Schwabing:Bitteres Ende

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Marode Technik, Brandschutzmängel: Die kleine Seitenpassage an der Münchner Freiheit muss grundlegend saniert werden. Das "Café im Forum" und ein Friseurladen müssen schließen. Die Pächter monieren das Vorgehen der Stadt

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Karl Eisenrieder überlegt, wie er das jetzt formulieren soll. Er steht inmitten der Überreste des "Café im Forum" in der kleinen Seitenpassage am U-Bahn-Nordausgang der Münchner Freiheit. Auch sein Bruder Max grübelt, wie man die Rolle des Kommunalreferates im Sterbeprozess des Lokals wohl umschreiben könnte. Herausgebrochene Fliesen liegen herum, im Boden klaffen Löcher, Abbruchatmosphäre. "Die Ansprechpartner waren sehr bemüht, aber es herrschte eine gewisse Entscheidungsträgheit", schlägt Karl Eisenrieder vor. Sein Bruder nickt: "Schade, wir hätten das Café gerne weitergeführt."

Die beiden Männer sind die Juniorchefs der traditionsreichen Münchner Kette "Café Münchner Freiheit" mit Hauptsitz an der Ostseite des gleichnamigen Platz-Ensembles und um einen freundlichen Ton bemüht. Dennoch lassen sie ihre Verstimmung darüber durchaus durchblicken, wie die Behörde mit ihnen und ihrer Nachbarin umspringt.

Das Café, geführt im Familienbetrieb, gab es seit 1974, es liegt hineingeduckt in das terrassierte Beton-Bauwerk des "Forums", des Entrees hinter dem Busbahnhof. Hier überdauerte eine Sackgasse mit Laden-Segmenten, Adresse: Münchner Freiheit 7. Die Haustechnik ist nun marode, ein Generalsanierung steht an. Das Kommunalreferat spricht von "gravierenden brandschutzrechtlichen Mängeln". Sprinkleranlagen müssen angepasst, sämtliche Elektro-, Sanitär und Heizungsanlagen erneuert werden. Sechs bis sieben Monate sollen sich die Arbeiten hinziehen; der Beginn ist für Mitte 2018 angesetzt. Doch die Sanierung ist laut Behörde im laufenden Betrieb nicht möglich. Die Folge: Zwei Pächter müssen raus. Die Eisenrieders haben von sich aus ihren Abschied genommen; der Pächterin des Friseurladens "Haupt Sache" ist laut Kommunalreferat zum 28. Februar 2018 ein Aufhebungsvertrag angeboten worden, den sie bereits akzeptiert habe. Nach den Worten eines Behördensprechers habe man frühzeitig versucht, für die Mietparteien eine Ersatzlösung für die Dauer der Arbeiten zu finden: "Leider scheiterten diese Bemühungen aufgrund fehlender Alternativen oder wegen des erheblichen Kostenaufwandes für Alternativlösungen."

Schluss mit lustig: Max Eisenrieder (rechts) und sein Bruder Karl müssen sich von ihrem "Café im Forum" an der Münchner Freiheit verabschieden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Glaubt man den Café-Geschäftsführern, waren dies jedoch eher fruchtlose und frustrierende Bemühungen. Vor fünf Jahren seien die ersten Gespräche mit Behördenvertretern geführt worden, erinnert sich Karl Eisenrieder. Schon damals hatte das Café seine besten Zeiten längst hinter sich, die Kunden mochten das angegraute Flair nicht. "Es war ein Verlustgeschäft", sagt Karl Eisenrieder. Dennoch hatte das Café für die Familie einen besonderen nostalgischen Wert, sie wollte aus dem betagten Lokal "ein modernes Caféhaus" machen, wie Karl Eisenrieder sagt. 500 000 Euro war nach seinen Worten als Investitionssumme veranschlagt.

Immer wieder, so versichern die Brüder, hätten sie beim Kommunalreferat auf eine Vereinbarung über Ablauf und Finanzierung gedrängt. "Aber es ist letztlich nie eine Entscheidung getroffen worden", stellt Max Eisenrieder fest. Im Dezember 2016 hätten sie wegen fehlender Planungssicherheit mit der Kündigung des Pachtvertrages "die Reißleine" gezogen. Vor einigen Wochen platzte dann eine Abwasserleitung, Fäkalien schwappten durchs Lokal: "Da sahen wir uns bestätigt, dass es höchste Zeit für eine Entscheidung war."

Das "Café im Forum". (Foto: Alessandra Schellnegger)

Birgit Brunnhuber hatte diese Freiheit nach eigenem Bekunden nicht. Während die Stadt von einem "Aufhebungsvertrag" spricht, nennt sie selbst es "Kündigung". In einem Brandbrief bittet sie nun Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) um Hilfe. Ihr Team und ihre Kunden hingen "mit Herzblut an diesem Laden und sind unbeschreiblich traurig über die Kündigung seitens der Stadt München". Im Gespräch zeigt sie sich traurig und wütend, nach zwölf Jahren ihr Geschäft aufgeben und ihre drei Angestellten entlassen zu müssen. Die faire, günstige Miete habe ihr das Überleben gesichert. "Einen Neustart an anderer Stelle kann ich mir nicht leisten." Dennoch hofft sie auf eine Lösung, wie sie auch dem OB in ihrem Brief nahe legt.

Das Kommunalreferat beteuert: Man habe versucht, der Friseurin im stadteigenen Bestand Ersatzflächen anzubieten; zudem werde nach einer Lösung zur finanziellen Unterstützung gesucht. Lange Zeit sei man auch bemüht gewesen, dem Café-Betreiber eine Ersatzfläche nach den Sanierungsarbeiten anzubieten, jedoch: "Ein Konzept zur Finanzierung der Sanierung des Cafés konnte das Kommunalreferat nicht vorlegen, da zunächst die Brandschutzsanierung durchgeführt werden muss." Wenn alles fertig ist, will die Behörde die Ladenflächen öffentlich ausschreiben: "Die bisherigen Mieter haben selbstverständlich die Möglichkeit, sich zu bewerben."

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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