Rathaus:SPD vermutet eine Intrige der CSU bei Postenneubesetzung

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  • Die SPD vermutet, dass die CSU den Münchenstift-Chef Siegfried Benker loswerden möchte.
  • Der Vertrag des ehemaligen Grünen-Politikers läuft aus. Auch muss die Nachfolge an der Spitze des NS-Dokuzentrums geklärt werden.
  • Die CSU bestreitet, die Besetzung der beiden Posten koppeln zu wollen.

Von Heiner Effern

Offiziell gibt es das Dilemma nicht, in das die Rathausmehrheit aus CSU und SPD gerade schlittert. Da ist zum einen der Geschäftsführer der Münchenstift GmbH, in der die Stadt ihre Altenheime verwaltet. Er hat eine sehr passable Bilanz für das Jahr 2016 vorgelegt - Probleme bei der anstehenden Vertragsverlängerung sind also nicht zu erwarten. Und da ist zum anderen die Nachfolge an der Spitze des NS-Dokuzentrums, dessen Chef Winfried Nerdinger in den Ruhestand geht. Sie soll frühestens im Herbst geklärt werden - jede Menge Zeit. Doch die sommerliche Ruhe täuscht, im Hintergrund bahnt sich ein Kampf um die beiden Posten an, der schon jetzt Potenzial für ein kräftiges Herbstunwetter in sich trägt.

In der SPD ist eine Botschaft angekommen, die manche dort als anstößig empfinden, bestenfalls. Die CSU wolle die Vergabe dieser beiden Posten koppeln, heißt es, und aussehen solle der Deal so: Entweder wird die CSU-Stadträtin Sabine Pfeiler neue Chefin von Münchenstift oder der von der CSU-Fraktion favorisierte Kandidat neuer Chef des NS-Dokuzentrums. Die Christsozialen reagieren auf Fragen zu dem angeblich angedachten Handel mit einem scharfen Dementi: "Abstrus" findet Bürgermeister Josef Schmid solche Gedanken. Fraktionschef Manuel Pretzl will "ein Kopplungsgeschäft" sogar "ausschließen". Und Stadträtin Pfeiler, die im Aufsichtsrat von Münchenstift sitzt? "Da ist nichts dran", sagt sie. Und sollte der Geschäftsführer-Job frei werden? "Würde ich auch nicht zur Verfügung stehen."

Wie konnte dann bei der SPD der feste Eindruck entstehen, dass die CSU genau das Gegenteil will? Falschinformationen, vielleicht sogar aus den eigenen Reihen, vermutet man in der CSU. Nicht wenige in der SPD glauben wiederum, verlässlich informiert zu sein. In jedem Fall ist passiert, was alle Beteiligten vermeiden wollten: Die Nachfolge des in Ruhestand gehenden Chefs des NS-Dokuzentrums ist in den Strudel der Politik geraten.

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Von Heiner Effern

Das hat auch damit zu tun, dass sich SPD und CSU nach der ersten Vorstellungsrunde auf unterschiedliche Kandidaten festgelegt haben. Und dass der Favorit der CSU der Partei politisch nahe steht. So nahe, dass aus der SPD zu hören ist: Einen früheren JU-Kreisvorsitzenden wolle man als Chef des NS-Dokuzentrums nicht. Die CSU kontert, es gehe nur um Inhalte, man habe nicht mal von der CSU-Vergangenheit des Favoriten gewusst. Ursprünglich war man sich im Rathaus einig, Nerdingers Nachfolger mit einer stabilen Mehrheit auszustatten. Man wollte den rechtsextremen BIA-Stadtrat Karl Richter nicht einmal davon träumen lassen, dass seine Stimme wichtig werden könnte.

Der Dissens bei der Nerdinger-Nachfolge wird zumindest zeitlich begleitet von einer Personalie, die oberflächlich nicht politisch wirkt: die Vertragsverlängerung mit dem Geschäftsführer der Münchenstift GmbH. Chef dort ist seit gut vier Jahren Siegfried Benker. Er war zuvor mehr als zehn Jahre lang Grünen-Fraktionschef im Rathaus und schreckte vor keiner Attacke gegen die CSU zurück.

Ein "Schießhund" sei der gewesen, der sie noch dazu in die Nazi-Ecke gestellt habe, erzählen erfahrene Stadträte. Das haben ihm viele in der CSU nicht verziehen. Daneben, vielleicht auch deswegen, gibt es fachliche Vorwürfe: Benker habe Ärger wegen der jüngsten Betriebsratswahl und mit einem Neubau. Zudem befinde sich die komplette Buchführung bei einer externen Firma. Die Botschaft ist eindeutig: Die CSU hat kein Interesse daran, Benker im Amt zu halten.

Es hängt am Verhandlungsgeschick der nächsten Wochen

Der Münchenstift-Chef erwidert, dass er sich mit Antritt seines Postens aus der Politik zurückgezogen habe. Er beanspruche für sich, rein aufgrund seiner Arbeit als Geschäftsführer bewertet zu werden. Die Münchenstift GmbH habe 2016 "das beste Ergebnis ihrer Geschichte" vorgelegt. Ein neuer Tarifvertrag garantiere dem Pflegepersonal nun ein Einkommen, mit dem es auch in München leben könne. Die Buchführung sei schon lange vor seiner Zeit ausgelagert worden. Beschlüsse im Aufsichtsrat fielen fast immer einstimmig. Und bei der Betriebsratswahl habe er sich korrekt verhalten, das werde das Gericht feststellen.

Würde Benkers Vertrag nicht verlängert, wäre das ein politischer Affront gegen die Grünen. Die CSU würde sich die Option eines schwarz-grünen Bündnisses in München auf lange Zeit verbauen. Noch heftiger wäre die Reaktion, ließe die SPD den früheren, langjährigen Koalitionär fallen. Dass Benker sagt, sein Posten sei kein politischer, verfängt allerdings nicht: Er kam 2013 auf dem rot-grünen Ticket zu dem Posten. Der einstige Grünen-Fraktionschef selbst befeuert zudem die Debatte, indem er deutlich mehr Geld verlangen soll. Von einem Plus von 50 Prozent beim Grundgehalt ist die Rede. Mit Prämien verdiente Benker zuletzt laut städtischem Beteiligungsbericht 136 000 Euro.

Wie verhärtet die Fronten im September sein werden, hängt auch vom Verhandlungsgeschick in den nächsten Wochen ab. Man könnte mit Benker, 60, ja auch einen kürzeren Vertrag abschließen, ist zu hören. Und sollte die CSU Sabine Pfeiler doch unterbringen wollen, könnte man sie als Geschäftsführerin auch dazunehmen. Dann könnte man sich mit großer Mehrheit auf den SPD-Kandidaten fürs NS-Dokuzentrum einigen. Und der Herbst wäre womöglich ein harmonischer. Nach einem Dilemma, das es offiziell nie gab.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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