Schwabing:Rabiate Radler, rücksichtslose Raser

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Die Bürgerversammlung für Schwabing und die Alte Heide beschäftigt sich vor allem mit der Situation auf den Straßen

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Die Bevölkerung der Boom-Kommune München schwillt dramatisch an. Es wird enger in dieser Stadt. Und hektischer. Die Infrastruktur im öffentlichen Verkehr gerät an ihre Grenze - und ein Gradmesser dafür, wie sehr das den Menschen zusetzt, war einmal mehr die Bürgerversammlung für Schwabing und die Alte Heide. Das Gros der Anfragen und Anträge in der Aula des Maximiliansgymnasiums am Donnerstagabend betraf die Zustände auf Schwabings Straßen: rabiate Radler, rücksichtslose Raser, eigensüchtige Parker.

Doch bei allem Verständnis für den Unmut der Bürger mussten Behörden und Polizei ihren begrenzten Einfluss einräumen. "Wir verstehen sie und ihren Ärger, wir bemühen uns", sagte Polizeidirektor Peter Breitner, Chef der örtlich zuständigen Dienststelle, vor gut 80 Besuchern.

Ihrem Ärger hatte zuvor eine Anwohnerin der Münchner Freiheit gehörig Luft verschafft. Sie schilderte ihre Erlebnisse am Busbahnhof; sie hörten sich an wie der Bericht vom Verkehrs-Overkill. "Ich habe nur einen Kopf, der sich nicht gleichzeitig in alle Richtungen drehen lässt", beschrieb sie ihre Überforderung, mit der Situation dort umzugehen. Vor allem die Fahrradfahrer mit ihrer "rücksichtslosen Radlerei" gefährdeten Passanten. Die Frau berichtete von einem Beinahe-Zusammenstoß zweier Fahrradfahrer, bei dem sie selbst und eine Begleiterin verletzt worden seien. Ihr Antrag, der eine Mehrheit fand: Die Polizei soll mehr Präsenz zeigen, mehr kontrollieren.

Doch auch in den Wohngebieten ist der Verkehr ein Quell des alltäglichen Ungemachs. "Es ist nicht mehr möglich, die Straße sicher zu überqueren", sagte eine Anwohnerin aus dem Quartier Osterwald- und Mommsenstraße, nördlich des Mittleren Rings. Der Grund: "Alles ist zugeparkt", die Fahrzeuge versperrten die Sicht, mithin sei es schier unmöglich, einen Parkplatz zu finden. Zudem verlieh die Frau ihrem Ärger über die "dauerparkenden Wohnmobile" Ausdruck, zwölf seien es derzeit im Viertel. Ginge es nach dem Antrag der Schwabingerin, den die Versammlung unterstützte, sollen Polizei und Stadt hart durchgreifen: Falschparker rigoros abschleppen, Parkverbot für Camper, Verkehrsberuhigung mit Tempo 30. Der Vertreter des Kreisverwaltungsreferats sah indes wenig Chancen, Parkverbote für bestimmte Fahrzeugtypen wie Camper zu erlassen, welches überdies nur in diesem Teil der Stadt gelten soll.

Polizeidirektor Breitner ließ erkennen, wie sehr die Dienststellen inzwischen mit ihren begrenzten Personal-Ressourcen haushalten müssen. "Die Bevölkerung Münchens ist in den letzten 20 Jahren um 25 Prozent gewachsen", sagte er, auch an die Adresse der Anwohnerin von der Münchner Freiheit. Er sprach von 731 Verwarnungen im ersten Halbjahr 2017, dazu 94 Anzeigen wegen Verkehrsverstößen. Es gelte, Prioritäten in der Polizeipräsenz zu setzen. "Wir tun, was wir können."

Zufrieden konnte dagegen ein Antragsteller aus dem Umfeld der Grünecker Straße nach Hause gehen, der sich über wildes Parken in diesem Areal der Alten Heide beklagte. Zunächst befürworteten die Besucher seine Forderung nach einem Parklizenzgebiet, dann verkündete ein Behördenvertreter: Die Planungen für eben dieses Lizenzgebiet laufen bereits. Klare Worte erwartet sich - mit dem Rückhalt der Versammlung - ein älterer Herr, allerdings erst bei der Bürgerversammlung 2018. Die Stadt soll laut Antrag ein "Konzept für den Individualverkehr ohne Pkw-Nutzung" erarbeiten, wobei die Bürgerschaft sich ein vereinfachtes und kostengünstigeres MVV-Netz sowie zusammenhängende Fahrradstraßen wünscht.

Man darf getrost bezweifeln, dass die Stadt im Sommer 2018 über ein kompaktes Verkehrskonzept verfügt, geschweige denn es in der Schwabinger Bürgerversammlung exklusiv präsentieren wird. Der Schwabinger Herr - er ließ ohnehin durchblicken, dass er schon mit einem Wartehäuschen für den 54er-Bus an der Münchner Freiheit zufrieden wäre; dies hatte er bei der Versammlung vergangenes Jahr - bis dato erfolglos - gefordert. "Was kann man tun", seufzte der Mann, "damit die Stadt über ein Wartehäuschen für einen Bus innerhalb eines Jahres entscheiden kann?"

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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