Schwabing:Apokalypse hat Konjunktur

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Pittoreskes Fiasko: Die Kunstgeschichte ist reich an Bildern über die Apokalypse; eines der monumentalsten Werke ist in der Ludwigskirche zu besichtigen: das Fresko "Das jüngste Gericht" (Ausschnitt) von Peter Cornelius. (Foto: Johannes Simon)

Die Erlöserkirche widmet dem Weltuntergang eine Vortragsreihe, in der die Kulturgeschichte der finalen Katastrophe beleuchtet wird. "Das Thema trifft einen Nerv", sagt Pfarrer Gerson Raabe

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Das Thema Weltuntergang ist ein zeitloser Dauerbrenner. Seit Menschen über ihr Dasein reflektieren, spekulieren sie auch über den Untergang der Erde und des ganzen Rests. Wobei die Welt in neuerer Zeit ziemlich bildgewaltig den Bach runtergeht, den Blockbuster-Filmregisseuren sei Dank. Der Untergang hat anhaltend Konjunktur in der Populärkultur, ob durch Atomkrieg ("The Day After", 1983), einen monströsen Meteoriten ("Armageddon", 1998) oder grausame Cyborgs ("Terminator"). Alles Fiktionen, doch auch an scheinbar realen Katastrophenszenarien mangelt es nicht: Massensterben durch globale Seuchen, ökologische Desaster durch den Klimawandel, soziale Umwälzungen durch Migration und Kriege. "Apokalyptisches Denken ist hochaktuell. Es ergeben sich daraus elementare Fragen für die Zukunft", sagt Gerson Raabe, Pfarrer der Schwabinger Erlöserkirche.

Er kommentiert damit die Entscheidung für das Jahresthema der Kirchengemeinde: "Apokalypse, Weltuntergang, Weltenende" hat die Erlöserkirche eine Vortragsreihe überschrieben, bei der sich sieben Referenten der Kulturgeschichte vom Ende der Welt annähern. Im städtischen Kulturreferat und auch im internen Kulturausschuss der Kirche selbst habe es große Begeisterung über die Themenwahl gegeben, berichtet Raabe. "Das Thema trifft einen Nerv."

Das ist nicht verwunderlich, zählt die Apokalypse doch zu den erfolgreichen Longsellern der Menschheitsgeschichte. Dabei war in Antike und Mittelalter die Vorstellung vom Weltende kein destruktives Finale - sondern nur eine furiose Episode bis zur Erlösung. Ohnehin bedeutet der griechische Begriff Apokalypse "Offenbarung" oder auch "Enthüllung". Der Zusammenbruch der Welt war in jüdischer und christlicher Tradition eine Determinante im Verständnis, dass die Geschichte Anfang und Ende hat: Mit der Wiederkehr Christi erfüllt sich das Heil der Menschheit, bricht, nach furchtbarer Krise und Katharsis, ein tausendjähriges Reich Gottes an, eine Hoffnungsbotschaft also. Über die neutestamentarische Vorstellungswelt der Apokalyptik wird Lorenz Stuckenbruck an diesem Dienstag, 13. Februar, in der Erlöserkirche sprechen und Unterschiede zur jüdischen Tradition darlegen. Einen theologiehistorischen Überblick bietet Referent Jörg Lauster am Dienstag, 11. Dezember, im Abschlussvortrag der Reihe.

Allein, die ursprünglich positiv konnotierte Geschichtsdeutung wird überlagert durch die vielen Bilder vom ultimativen Fiasko, das die Kunstgeschichte durchzieht. Das göttliche Weltgericht fasziniert Maler und Bildhauer, reizte Albrecht Dürer, Hieronymus Bosch, Auguste Rodin oder Franz Marc zu eindrücklichen Visualisierungen vom Weltuntergang. Der emeritierte Theologe Jan Rohls zeigt den Teilnehmern am Mittwoch, 25. April, ausgewählte Werke und referiert über diese Darstellungen von Angst und Schrecken.

Die machtvoll arrangierte Destruktion ist in neuerer Zeit beliebtes Ereignis in Film und Fernsehen, was der Erfolg von Untergangs-Streifen wie "2012" (Roland Emmerich, 2009) zeigt. Die Endzeit auf der Leinwand ist ein Spezialgebiet der Religionswissenschaftlerin Daria Pezzoli-Olgiati, die am Mittwoch, 16. Mai, in der Erlöserkirche zu Gast ist und einen Vortrag mit dem Titel "Inszenierungen vom Ende der Welt - Apokalypse im Film" halten wird.

In der Forschung gilt die Apokalyptik als ein Phänomen der Krise, worauf auch Alf Christophersen in seinem Vortrag "Theologie in der Krise" am Montag, 22. Oktober, eingehen wird. Zeitgenossen blicken angesichts von Schicksalsschlägen durch Umbrüche ohnmächtig auf ihre Gegenwart, sehen sie als heillos und verloren an. Aufklärung und Säkularisierung verdrängten die Apokalyptik zwar aus der Theologie, nicht aber aus der Vorstellungswelt des modernen Menschen. Im 19. Jahrhundert brach die Industrialisierung wie eine Naturgewalt herein, und die Angst vor kulturellem Niedergang machte sich breit, was zu pessimistischen Grundüberzeugungen ohne Aussicht auf Rettung führte. Mehr dazu erzählt der Journalist Alexander Grau in seinem Beitrag "Vom Untergang des Abendlandes" am Dienstag, 20. November, wobei das titelgebende Buch von Oswald Spengler, das vor 100 Jahren erschien, nicht fehlen darf. "Es traf den Nerv der Zeit", schreibt Grau.

Auch die Nationalsozialisten waren offen für apokalyptische Denkstrukturen, integrierten sie in ihren totalitären Geschichtsentwurf, indem sie ein "Tausendjähriges Reich" beziehungsweise "Drittes Reich" proklamierten. Solche Bezüge sind Pfarrer Raabe von der Erlöserkirche im Zuge der Apokalypse-Reihe wichtig. "Es geht uns auch um einen kritischen Rekurs auf menschliche Allmachtsfantasien."

Alle Vorträge beginnen um 19 Uhr in der Erlöserkirche, Ungererstraße 13. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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