Ramersdorf:Nachverdichtung im Eiltempo

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Noch ist Platz: die Grünfläche Balanstraße, Ecke Puechberger Strasse. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Stadt forciert das Projekt "Wohnen für alle" und plant in Ramersdorf Neubauten mit Ein-Zimmer-Apartments. Der Bezirksausschuss befürchtet jedoch, dass dadurch mehr Probleme entstehen als gelöst werden

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

"Wir sind nicht die einzigen, die mit dem Thema so ihre Probleme haben." Da hat Thomas Kauer (CSU), der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) 16 (Ramersdorf-Perlach), vermutlich recht. Das vom Rathaus forcierte Projekt "Wohnen für alle" sorgt auch in anderen Stadtteilen für Unruhe unter Anwohnern und Lokalpolitikern. Das gilt für Neuhausen, wo auf dem Parkplatz vor dem Dantebad Wohnungen auf Stelzen entstehen sollen. Das gilt für die Lerchenau, wo die Stadt bis 2019 circa 3000 neue Wohnungen mit Niedrigstandard bauen will. Und nun ist Ramersdorf an der Reihe.

An insgesamt vier relativ nah beieinander liegenden Standorten plant die städtische Wohnbaugesellschaft GWG im Zuge von "Wohnen für alle" Neubauten. Konkret handelt es sich um drei Gebäude neben dem Anwesen Görzer Straße 75-93, zwei Gebäude neben dem Anwesen Görzer Straße 76-76a, ein Gebäude neben dem Anwesen Puechberger Straße 38-46 sowie ein fünfgeschossiges Gebäude neben dem Anwesen Balanstraße 159-163. Zu den vorliegenden Vorbescheiden nahmen die BA-Mitglieder in ihrer jüngsten Sitzung nun Stellung - und zwar ausgesprochen kritisch.

Das Gremium folgte dabei im Wesentlichen den Empfehlungen seines Unterausschusses Bauvorhaben, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung. Als "besonders bedenklich" werteten die Lokalpolitiker, dass es sich den Plänen zufolge bei den Wohnungen ausschließlich um kleinste Ein-Zimmer-Apartments handle, die im Grunde nur von Einzelpersonen genutzt werden könnten. "Familienfreundlicher Wohnraum wird nicht geschaffen", heißt es in der Stellungnahme. Da die Belegung offensichtlich in der Mehrzahl mit anerkannten Asylbewerbern geplant sei, werden vermutlich vorwiegend alleinstehende Männer dort wohnen. Das aber könnte zum Problem werden, fürchtet man im BA. "In Anbetracht der bereits bestehenden, teilweise durchaus problematischen sozialen Strukturen des Gebietes wird die Integration von ausschließlich alleinstehenden anerkannten Asylbewerbern als schwierig beurteilt." Wünschenswert wäre eine ausgewogene Mischung von Apartments und Mehrzimmerwohnungen, so dass auch eine ausgewogene Mischung zwischen Familien und Alleinstehenden ermöglicht würde, regt der BA 16 stattdessen an. Wünschenswert wäre zudem eine Mischung zwischen anerkannten Asylbewerbern und anderen Wohnungssuchenden mit geringem Einkommen.

Weitreichende Befreiungen von den Stellplatzanforderungen erscheinen dem BA dabei als nicht akzeptabel. Auch anerkannte Flüchtlinge schafften sich früher oder später Autos an und benötigten dann Stellplätze. Das Gebiet, in dem nun "Wohnen für alle" realisiert werden soll, weise zudem eine extrem schlechte Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr auf - ein weiterer Grund, warum sich die Bewohner wohl motorisieren dürften. Dabei sei die Stellplatzsituation schon heute teilweise sehr angespannt.

Sorgen machen sich die BA-Mitglieder zudem ums Grün. So müssten im nordöstlichen Gebiet speziell für zwei der Bauvorhaben "in erheblichem Maße Bäume gefällt werden; der Eingriff in die Natur ist beträchtlich", monieren sie. Durch eine andere Anordnung der Gebäude sollte dies auf ein Minimum beschränkt werden.

Die BA-Stellungnahme endet mit der Forderung, in jedem Fall darauf zu achten, dass eine maximale Geschossanzahl von vier Etagen nicht überschritten werde. Der vom Bauherrn ebenfalls in Auge gefassten fünfgeschossigen Bebauungs-Alternative werde nur zugestimmt, falls im Erdgeschoss Kellerersatz- und Funktionsräume geschaffen würden.

Darauf beharren die BA-Mitglieder. Denn, wie ihr Vorsitzender Kauer erklärt, ihnen drängen sich angesichts der geplanten "Einfach"-Bauweise einige Fragen auf: Wo bringen die künftigen Bewohner ihren Müll hin? Wo hängen sie ihre Wäsche auf? Wo stellen sie ihre Räder ab? Außerdem gehe es um bis zu 110 Wohneinheiten, die man jetzt in ein gewachsenes Quartier hineinsetze. Dafür werde in anderen Fällen ein eigener Bebauungsplan aufgestellt, um das Vorhaben in die bestehende Bebauung bestmöglich einzufügen, die notwendige Infrastruktur vorzusehen und vor allem die Bürger zu beteiligen. Gleichzeitig lasse man die aus städtebaulicher Sicht sinnvollere Möglichkeit ungenutzt, Areale zum Beispiel an der Arnold-Sommerfeld-Straße, im Gewerbegebiet Perlach oder am S-Bahnhof Perlach endlich weiterzuentwickeln. Auch werde den Lokalpolitikern praktisch keine Zeit für eine fundierte Stellungnahme eingeräumt - die Vorbescheide der Stadt lagen schließlich schon vor. "Ich frage mich", so Kauer, "welchen Schnellschuss man da produziert hat".

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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