Schwabing:Elki schlägt Kompromiss vor

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Vormittags ist das Elki ein Mini-Kindergarten, ins Nachmittagsprogramm sind bisher auch Eltern involviert. (Foto: Robert Haas)

Das Schwabinger Eltern-Kind-Zentrum will das Räumungsurteil zugunsten der Nachbarn weiter prüfen lassen, bietet aber an, das Nachmittagsprogramm mit Müttern und Vätern zu streichen und auf reine Kinderbetreuung umzustellen

Von Ellen Draxel, Schwabing

Alexander Erb dringt auf eine mündliche Verhandlung. Der Rechtsanwalt vertritt das Eltern-Kind-Zentrum Schwabing-Maxvorstadt (Elki), eine integrative Einrichtung für Familien an der Nordendstraße. Acht Jahre schon schwelt ein Streit zwischen dem Elki und einem Ehepaar, das über der Einrichtung wohnt - zuletzt hatte das Münchner Oberlandesgericht (OLG) den Antrag des Elki zurückgewiesen, das Urteil des Landgerichts zu Gunsten des klagenden Ehepaars noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Beim Prozess geht es formal um die Nutzung der Elki-Räumlichkeiten als Laden, de facto aber dreht sich bei der Nutzungsuntersagung alles um störenden Lärm.

Anwalt Erb sieht im Gegensatz zum OLG im Verfahren durchaus "Tragweite". Zum einen würden durch ein der Klage stattgebendes Urteil 40 Schwabinger Mädchen und Jungen ihren Kinderbetreuungsplatz verlieren. Zum anderen ginge mit einer Schließung des Elki "sowohl dem Stadtteil wie auch der Landeshauptstadt München ein seit 15 Jahren genehmigtes und auch finanziell gefördertes Projekt mit weitreichender sozialer Bedeutung verloren". Eine Meinung, die nicht nur Politiker wie die Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann (SPD) und die CSU-Landtagskandidatin für Milbertshofen, Tina Pickert, teilen, sondern auch der Bundesverband der Mütterzentren und mehr als 1000 Unterzeichner einer Petition zum Erhalt des Eltern-Kind-Zentrums.

Der Anwalt verweist zudem auf die "Signalwirkung" eines solchen Urteils. Denn in München gibt es etwa 300 Elterninitiativen, die ähnlich wie das Elki ebenfalls in Läden untergebracht sind - mit ausdrücklicher Genehmigung der Stadt. Sie habe, bestätigt Sozialreferentin Dorothee Schiwy in einem Brief an die Elki-Vorsitzende Lara Mosdal vor wenigen Tagen, die "Beschlüsse des Oberlandesgerichts München mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen". Das Sozialreferat werde den Verein im Falle einer Berufung "bei Bedarf finanziell unterstützen". "Das laufende Verfahren", ergänzt Anwalt Erb, "wird sogar deutschlandweit mit Besorgnis verfolgt".

Zur Untermauerung seiner Begründung an das OLG verweist Erb auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt von 2012. Dort ging es damals um ein muslimisches Gemeindezentrum, das anstatt eines Supermarkts in einem "Laden mit Lager" untergebracht war. Die Frankfurter Richter hatten seinerzeit eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung für relevant erklärt, in der lediglich zwischen einer Wohnraum- und einer gewerblichen Nutzung unterschieden wurde. Da sie keinen Verstoß gegen die Gemeinschaftsordnung feststellen konnten, erklärten die Frankfurter Richter den Unterlassungsanspruch für nicht rechtens. Aus Sicht des Elki-Anwalts ist der Fall vergleichbar.

Dass sich der Elki-Vorstand vor der Anmietung der Flächen im Erdgeschoss der Nordendstraße 53 juristisch beraten ließ und die beauftragte Kanzlei die Nutzung der Räumlichkeiten als Familienzentrum als "unstreitig von der Teilungserklärung gedeckt" ansah, wertet Erb als ein weiteres Argument. Zumal die Stadt in den jetzigen Elki-Räumen anfangs ein Bürgerbüro eingerichtet hatte. "Eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten als bloßer Laden mit Lager", erläutert der Anwalt, "stand für die Eigentümergemeinschaft zu keinem Zeitpunkt im Raum". Dieses Argument sei "erstmalig durch die Kläger im laufenden Verfahren konstruiert" worden.

Ruhig ist der Innenhof nicht, in dem sich das Eltern-Kind-Zentrum befindet. Die Räume gehören zu einer Einkaufspassage im am dichtesten besiedelten Stadtteil Münchens. Das Elki, finden seine Befürworter, steche mit seinem Angebot nicht besonders heraus. Außerdem, betont Erb, besuchten weit weniger Personen die Einrichtung als vermutet: In den Wintermonaten seien es gleichzeitig maximal 20, im Sommer oft höchstens zehn Gäste. Jedenfalls deutlich weniger Menschen, als Kunden einen umsatzträchtigen Laden aufsuchten.

Angewendet wissen möchte der Anwalt vor allem das besondere Recht von Kindern auf Lärm, wie es im Paragrafen 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geregelt ist. Vormittags, erklärt Erb dem Münchner OLG, sei das Elki ein Mini-Kindergarten, außer Kindern und Pädagoginnen sei in dieser Zeit niemand anwesend. Aber auch nachmittags seien die Geräuscheinwirkungen mit denen von Kitas oder Spielplätzen vergleichbar - und damit privilegiert zu beurteilen. "Wir beantragen daher, diese Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof vorzulegen oder, im Falle der Zurückweisung der Berufung, die Revision zuzulassen", heißt es in der Stellungnahme. Das Thema habe "grundsätzliche Bedeutung" und erfordere "die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung". Münchens Sozialreferentin Schiwy sieht das ähnlich, sie will das Thema Privilegierung von Kinderlärm in den Sozialausschuss des Deutschen Städtetags einbringen.

Ganz aufgeben, soviel ist klar, will der Elki-Vorstand nicht. Und so bietet Erb im Auftrag der Einrichtung "in Anbetracht der Länge des Verfahrens und der Tatsache, dass die Kläger immer wieder betont haben, nicht gegen die Kinderbetreuung an sich, sondern vielmehr gegen die ,Begegnungsstätte' vorgehen zu wollen", einen Vergleich an. Von Schuljahresbeginn im September an, so das Angebot, könnte an der Nordendstraße das bisherige Nachmittagsprogramm, das auch Eltern involviert, aufgegeben werden. Stattdessen sei ganztägig eine reine Kinderbetreuung in Form der vom Stadtjugendamt geförderten "Münchner Großtagespflege" denkbar.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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