Schwabing:Ausgang ungewiss

Lesezeit: 2 min

Im Musterprozess gegen die GBW will das Gericht Mitte Mai urteilen

Von Ellen Draxel, Schwabing

"Wir werden es uns überlegen." Mehr will Hubert Fleindl am Ende der Verhandlung nicht sagen. Vor ihm und seinen beiden Richter-Kollegen im Sitzungssaal 167 des Justizpalastes sitzen die Vertreter der Wohnungsgesellschaft GBW und die Mieterin einer Wohnanlage in der Neubausiedlung am Ackermannbogen mit ihrem Anwalt. Es geht um die Frage, ob der Mietspiegel auf Wohnungen mit einkommensorientierter Förderung, sogenannte EOF-Wohnungen, anwendbar ist oder nicht. Die GBW ist der Überzeugung, er ist es - weshalb das Unternehmen die Mieten in den vergangenen acht Jahren in regelmäßigem Turnus immer wieder erhöht hat. Die Bewohner hingegen betonen, sie hätten einen Berechtigungsschein des Wohnungsamtes benötigt, um die Wohnungen zu bekommen. "Die zumutbare Miete", erklärt die geladene Mieterin dem Gericht, "ist schon längst unzumutbar".

Das Verfahren an diesem Mittwochmittag ist als Musterprozess angekündigt. Es soll Klarheit bringen, wie in den anderen zwanzig Fällen, in denen die GBW-Mieter der Häuser an der Adams-Lehmann-Straße 83 bis 95 auf Zahlung von Mieterhöhungen verklagt hat und die momentan ruhen, zu verfahren ist. Auf der Besucherbank sitzen weitere Mieter und Anwälte.

Fleindl hält die Entscheidung des Amtsgerichts von 2017, der Klage stattzugeben und die Mietsteigerung als zulässig anzusehen, für "zutreffend". EOF-Wohnungen bildeten keinen Sondermietmarkt, festgesetzt sei nur die höchstzulässige Erstmiete. Danach dürften, so stehe es im Vertrag, Mieterhöhungen nach Paragraph 558 BGB vorgenommen werden. Alle drei Jahre sind so Mietsteigerungen um bis zu 15 Prozent möglich. Im Übrigen, ergänzt der Vorsitzende Richter, sei die von der GBW für diese Wohnung verlangte Miete "soweit von der ortsüblichen Vergleichsmiete weg, dass uns rechtlich die Hände gebunden sind". Die GBW verlangt aktuell 10,77 Euro pro Quadratmeter, die ortsübliche Vergleichsmiete dagegen läge bei 13,22 Euro.

Die Mieterin fühlt sich ob dieser Interpretation "ein bisschen auf den Arm genommen". Sie hat eine Ausbildung als kaufmännische Angestellte, ihr Mann arbeitet bei einer Reinigungsfirma und hat noch einen Nebenjob. Die Tochter ist zwölf, beide Söhne studieren und tragen daher nicht zum Familieneinkommen bei. "Woher soll ich also das Geld für Miete nehmen?", fragt sie. "Die Wohnungen sind uns als Sozialwohnungen vermietet worden, das habe ich sogar schriftlich." Seit Jahren kämpften die GBW-Mieter der Adams-Lehmann-Straße bereits um ihre Existenz. Die Politik habe Fehler gemacht - "und wir Mieter sollen das jetzt ausbaden". Sie hält den Vergleich von EOF-Wohnungen mit frei finanziertem Wohnraum schon deshalb für nicht statthaft, weil die GBW beim Neubau sehr günstig weg kam. Die GBW war 2004, als die Landeshauptstadt zwei Darlehen für gut neun Millionen Euro zur Errichtung dieses Häuserkomplexes bewilligte, noch ein staatliches Unternehmen. 2013 wurde sie dann an ein Investoren-Konsortium unter Federführung der Immobiliengruppe Patrizia verkauft. Die Patrizia, erklärte seinerzeit der damalige bayerische Finanzminister und heutige Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) der Zeitung Die Welt, habe zugesagt, die vereinbarten Obergrenzen bei Mieterhöhungen nicht auszuschöpfen. "Der Schutz der Mieter war und ist oberstes Gebot", zitierte ihn damals die Zeitung. Diesen Schutz sollte eine Sozialcharta garantieren.

Mieterin-Anwalt Michael Löffler hofft nun auf diese Charta. Die GBW dagegen betont, die Regelungen in der Sozialcharta machten keinen Unterschied zwischen EOF-Wohnungen und anderem Wohnraum. Der Kommentar des Gerichts zu dieser Debatte: "Sie werden verstehen, dass die Kammer wohnungspolitische Belange nicht berücksichtigen kann." Die Urteilsverkündung ist für Mitte Mai angesetzt.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: