, die meiste Zeit stünde die Wohnung leer. Das widerspricht unserem Quartiersgedanken.

Was genau meinen Sie mit Quartiersgedanken - eine Art Leitidee, an die sich alle halten müssen?

Nein, natürlich nicht. Gemeint ist: Wir wollen keinen schnellen Wechsel und keine Mieter, die ihre Wohnung leerstehen lassen. Unser Ziel ist ein belebtes Quartier. Wir wollen keine Monokultur, sondern eine gesunde Mischung.

Analog zum Reichen-Ghetto-Ruf mutmaßen viele in der Bevölkerung, dass Sie vor allem Luxus-Läden ansiedeln.

Dem muss ich klar widersprechen. Wir wollen vor allem Geschäfte für den täglichen Bedarf. Der Lebensmittel-Vollversorger hat normale Preise und deckt auch das Bio-Segment ab. Es wird einen Drogeriemarkt, einen Optiker, vielleicht eine Apotheke, dafür kein einziges Mode-Label aus dem Luxussegment geben. Bei der Gastronomie wird für jeden Geldbeutel etwas dabei sein. Wir haben eine urbane Mischung im Sinn, ein Angebot, in dem sich alle wiederfinden - allerdings keine Billiggastronomie.

Wohnen im neuen Quartier: Zum gesamten Ensemble des Neubauquartiers "Schwabinger Tor" wird auch eine gute Hotel-Adresse gehören. (Foto: privat)

Sie haben sich genau an die Vorgaben für den Wohnungsmix gehalten, nur 35 von 210 sind öffentlich gefördert. Warum haben Sie davon nicht mehr gebaut?

Das hätten wir durchaus gekonnt, doch aus wirtschaftlichen Gründen ging das nicht. Dieses Projekt ist sehr aufwendig gebaut, denn wir wollen diese Immobilie im Bestand behalten. Daher liegen die Kosten auch für die Sozialwohnungen sehr viel höher als im übrigen Stadtgebiet. Wir kriegen aber deshalb nicht mehr Miete. Deshalb haben wir die 15 Prozent Anteil gebaut, die wir bauen müssen.

Kritisiert wird immer wieder, dass sie in dem großen Areal keine Kinderbetreuungseinrichtung bauen.

Die Stadt sah das als nicht nötig an. Es hieß: In diesem Bereich Schwabings gibt es genug Kinderbetreuungsplätze. Die Versorgungsquote im Umfeld liegt demnach bei 105 Prozent. Für uns wäre es kein Problem gewesen, eine Einrichtung zu bauen, zumal einer unser Gesellschafter in diesem Segment tätig ist. Jetzt planen wir in einem angrenzenden Areal, in dem ebenfalls Wohnungen entstehen sollen, eine Kita.

Reiche, Mittelschichtler und finanziell schlecht Gestellte werden im Schwabinger Tor auf engem Raum zusammenleben. Wie wollen Sie ein Separierung der Gruppen verhindern?

Darüber haben wir uns sehr intensiv Gedanken gemacht. Es gilt, eine Ghettoisierung zu verhindern. Die Wohlhabenden versuchen wir zum Beispiel dadurch zu integrieren, dass die Penthouse-Mieter einen Euro pro Quadratmeter an einen Fonds für Kunstförderung abführen. Das Thema Kunst soll ein Mittel sein, die soziale Trennung aufzuheben.

Manche sagen: Das ist ein Feigenblatt des Investors, um sich einen sozialen Anstrich zu geben . . .

Da muss ich erneut widersprechen. Das ist das ernsthafte Bemühen, Kunst im Quartier erlebbar zu machen und damit die Menschen zusammenzubringen. Dafür stellen wir einige Ateliers bereit, die Künstlern zeitlich befristet zur Verfügung stehen. Die Organisation geben wir in die Hände eines Kurators. Eine gewisse Separierung werden wir nicht verhindern können. Aber ich glaube, das findet sich. Es werden ohnehin nicht die großen Millionäre hier wohnen.

Er glaubt an das Gute: Wolfgang Müller. (Foto: Jost Hurler/oh)

Wie wird das Kunstprogramm aussehen, und gibt es schon ein Budget?

Es wird einen Topf geben, der aus den Mieten der Penthäuser gespeist wird, außerdem wird die Firma Hurler Geld zuschießen; der genaue Etat steht noch nicht fest. Zudem müssen wir noch warten, welches Programm der Kurator, den wir erst noch suchen müssen, entwickelt. Derzeit stellen wir uns wechselnde Ausstellungen vor, womöglich auch in der Tiefgarage. Doch das ist nur ein Teil der Share-Kultur, die wir im Schwabinger Tor etablieren wollen.

Wie soll diese Share-Kultur ablaufen, was soll ein Penthouse-Bewohner mit einem Sozialwohnungsmieter teilen?

Es gibt zwei Aspekte, die wir über eine Smartphone-App arrangieren. Das eine ist der digitale Nachbarschaftsgedanke - man postet: Ich habe Tomaten übrig. Und wer will, kann diese abholen. Dabei lassen sich Profile anlegen und Freundes-Gruppen einrichten. Als zweiter Aspekt dient die App der Kommunikation mit der Hausverwaltung. Wenn etwa ein Fenster kaputt ist, kann man dies über die App posten. Dann bekommt der Mieter eine Nachricht, dass sein Anliegen der Haustechnik gemeldet wurde. Stück für Stück werden weitere Funktionen hinzukommen.

Klingt nach einer Art Quartiers-Facebook mit integrierter Mieter-Hotline?

Es ist viel mehr. Die App soll eine echte Dienstleistung sein. Es wird in der Tiefgarage eine Carsharing-Flotte geben, die Autos sollen über die App ebenso gebucht werden wie Plätze in den Restaurants. Die Mieter sollen zudem mit der App Waren bei Geschäften im Quartier bestellen können. Glauben Sie mir: Wir meinen es ernst mit der Bewohner-Kultur, schon aus emotionalen Gründen. Diese Fläche ist die Urzelle des Unternehmens, hier hat Großvater Hurler sein Cash & Carry-Geschäft in den Sechzigerjahren gegründet. Deshalb lehnen wir alle Kaufangebote ab, es wird keine Eigentumswohnungen geben.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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