Ramersdorf:Erinnerungen an einen Visionär

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Eine Ausstellung würdigt das Schaffen von Karl Preis, der während der Weimarer Republik den Grundstein für den kommunalen Wohnungsbestand in München legte und die Gewofag gegründet hat

Von Christian Schraml, Ramersdorf

Er war ein Visionär: Karl Preis gewann einst mit seinem umfassenden Programm "Beseitigung der Wohnungsnot in München" den Stadtrat für den Bau von 11 000 Wohnungen bis 1933. Zuvor hatte er bereits den Bau von 5000 Wohnungen bis 1925 initiiert. Seine Nachkommen, der Arbeitskreis Stadtteilgeschichte Ramersdorf und die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag, die Karl Preis 1928 gegründet hat, widmen dem einstigen SPD-Stadtrat und Leiter des Wohnungs- und Siedlungsreferats nun zu seinem 70. Todesjahr eine Ausstellung. Zu sehen sind historische Fotos, Dokumente, berufliche wie private Gegenstände aus dem Leben des Mannes, der in München viele Spuren hinterlassen hat.

Ein vergilbter Zeitungsartikel zeigt beispielsweise, welch hohe Wellen sein Engagement für bessere Wohnungsstandards kurz vor der Weltwirtschaftskrise schlug - das "Neue Münchener Tagblatt" titelte am 19. Dezember 1928: "Bilder vom Münchener Wohnungselend" und zeigte großflächige Fotos, darunter eine auf engstem Raum zusammengepferchte Familie.

Die beiden Lieblingsexponate von Hannes S. Macher, einem Enkel von Karl Preis, sagen viel über den Charakter des Beamten Preis aus: Sein Notizbuch sowie einige Heftklammern aus den 1920er Jahren zeugen von einer Akkuratesse, wie sie dem Beamtentum auch heutzutage noch nachgesagt wird. Macher lacht, als er die ausgestellten Büroartikel zeigt. Feinsäuberlich notierte Karl Preis in seinem kleinen Büchlein alle Informationen zu seinen "fertig gestellten und verwerteten Abhandlungen". Das Schriftenverzeichnis von Karl Sebastian Preis umfasst in der Zeit von 1910 bis 1920 rund 25 Aufsätze und Beiträge zu Fragen der gemeindlichen Finanzwirtschaft und -verwaltung.

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(Foto: Preis-Nachlass c/o Hannes S. Macher, München)

Diese Wohnanlage an der Aschheimer Straße skizzierte Preis.

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(Foto: privat)

Karl Preis in seinem Büro im Rathaus.

Monika Dittmar, eine Urenkelin von Preis, erinnert sich gerne an das Haus der Familie an der Prinz-Ludwig-Straße zurück, das auch heute noch der Gewofag gehört. Dort besuchte sie als Kind oft ihre Großmutter Barbara, die Ehefrau von Karl Preis. Der lebte damals nicht mehr, er war am 9. Mai 1946 im Alter von 61 Jahren an Gelbsucht gestorben.

Sobald im Gespräch der Ort Murnau erwähnt wird, leuchten die Augen der Nachfahren regelrecht. Die Residenz der Familie im oberbayerischen Murnau scheint auch heute noch für seine Enkel und Urenkel ein Sehnsuchtsort voller Kindheitserinnerungen zu sein. Monika Dittmar verbindet mit ihrem Urgroßvater ebenfalls sofort eines: "Murnau". Auch Enkel Hannes S. Macher spricht begeistert vom Familiensitz am idyllischen Staffelsee, nennt ihn "Eldorado" und "Paradies". Nostalgie durchdringt den Ausstellungsraum.

Der Publizist und ehemalige Geschichtslehrer Hannes S. Macher zeigt auch ein Bild, das er für Preis' stetes Streben nach Erfolg verantwortlich macht: Auf dem Foto ist ein Onkel von Karl Preis zu sehen, der im 19. Jahrhundert aus der kargen Oberpfalz, auch "Steinpfalz" genannt, nach Buffalo in die USA auswanderte. Dort kam er zu Wohlstand, den der "Selfmademan" seiner Verwandtschaft in der alten Heimat mit diesem Foto unter die Nase rieb. Gut möglich, meint Macher, dass dies den jungen Karl motivierte.

Mit Fotos und Exponaten erinnern Renate Wirthmann vom Arbeitskreis und Preis-Enkel Hannes S. Macher an den SPD-Politiker. (Foto: Robert Haas)

Prunkstück der Ausstellung ist eine gut erhaltene Registrierkasse aus dem Jahr 1932. Manche Gewofag-Mieter werden sich wohl noch an die Zeit erinnern können, als die Miete bei der Hausverwaltung in bar eingezahlt wurde. Jeden Monatsanfang bildeten sich lange Schlangen vor dieser Kasse - genug Zeit für einen kleinen Ratsch. Wenn man an der Reihe war, druckte die Maschine mit einem energischen Ruck die Einzahlungsbestätigung.

Die Ausstellung hat noch bis Donnerstag, 13. Oktober, im Foyer der Gewofag-Zentrale an der Kirchseeoner Straße 3 geöffnet. Wer sich die Exponate ansehen möchte, nimmt am besten die U 2 oder U 7 - und steigt am Karl-Preis-Platz aus.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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