Schwabing:Kleine Lösung ganz groß

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Abgespeckte Lösung: Der Mini-Kreisel bietet auch Bussen genug Platz. (Foto: Florian Peljak)

Auf dem Kißkaltplatz in Schwabing soll Münchens erster Mini-Kreisverkehr entstehen. Auch ein neuer Name wird gesucht

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Nach all den Schriftwechseln, Anträgen und Eingaben dürfte die Akte dieses Vorgangs ziemlich dick sein. Dabei ist der Kißkaltplatz nicht einmal ein Platz im eigentlichen Sinn, also kein Tummelplatz für Menschen, sondern eine schlichte Straßenkreuzung. Allerdings eine ziemlich überdimensionierte in diesem von alten Bürgerhäusern gesäumten Wohngebiet unweit des Englischen Gartens - das zu beklagen, werden die Stadtviertelpolitiker nicht müde. Sie beharren auf der Forderung, den "Asphaltsee", wie diese Stelle oft charakterisiert wird, menschenfreundlich zu gestalten. Nach langem Hin und Her können die Lokalpolitiker nun die Früchte ihrer Hartnäckigkeit ernten: Auf dem Kißkaltplatz entsteht der erste Mini-Kreisverkehr Münchens - was drumherum zu einer deutlichen Aufwertung führen wird.

Es ist das Ende einer zähen Auseinandersetzung zwischen dem Bezirksausschuss Schwabing-Freimann und dem städtischen Baureferat. Ungezählt sind die Gelegenheiten, in denen das trostlose Gefüge an der Kreuzung Martius-, Kaulbach- und Thiemestraße angeprangert wurde. Dabei verfocht das Stadtteilparlament vehement die Idee eines Mini-Kreisverkehrs, das Baureferat wollte jedoch einen kleinen Kreisverkehr. Das klingt nach Kinkerlitzchen - der scheinbar so kleine Unterschied hat aber eine große Wirkung, denn ein kleiner Kreisverkehr hat zwar einen geringen Radius, aber eine Verkehrsinsel in der Mitte, die umfahren werden muss.

Anders ist das bei der Mini-Variante: Des Kreisels Kern ist eine marginal erhabene Asphaltfläche, die Pkw entlang der Markierungen umkurven müssen, Gelenkbusse oder lange Lkw, die die Kurve nicht kriegen, bei Bedarf aber überfahren dürfen. "Durch die überfahrbare Mittelinsel ergibt sich ein erheblich geringerer Durchmesser und somit ein wesentlich geringerer Platzbedarf für die Verkehrsflächen", heißt es in einer Expertise des Landschaftsplanungsbüros Andreas Hautum, die im Auftrag des Bezirksausschusses angefertigt worden war. Die Konsequenz: Der gesparte Platz kann für breitere Geh- und Radwege an den Rändern verwendet werden.

Dieses Konzept mochte dem Baureferat bisher nicht so recht einleuchten. Bereits im Jahr 2008 hatte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) die Ampelanlage abmontiert und einen provisorischen Kreisverkehr eingerichtet: ein auf den Asphalt gemalter Kreis mit vier aufgepflanzten Pfeil-Schildern. 2013 befand die Behörde, die Lösung habe sich "bewährt" - und ersetzte die Schilder durch Baken und Leitelemente, wie sie auch an Baustellen verwendet werden. "Das sieht nicht nur provisorisch aus, das verschandelt den Straßenraum dort in Altschwabing erheblich", echauffierte sich CSU-Stadtrat Richard Quaas im Mai vergangenen Jahres in einer Anfrage an die Stadt. Als Folge eines Ortstermins mit dem Bezirksausschuss teilt nun offenbar auch das Baureferat diesen Eindruck. Die Baken sind seit einiger Zeit abmontiert, ein aufgemalter Kreis fungiert als Provisorium, bis die Planungen für die gepflasterte oder asphaltierten Kreisl-Fläche fertig sind. Referatssprecherin Dagmar Rümenapf bestätigt, dass hier der erste Minikreisel in München entstehen kann - sofern der Bezirksausschuss der Planung zustimmt. "Es ist vorgesehen, die Entwurfsplanung im Frühling/Frühsommer dem BA vorzustellen und zur Entscheidung vorzulegen. Baubeginn könnte je nach Beschlussfassung im nächsten Jahr sein."

Für das Lokalgremium wird es wohl nicht viel zu kritisieren geben, denn nach Informationen des Gremiums-Vorsitzenden Werner Lederer-Piloty (SPD) wird sich die Stadt auf das Konzept des Büros Hautum stützen, also dem favorisierten Modell der Stadtviertelvertreter. Dessen Planmodell zeigt großzügig vorgewölbte Fußgängerbereiche an allen vier Ecken dieser Kreuzung - "eine deutliche Verbesserung", urteilt Lederer-Piloty. Auch sollen einige Bäume gepflanzt, zudem der Mini-Park an der Südostseite mit umlaufenden Stufen aufgewertet werden. Der SPD-Politiker zeigt sich zufrieden mit dem "Ergebnis dieses langen Marathons".

Allerdings ist für die Bürgervertreter die Umgestaltung des Kißkaltplatzes damit noch nicht abgeschlossen. Es fehlt nach ihrer Meinung noch ein neuer Name. Der alte sei "wegen der Belastung des Namensgebers in der NS-Zeit nicht mehr tragbar", zeigt sich Ekkehard Pascoe (Grüne) überzeugt. Schon vor Monaten konstatierte er in einem vom Gremium beschlossenen Antrag: "Wilhelm Kißkalt war ein Nazi der ersten Stunde." Kißkalt war bis 1937 Direktor der Münchner Rück, von 1933 an Mitglied der NSDAP. Der Konzern hat im vergangenen Jahr seine Firmengeschichte von zwei Historikern aufarbeiten lassen, das Ergebnis: Die Münchener Rück sei an Verbrechen nicht direkt beteiligt gewesen, habe aber durchaus indirekt davon profitiert. Nach Pascoes Recherchen war Kißkalt Mitbegründer der "Akademie für deutsches Recht", eine Institution zur Anwendung der nationalsozialistischen Weltanschauung. Das habe er auch im Unternehmen eingeführt, so Pascoe. Der Platz, schreibt er im Antrag, "sollte nach ehrbaren und geeigneten Vorbildern benannt sein".

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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