Schulprojekt in München:Begegnung mit der Würgeschlange

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Zum Anfassen ist das Tier zu empfindlich. Wie sich eine Vogelspinne anfühlt, dürfen die Kinder an einem abgelegten Chitinpanzer ertasten. (Foto: Florian Peljak)
  • Der Verein Akademie für Zoo- und Wildtierschutz will Kindern die Angst vor exotischen Tieren nehmen.
  • Das Projekt "Keine Angst vor Spinnen und Schlangen" bringt Vogelspinne und Würgeschlange in Münchner Klassenzimmer.
  • Kinder und Eltern sind von dem lebendigen Unterricht begeistert.

Von Andreas Schubert

Mut und Ehrfurcht treffen in der Mitte des Raumes aufeinander: Lucy Engler-Hamm steht im Klassenzimmer umringt von Erstklässlern, die es kaum erwarten können, das, was da am Hals ihrer Lehrerin hängt, zu streicheln. Es ist eine prachtvolle Boa Constrictor mit dem Namen Susi. Und das Tier, das in der Münchner Reptilienauffangstation seine Heimat gefunden hat, dient an diesem Dienstag in der Gebeleschule als Anschauungsobjekt. Die Buben und Mädchen sind begeistert von der zahmen Würgeschlange, die Ende vergangenen Jahres in die Auffangstation kam. Die im November gestorbene Malerin Olga Casminá hatte sie der Einrichtung, die sie zeitlebens unterstützte, vermacht.

Jedes Kind darf das Tier anfassen und so lernen, dass sich eine Schlangenhaut ganz und gar nicht glitschig anfühlt. Markus Baur, der Leiter der Auffangstation, die ausgesetzte oder vom Zoll beschlagnahmte exotische Reptilien aufnimmt, weiß von Führungen durch seine Einrichtungen, dass Sechsjährige noch wenig Scheu gegenüber solchen Tieren zeigen. "Das kommt erst später", sagt er, "so mit zwölf, dreizehn Jahren." Das sei dann der Fall, wenn die von der Gesellschaft oktroyierte Angst vor Schlangen oder Spinnen von den Kindern Besitz ergreife.

Indianerehrenwort für Tierschutz

Dass es so weit kommt, will der Verein Akademie für Zoo- und Wildtierschutz mit seiner Aktion "Keine Angst vor Spinnen und Schlangen" verhindern. Dabei arbeitet der Verein mit dem Museumspädagogischen Zentrum München, dem Botanischen Garten und der Reptilienauffangstation zusammen. Henning Wiesner und Julia Gräfin Maltzan, beide Vorstände der Akademie, haben die Aktion ins Leben gerufen.

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Wiesner, der 37 Jahre lang in Hellabrunn als Tierarzt gearbeitet hat, ist ein bekannter Tierschützer. Und als solcher ist es ihm ein besonderes Anliegen, dass Menschen Tiere respektvoll behandeln und nicht etwa aus Angst verletzen. "Jetzt gebt ihr mir alle euer Indianerehrenwort, dass ihr niemals eine Spinne tottretet oder einen Stein auf eine Schlange werft", ruft er in die Runde. Dann geht er von Kind zu Kind mit der Vogelspinne Agathe, die im Westpark gefunden und zur Auffangstation gebracht wurde. Anfassen ist diesmal aber nicht erlaubt, dafür ist das Tier zu empfindlich. Wie sich eine Vogelspinne anfühlt, dürfen die Kinder an einem abgelegten Chitinpanzer ertasten.

Dass die Haare auf der Spinnenhaut zum Wärmen da sind, dass Spinnenseide auch in der Chirurgie verwendet wird und dass eine europäische Kreuzspinne zwar giftiger ist als eine Vogelspinne, aber Menschen nicht verletzen kann, erklärt schließlich die Zoopädagogin Susanne Schimpf. Und nicht nur die Kinder sind von diesem lebendigen Unterricht angetan - auch die anwesenden Mütter zeigen sich so begeistert, dass manche ein Foto nach dem anderen schießen.

Tiere sind nützlich, nicht nur gefährlich

Die Aktion "Keine Angst vor Spinnen und Schlangen" will auch das Bewusstsein dafür wecken, dass auch vermeintlich eklige Tiere nützlich und wichtig für das biologische Gleichgewicht auf der Erde sind. Und wie es an diesem Vormittag aussieht, wird dieses Bewusstsein bei den Kindern nachhaltig erhalten bleiben. Zehn bis zwölfmal im Jahr besuchen die Tierschützer Schulen, in der Hoffnung, dass die Kinder zu Hause auch ihre Eltern vom Wert der Spinnen und Schlangen überzeugen. Und jeder Besuch endet mit einer Besonderheit: Henning Wiesner zeigt den Kindern, wie man mit einem Blasrohr, das zum Betäuben von Tieren eingesetzt wird, auf Ballons schießt.

Die Akademie für Zoo- und Wildtierschutz organisiert weltweit Tierschutzprojekte, zum Beispiel im Nordirak, Libyen oder Bolivien. Die ehrenamtlichen Helfer sind in Tiergärten, Tierheimen, Auffangstationen, Nationalparks, bei Einfang- und Umsetzaktionen aktiv oder helfen bei Wiedereinbürgerungen zur Erhaltung bedrohter Arten. Ziel ist die nachhaltige Sicherung und der Erhalt der Artenvielfalt. Dabei verteilt der Verein kein Geld sondern trägt mit gezieltem Einsatz von Material und Wissen zum Tierschutz bei.

© SZ vom 05.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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