Schwabing:Schwer zu stemmen

Lesezeit: 3 min

Nach der Kündigung gewährt die Allianz-Versicherung dem SV Weißblau-Allianz einen Aufschub und bietet an: Der Verein darf die Anlage nutzen, bis ein Bauantrag genehmigt ist - soll aber die Betriebskosten bezahlen

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Nach einer halben Stunde hält der scheidende Vorsitzende inne, eine kurze Pause in diesem außergewöhnlichen Bericht eines Sportvereinschefs bei einer Mitgliederversammlung. Detlef Siewert blickt in die schweigenden Reihen der gut 500 Besucher und sagt: "Es war für uns eine fast unwirkliche Situation." Hörbares Seufzen. "Man behandelt Aufnahme-Anträge von Mitgliedern und weiß, dass am 31. Juli womöglich alles vorbei ist."

Unwirklich. So dürften viele Mitglieder insgesamt die Lage ihres Vereins SV Weißblau-Allianz, aber auch den Verlauf dieses Abends im Kulturhaus Milbertshofen empfinden. Der Breitensportverein, mit knapp 4000 Mitgliedern einer der größten der Stadt, steht am Abgrund, nachdem im Dezember 2017 der Eigentümer der Sportflächen, die Allianz Versicherungs-AG, den Pachtvertrag für das Gelände an der Osterwaldstraße zum 31. Juli 2018 gekündigt hatte. Auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung stehen nun Neuwahlen des Vorstands (der vielleicht den Verein abwickeln muss), die Verabschiedung des Etats 2018 (von dem keiner weiß, ob er so haltbar ist) - und die "Zukunft des Vereins", so Tagesordnungspunkt 2. Es zeigt sich: Die Zukunft ist ungewiss, aber Ende Juli wird es noch nicht vorbei sein.

Die Perspektive für den Fortbestand des Vereins bekommen die Mitglieder in Form eines an die Wand geworfenen Text-Dokuments präsentiert, Siewert nennt es ein "erstes Verhandlungsergebnis" mit dem Finanzvorstand der Allianz Deutschland AG, Burkhard Keese. Es ist das Protokoll eines Gesprächs vom 9. März: Der Verein soll die Anlage so lange nutzen dürfen, "bis die Allianz einen genehmigten Bauantrag für ein Objekt auf dem Gelände erhalten hat", steht dort zu lesen. Voraussetzung für einen noch abzuschließenden, befristeten Vertrag sei, dass der Verein "die laufenden Betriebskosten weitgehend übernimmt", wobei die genaue Höhe noch zu verhandeln sei. Unabhängig von dieser ausstehenden Vereinbarung darf der Verein noch bis 31. Dezember 2018 zu den derzeit geltenden Konditionen auf dem Gelände bleiben.

Kraftakt: Das Trainieren im Fitnessraum oder auf dem Spielfeld der Anlage in Schwabing wird teurer: (Foto: Robert Haas)

Nur wenige Mitglieder melden sich für Nachfragen zu Wort. Was das nun bedeute, dass der Vertrag nur befristet gelten soll? Was genau sei die Motivation der Allianz? Und die Stadt, wie sei die Haltung der Stadt dazu? Siewert gibt zu verstehen, dass er auf all dies keine Antworten hat. "Wir sind froh, dass wir überhaupt Zugang zu Verhandlungen mit der Allianz gefunden haben", sagt er. Die Stimmung im Saal ist zögerlich, unwirklich. Der Schock sitzt bei vielen sichtlich tief, dass die Allianz ihren einstigen Betriebssportverein vom Gelände werfen will. Die Unternehmensführung hat deutlich gemacht, den Verein nicht weiter subventionieren und die jährlich anfallenden Betriebskosten von 750 000 Euro einsparen zu wollen. Wie bekannt wurde, will die Allianz das Gelände an die britische Fitness-Kette David Lloyd Leisure verpachten, welche die Anlage für einen Millionenbetrag aufwerten soll.

Die Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) haben aber bereits klargestellt, dass die vorliegenden Umnutzungs-Pläne für einen privaten Premium-Sportclub mit "Event-Gastronomie" nicht genehmigungsfähig seien. Stadtschulrätin Beatrix Zurek teilte aber auch zuletzt mit: Die Firma Allianz könne "weder gezwungen werden, die bisherige Vereinsnutzung fortzuführen, noch zu entscheiden, an wen sie das Grundstück künftig verpachtet".

Der Verein sieht sich gezwungen, die Mitgliedsbeiträge zu erhöhen. (Foto: Robert Haas)

Und jetzt? Die Allianz verlangt vom Verein ein Angebot zur Kostenübernahme - und damit ist die Mitgliederversammlung bei Tagesordnungspunkt 2.2., zu lesen wiederum auf einem Text an der Wand: Der Jahresbeitrag wird von 74 Euro auf 150 Euro erhöht; Rentner und Pensionäre zahlen 120 Euro; die Beiträge für Kinder und Studenten bleiben unverändert. Dazu stellt das Papier eine Erhöhung der Gaststätten-Pacht, Einsparungen, eine Erhöhung der Saunagebühr vor. Dadurch könne "der Sportverein eine deutlich erhöhte Kostenumlage an die Allianz leisten", ist dort zu lesen. Der Antrag wird mit einer Gegenstimme und vier Enthaltungen angenommen.

Danach wird deutlich, was jetzt blühen kann. Die Kassenwartin berichtet im Zuge ihres Budget-Berichts, dass 52 Mitglieder gekündigt haben, als der Beitragserhöhungs-Antrag mit der Einladung zur Versammlung verschickt worden war. Der Etat 2018 geht von nur 3200 Mitgliedern aus. Man wisse ja nicht, wie viele den Verein noch verlassen, sagt sie. Dann tritt die alte Vorstandsriege ab; an die Spitze der neuen Führung wählen die Mitglieder Helmut Jaschkowitz, der bis 2014 zwölf Jahre lang Vereinsvorsitzender war. "Ich bin sehr verhalten optimistisch", sagt er zur SZ. Vieles sei völlig offen, etwa was sich die Allianz unter der "weitgehenden" Übernahme der Betriebskosten vorstelle. "Zudem sind wir nun der Stadt ausgeliefert. Wenn eine Baugenehmigung erteilt wird, haben wir unsere Heimstatt verloren."

Die Allianz teilt auf Anfrage zu der Sachlage folgendes mit: "Derzeit diskutieren wir mit der Landeshauptstadt München und dem SV Weißblau-Allianz München e.V. verschiedene Optionen zur künftigen Entwicklung und Nutzung des Geländes an der Osterwaldstraße und des darauf befindlichen Gebäudes." Nach SZ-Informationen ist für Mitte April eine Gesprächsrunde mit Allianz- und Vereinsvorstand sowie OB Reiter angesetzt.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: