Prozess gegen Dachauer Todesschützen droht zu platzen:Schwerkranker Angeklagter verweigert medizinische Hilfe

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Sechs Schüsse feuerte er im Gerichtssaal in Dachau ab und traf einen Staatsanwalt tödlich. Nun sollte in München der Prozess gegen Rudolf U. beginnen. Doch jetzt hat ihn ein Gutachter für verhandlungsunfähig erklärt. Der Angeklagte ist schwer krank - er habe mit dem Leben abgeschlossen, erklärte sein Anwalt.

Dachauer Todesschütze
:Die Chronik des Falls

Mitten im Gerichtssaal des Amtsgerichts Dachau feuerte er um sich und traf einen jungen Staatsanwalt tödlich. Nun wird Rudolf U. in München der Prozess gemacht. Der schwerkranke Angeklagte verfolgt den Prozess von einem Krankenbett aus. Nun ist er gestorben.

Von Anna Fischhaber

Eigentlich ist es eine Routineverhandlung, die an diesem Nachmittag im Januar am Dachauer Amtsgericht stattfindet. Rudolf U. hat Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 44.000 Euro nicht gezahlt, der Richter verurteilt ihn schließlich zu einer einjährigen Bewährungsstrafe. Als das Urteil verlesen wird, greift der Angeklagte plötzlich in seine Jackentasche, zieht eine Waffe heraus und feuert um sich.

Der Richter, der Protokollführer und die Verteidigerin können sich hinter dem Richtertisch wegducken, der erst 31-jährige Staatsanwalt wird von zwei Kugeln getroffen und stirbt wenig später. Zwei Zeugen können den Schützen schließlich überwältigen.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat Anfang April Anklage wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes gegen den Transportunternehmer erhoben. Sie geht davon aus, dass Rudolf U. aus Rache gehandelt hat. Laut Zeugenaussagen soll er sich nach mehreren Zivilgerichtsprozessen von der Justiz benachteiligt gefühlt haben. Am kommenden Dienstag sollte vor dem Münchner Landgericht der Prozess beginnen. Doch jetzt sieht alles so aus, als ob die Verhandlung platzt.

Ein gerichtlich bestellter medizinischer Gutachter hat Rudolf U. am Mittwoch für verhandlungsunfähig erklärt. Sollte sich der Angeklagte weiter nicht medizinisch behandeln lassen, werde in absehbarer Zeit der Tod eintreten, heißt es in der Stellungnahme des Mediziners. Eine Behandlung aber lehnt der Angeklagte ab.

Der Gesundheitszustand des Angeklagten sei kritisch, teilte auch eine Sprecherin des Landesgerichts am Donnerstag mit. Die zuständige Kammer prüfe derzeit, ob der Prozess auch ohne den Angeklagten beginnen könne. Die Sprecherin geht allerdings davon aus, dass die Kammer ein solches Vorgehen nur mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten beschließen würde.

Der Verteidiger Maximilian Kaiser lehnte dies bereits ab. Er sagte zur SZ, er wolle auf seine Rechte nicht verzichten. Das Gericht will nun am Freitag eine endgültige Entscheidung treffen. Eigentlich sollte dann die Anklage veröffentlicht werden. Nun hat Anwalt Kaiser bis 12 Uhr Mittag Zeit, sich dem Gericht zu erklären.

Schon vor einigen Monaten wurde Rudolf U. ein Bein amputiert. Nach Auskunft seines Anwalts lehnt er eine weitere Beinamputation, die ihm von Ärzten empfohlen wurde, ab. Es bilde sich nun bereits eine Blutvergiftung, die unbehandelt zum Tod führen kann. "Mein Mandant hat schon vor Monaten erklärt, er wolle nicht mehr leben. Das hat er auch dem Gutachter gesagt", erklärte Kaiser der SZ. "Er hat mit dem Leben abgeschlossen." Rudolf U. habe eine Patientenverfügung, in der er lebenserhaltende Maßnahmen ablehnt. Nur gegen seine Schmerzen bekomme er Morphium.

Zuvor hatte der Bayerische Rundfunk berichtet, dass der übergewichtige und an Diabetes leidende 55-jährige Angeklagte gehungert habe, um eine Verhandlungsunfähigkeit zu erreichen. Demnach soll der ursprünglich 160 Kilogramm schwere Mann seit seiner Inhaftierung etwa 80 Kilogramm abgenommen haben. Diese Darstellung wollte das Gericht nicht bestätigen.

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