Ramersdorf:Plastisch planen

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Ich bau' mir meine Stadt: Zumindest auf dem Fußboden des MVG-Museums sieht das ziemlich simpel aus. (Foto: Florian Peljak)

"Handlungsraumforum" heißt ein neues Instrument der Stadtentwicklung: Im MVG-Museum wird den Bürgern ein begehbares Modell mit Ramersdorfer Kirche und Giesinger Bahnhof präsentiert

Von Renate Winkler-Schlang, Ramersdorf

Das Ambiente war großartig: Im MVG-Museum zwischen Trambahnen aus der Vergangenheit wollten Münchens Stadtplaner in die Zukunft starten. Das Drumherum war ebenfalls eindrucksvoll: Um für ihr neues Konzept vom "Handlungsraum" zu werben, haben die Organisatoren des ersten "Handlungsraumforums" moderne Designer bemüht, sowohl bei der Powerpoint-Präsentation als auch bei dem begehbaren Modell mit Ramersdorfer Kirche, mit Giesinger Bahnhof und Medienbrücke und mit Pfeilen und Würfeln, auf denen Symbole prangten.

Viel Aufwand, von dem das Planungsreferat sich aber auch viel verspricht. Die Behörde hat zehn Gebiete identifiziert, in denen der Handlungsbedarf besonders groß ist, weil sich ohnehin viel verändert. Die sollen jeweils als Ganzes betrachtet werden, über Stadtbezirksgrenzen hinweg, nicht mal vom Schulreferat die Schulen und später vom Sozialreferat die Bedürftigen, sondern am besten gleichzeitig und umfassend alles von allen. Das erste Gebiet, an dem dies durchexerziert werden soll, ist "Rund um den Ostbahnhof - Ramersdorf - Giesing".

Das soll gelingen mit ganz neuen Instrumenten: Da sind zum Beispiel auf einem der geheimnisvollen Würfel Schlösser gemalt. Soll plastisch zeigen: Dieses Gewerbegebiet steht nicht zur Disposition, es muss bleiben, denn die wohnortnahen Arbeitsplätze werden gebraucht. Es gibt auch Würfel mit L - L wie "Labor": Hier will man etwas probieren, mal temporär eine Fahrspur sperren und Stühle und Tische auf den neu gewonnenen Platz stellen oder eine provisorische Brücke bauen. Weil Planer aber Planer sind, haben sie doch wieder neue Schubladen ge- und erfunden, in die sie die Aufgaben legen: Sie tragen Namen wie "Qualitätsvolle Achsen und Kerne" oder "Lebenswerte und gerechte Quartiere". Damit am Ende alles zusammengeht, braucht es wohl einen "Handlungsraum-Manager".

Ehrgeizig war der Plan fürs erste Handlungsraumforum, es ging gleichzeitig darum, diese neue Philosophie mit ihren Kategorien vorzustellen und die ersten Ideen für das konkrete Gebiet zwischen Ostbahnhof und Giesing. Die Ideen sind entstanden in den vergangenen neun Monaten bei Bürgerspaziergängen, Gesprächsrunden mit Menschen aus sozialen und kulturellen Einrichtungen, Bezirksausschüssen, von Vereinen und Initiativen, aber auch durch Recherchen in Metropolen von New York bis Wien. Die bereitgestellten Stühle waren alle besetzt, ob von Profis oder von Bürgern, ließ sich schwer ausmachen.

Die Moderatoren des vom Planungsreferat beauftragten Büros sahen wohl eher die Profis als Zielgruppe: Zwar waren die kleinen Gesprächsgruppen, die sie inszenierten, als sei es fürs Fernsehen, mit kompetenten Menschen besetzt, die Begriffe stammten aber doch meist aus der Planer-Sprache, beim Gast aus New York auch noch auf Englisch. Selbst zu Wort meldete sich an diesem Abend kein einziger Bürger.

Sollten Anwohner gekommen sein, um zu erfahren, welche Brennpunkte die Planer in ihrer Nachbarschaft im Fokus haben und was sich wirklich ändern soll, bekamen sie immerhin eher am Rande zwischen all der Theorie ein paar Eindrücke, wohin die Reise gehen soll. Werner Eckart, einer der Eigentümer des Werksviertels, sprach davon, dass er auf dem Modell am liebsten den trennenden Ostbahnhof einfach weggekickt hätte: Zumindest eine Brücke hinüber nach Haidhausen müsse her.

Eine Brücke, eine Verbindung wünschen sich die Menschen auch zwischen der verdichtet gebauten Sozialwohnungsanlage Langbürgener Straße und dem Ortskern Ramersdorf, der saniert werden muss. Eine gemalte und ausgeschnittene rote Tram legte einer der Planer auf die Rosenheimer Straße: auch so eine Idee. Derzeit sei sie eine viel zu breite Schneise. Kleine Plätze abzwacken, viel Grün hinzufügen: Die Beispielfotos aus New York und London machten den Ramersdorfern Hoffnung - vor allem, als erzählt wurde, dass New York vom Beschluss bis zur Umsetzung nur zehn Monate brauchte.

Robert Kulzer (SPD), der Vorsitzende des Berg am Laimer Bezirksausschusses, verspricht sich von der neuen Herangehensweise Impulse und auch stadtinterne Fürsprecher für eine Umwandlung des Gewerbegebiets Neumarkter Straße in ein lebendiges, gemischtes Quartier. Judith Schützendorf (Grüne) aus dem Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten legt ihren Fokus auf die Tegernseer Landstraße, die sie immer schon gerne am liebsten im Schachbrettmuster gefliest hätte: Entstünde dort ein neues "Mikrozentrum", könnte man sich viele Wege zum Marienplatz sparen. Vertreterinnen vom Netzwerk Regsam oder vom Bildungsbüro Berg am Laim sprachen über Vernetzung. Blieb am Ende die Frage, ob ein Handlungsraum-Manager eher aus der Stadtverwaltung kommen oder "neutral" sei solle. Erst einmal aber muss der Stadtrat im neuen Jahr das umfassende Konzept überhaupt gutheißen.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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