Schwabing:Ein Motor für mehr Urbanität

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Schwabinger Lebensgefühl sollen die Baudichte und die Gebäudehöhen garantieren. (Foto: Robert Haas)

Die Baustelle am Schwabinger Tor zählt zu den größten innerstädtischen Bauprojekten Deutschlands: Wie ein großes Hotel das Neubau-Viertel weiter beleben soll.

Von Thomas Kronewiter, Schwabing

So ähnlich muss man sich vermutlich die Baustelle des Berliner Flughafens vorstellen. Allerorten offene Decken, Kabelschächte, Entrauchungskanäle, nackte Aluminium-Profile, die auf ihre Gipskarton-Ummantelung warten, Bohr- und Hammergeräusche als permanentes Hintergrundrauschen. Im Falle des Schwabinger Andaz-Hotels, das anstelle des früheren Holiday Inn in wenigen Monaten an der Leopoldstraße eröffnen soll, hat man allerdings den Eindruck, dass alle Beteiligten wissen, was sie tun - selbst wenn der Zeitplan am Ende doch noch etwas ins Rutschen kommt.

Denn an diesem Montag im Juni müssen die Bau-Manager der Jost-Hurler-Gruppe akzeptieren, dass es nichts werden wird mit einer glanzvollen Eröffnungsgala unterm Weihnachtsbaum, wie bis zu diesem Termin eigentlich noch erhofft. "February", grätscht Peter Fulton dazwischen, alles andere, sagt er, wäre zu ambitioniert. Fulton muss es wissen, obwohl er zuvor jahrelang keinen Fuß auf die Schwabinger Baustelle gesetzt hat.

Der Neuseeländer, der den imponierenden Titel eines Group President Hyatt innehat, also für den Hyatt-Hotel-Konzern in Europa, Afrika, dem Mittleren Osten und dem südwestlichen Asien Verantwortung trägt, übernimmt den Komplex als Pächter der Schwabinger Hurler-Gruppe. Ihm ist zu eigen, was Managern speziell aus dem anglo-amerikanischen Kulturraum oft auszeichnet: grenzenlose Euphorie und der unbedingte Wille, ein Projekt zum Erfolg zu führen.

Karton-Platzhalter statt eines Fernsehers: Maximilian Hurler (links) und Peter Fulton bei der Besichtigungstour im neuen Andaz-Hotel. (Foto: Robert Haas)

An diesem Montag nimmt sich der Manager betont zurück, überlässt ganz seinem Hotel die Bühne. 277 Zimmer, großzügige Grundrisse, tiefe Fensterbänke, in die man sich regelrecht hineinkuscheln kann, ein zweigeschossiger offener Lobby-Bereich - das erste Andaz-Hotel der Hyatt-Gruppe in Deutschland soll für sich selbst Werbung machen. Alles, was der Bedenkenträger thematisieren könnte, wischt Fulton weg. Hohe Preise? Man werde mit der Schwabinger Nachbarschaft konkurrieren, also Marktpreise verlangen, nicht mehr. Eine Cocktail-Bar im obersten Stock, in die sich der gewöhnliche Münchner gar nicht erst traut? Warum, fragt Fulton zurück, sollte der denn nicht kommen wollen?

Mit derlei Optimismus macht Fulton Maximilian Hurler sichtlich Laune. Denn dessen Konzept des beliebten, belebten Lebensraums kann durch das neue Hotel, dessen Name aus der Hindi-Sprache entlehnt ist und mit "persönlicher Stil" übersetzt werden kann, nur befördert werden. Wie wichtig dem Mitgesellschafter der Hurler-Gruppe diese Botschaft ist, zeigt seine Präsenz an diesem Juni-Tag. "Wenn es irgendwo funktioniert, funktioniert es in Schwabing", sagt er zur Andaz-Idee, von der man schon bei der ersten Präsentation überzeugt gewesen sei. Hurler setzt im Interesse des ganzen Quartiers darauf, dass sich das Hotel öffnet als ein Ort der Begegnung, gerade nördlich der Münchner Freiheit - wo viele vermuteten, dass Schwabing schon zu Ende sei.

Dass dem nicht so ist, dass das Bauvorhaben "Schwabinger Tor" ja geradezu in Anspruch nimmt, typische Schwabinger Urbanität in eine moderne Form zu transformieren und die zu Zeiten des Holiday Inn und des Metro-Markts strikte Trennung zwischen dem westlichen Schwabing, dem Quartier beiderseits der Leopoldstraße und der Siedlung an der Berliner Straße aufzuheben, dafür steht die Hurler-Gruppe mit ihren vier Gesellschaftern. Und auch wenn die neuen Spielplätze schon gut angenommen würden, wie Maximilian Hurler beobachtet hat, die Restaurants gut besucht seien, muss das "Schwabinger Tor" insgesamt erst noch den Beweis antreten, dass das Konzept aufgeht. Maximilian Hurler selbst legt die Latte ordentlich hoch. Man wolle nicht, dass gefragt werde, was man an der Leopoldstraße tolles gebaut habe, sondern was dort los sei.

Der Innenausbau ist in vollem Gange. Vieles, wie der Boden, ist schon fertig, aber zur Sicherheit wegen der laufenden Arbeiten noch abgedeckt. (Foto: Robert Haas)

Dass man am Schwabinger Tor auch Wohnungen schon für knapp 15 Euro pro Quadratmeter anmieten könne und nicht bloß ganz teure Apartments, wie Maximilian Hurler anführt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Vorhaben insgesamt zu den hochpreisigen zählt. Auch das Hotel ist alles andere als eine Billigherberge. Beispiel Ballsaal: Dessen Foyer ist nicht von ungefähr schon jetzt komplett von der übrigen Erdgeschoss-Baustelle abgeschirmt und eigens klimatisiert. Nur so verhindert die Bauleitung um Roland Wüst und seine Geschäftsführer-Kollegen, dass sich das Eichenholz der gefalteten Deckenvertäfelung noch vor dem ersten Ball verzieht. Die Ledersofas in den Hotelzimmern sind einem alten BMW-Autositz nachempfunden und eigens designt. Nicht überall wird so geklotzt - im Detail, etwa bei den auf alt getrimmten Zimmerklingeln aus Kunststoff, wird durchaus aufs Geld geschaut.

Nun muss nur noch die Atmosphäre stimmen. Dafür gibt es, schon Monate vor der Hoteleröffnung, den Andaz-Salon. In einer Wohnung haben sich Hurler und Hyatt mit plüschigen Sesseln und einer voll eingerichteten Küche einquartiert. Dort wird vermittelt, wofür der Markenname, der Brand, steht - an Schwabinger Nachbarn, Mieter des Schwabinger Tors, aber auch an künftige Mitarbeiter des Hotels. Küchenchef Felix Petrucco steht gerade am Herd und wendet kleine Weißbrotstücke in der Pfanne. Auf einem Backblech liegen marinierte Brokkolistücke zur weiteren Verarbeitung bereit - nicht die Röschen, sondern die in Scheiben geschnittenen Strünke. Das kann kein Zufall sein. Denn neben dem auf den Hotelvorplatz orientierten Café, der auch für Gäste zugänglichen Angestellten-Cafeteria und der Bar am großen Lobby-Boulevard wird das auf Fleischgerichte spezialisierte Hauptrestaurant des Andaz-Hotels "Lonely broccoli" heißen. Branding ist eben alles.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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