Raum für Bürokratie:Gesucht: Büros auf Vorrat

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Das Kommunalreferat will bei städtischen Bürogebäuden neue Wege gehen. (Foto: Catherina Hess)

Die Verwaltung wächst und benötigt immer mehr Platz. Die Stadt plant deshalb nicht nur einen Neubau, sondern auch eine modernere Arbeitswelt mit Laptop und Rollcontainer.

Von Heiner Effern

Der Beschluss ist ohne viel Aufhebens gefallen, in einer nicht öffentlichen Sitzung des Stadtrats. Dabei könnte er bei genauer Betrachtung eine kleine Kulturrevolution einleiten. Es geht um die Zukunft der Amtsstuben, sprich der vielen kleinen Zellen, die in der Summe den gewaltigen Körper der städtischen Verwaltung bilden. Dieser Riese wächst immer noch unaufhaltsam, das Kommunalreferat kann kaum so viele Büros auftreiben, wie neue Mitarbeiter dazukommen. Mit dem Beschluss macht der Stadtrat sehr dezent sichtbar, dass er die bisherige Praxis komplett über den Haufen werfen will.

Künftig werden Büros auf Vorrat gesucht, möglichst in großen, eigenen Gebäuden. Zuvorderst soll ein Neubau in Eigenregie 800 bis 1000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen. Das Gebäude soll möglichst innerhalb des Mittleren Rings liegen, drei Grundstücke sind in der engeren Auswahl. Die Zahl der Verwaltungsstandorte soll insgesamt deutlich kleiner werden, derzeit sind es etwa 80. Die Hoheit über die Planung und Verteilung der Büros geht zentral auf das Kommunalreferat über. Und auch darin sind sich die Politiker schon länger einig: Die Arbeitsplätze der Zukunft sollen nicht mehr unbedingt eine Stube mit Tür benötigen, es reichen auch mal Rollcontainer und Laptop. Damit will der Stadtrat drei Ziele erreichen: kürzere und einfachere Wege in der täglichen Arbeit, mehr Flexibilität bei der Planung neuer Arbeitsplätze und nicht zuletzt weniger Kosten durch weniger Mieten.

10 000 neue Büroarbeitsplätze in zehn Jahren

Diese laufen der Stadt jetzt schon davon, jede kurzfristige Anmietung von Räumen kommt in einem überhitzten Markt teuer. Mit der Bevölkerung wird aber auch die Zahl der Mitarbeiter der Verwaltung weiter wachsen. Wie sehr, darüber kursieren sehr unterschiedliche Zahlen. Laut einer offiziellen Mitteilung der Stadt rechnet sie in den kommenden zehn Jahren mit einem Bedarf von gut 10 000 neuen Büroarbeitsplätzen. Das entspricht fast einer Verdoppelung: Heute hält die Stadt 13 340 Arbeitsplätze für ihre insgesamt 35 000 Beschäftigten vor.

Ob es wirklich so weit kommt, ist allerdings höchst fraglich, denn ein solches Wachstum würde den Sparbeschluss unglaubwürdig machen, den CSU und SPD in der gleichen Stadtratssitzung durchgesetzt haben. Sie strichen rückwirkend für das Jahr 2017 etwa 270 Stellen, um den Haushalt zu entlasten. Es bleiben 800 neue Mitarbeiter, die aber keinesfalls 800 Arbeitsplätze benötigen werden. Nur gut ein Drittel des städtischen Personals verfügt über einen eigenen Schreibtisch, weil zum Beispiel Lehrer, Erzieher oder auch Mitarbeiter der Straßenreinigung ohne auskommen.

Das Personalreferat bezeichnet die Zielzahl von 24 000 Arbeitsplätzen im Jahr 2027 als eine Maximalgrenze. Als unteren Wert nennt eine Sprecherin knapp 19 000. Egal wie es kommt, Tausende neuer Mitarbeiter werden in der wachsenden Stadt Arbeitsplätze benötigen. Bisher lief die Suche nach neuen Büros nach dem Hase-und-Igel-Prinzip. Der Stadtrat beschließt neue Stellen, das Kommunalreferat hetzt von einer Anmietung zur nächsten, und wenn alle untergebracht sind, steht die Politik mit dem nächsten Beschluss schon da.

Das soll nach dem "Paradigmenwechsel", wie die Stadt ihre neue Strategie einordnet, der Vergangenheit angehören. Daneben sollen aber auch die Arbeitsplätze selbst moderner werden. So mancher von diesen wird keine Ähnlichkeit mehr mit einem Amtszimmer haben. Mit Rollcontainer und Laptop könnten sich einige der städtischen Mitarbeiter in Zukunft morgens einen Stuhl, einen Tisch und eine Steckdose suchen. Das werde nicht heute und auch noch nicht morgen kommen, sagt Kommunalreferent Axel Markwardt, doch in nicht mehr allzu ferner Zeit. "Die nächste Generation, die wir einstellen, die ist mit einer Tastatur an den Fingern auf die Welt gekommen. Wir müssen als Arbeitgeber attraktiv und zukunftsfähig bleiben."

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Damit dies auch in einer Verwaltung gelingt, die von der Personalstärke her einem mittleren DAX-Konzern gleicht, arbeitet die Stadt mit einer externen Beratungsfirma zusammen. Sie soll die extrem unterschiedlichen Anforderungen an die Mitarbeiter untersuchen und mögliche Modelle für die Zukunft aufzeigen. Dass etwa im Planungsreferat riesengroße Unterlagen ausgelegt werden müssen, dass Referate mit Publikumsverkehr oder Sozialbürgerhäuser andere Räume brauchen als ein Sachbearbeiter im Kommunalreferat, all das soll in diese Bestandsaufnahme einfließen.

Grundsätzlich zeigt sich die Stadt auch interessiert an Bürokonzepten, wie sie die großen IT-Konzerne bereits umgesetzt haben. Flexible Arbeitsplätze, Sozialbereiche für Kommunikation oder auch mal einen Kickertisch, abgeschottete Büros für hoch konzentriertes Arbeiten. Sofort soll es in neuen Gebäuden der Verwaltung zum Beispiel Schwangeren-Liegezimmer oder Eltern-Kind-Büros geben, in denen bei Betreuungsproblemen der Nachwuchs mit Bauklötzchen spielt, während Papa oder Mama am Rechner arbeiten. Aber genauso werde es künftig auch noch klassische, analoge Büros wie bisher geben müssen, sagt der Kommunalreferent.

Nicht meher jeder Mitarbeiter müsse einen eigenen Schreibtisch haben

Dass ein solcher Kulturbruch nicht einfach sein wird, ist auch Markwardt klar. "Solche Veränderungen sind ein dickes Brett, das zu bohren ist." Das gelte für Mitarbeiter, mit denen schon der Umzug von Zimmer 112 nach 114 heiß zu diskutieren sei. Aber auch für die Chefs, die ihre Abteilungen dafür begeistern sollen und gleichzeitig selbst damit rechnen müssen, ihr repräsentatives Büro zu verlieren. Wenn in modernen IT-Unternehmen die Vorgesetzten ihre Privilegien aufgäben, müsse auch in der Stadt so mancher tagsüber oft ungenutzte "Tanzsaal" auf den Prüfstand, sagt Markwardt.

Für alle Referate und Eigenbetriebe gelte: Grundsätzlich müsse nicht mehr jeder Mitarbeiter einen eigenen Schreibtisch besitzen. Geradezu "wirtschaftlicher Unfug" sei dies bei den vielen Teilzeitstellen, sagt Markwardt. Die Stadt solle hierbei natürlich so flexibel und modern bleiben wie bisher, doch über die dafür nötigen Arbeitsplätze nachdenken. Wie anpassungsfähig und attraktiv die Stadt diese gestalte, "das hat eine direkte Auswirkung, ob und wie die Stadt an hoch qualifiziertes Personal kommt", glaubt Markwardt.

Ob das gelinge, hänge in erster Linie von der Politik ab, sagt der Kommunalreferent. Diese habe das "Primat" bei den Entscheidungen. Das gelte für die Art der Arbeitsplätze wie auch für die Wahl der Standorte. Auch wenn das Kommunalreferat hierbei formal nun zuständig sei, würden insbesondere bei Konflikten auch künftig "Krisenrunden beim Oberbürgermeister" eine Lösung bringen. Oder gut versteckte Beschlüsse im Stadtrat.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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