Prüfungsordnungen an der LMU:Studieren im rechtsfreien Raum

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Für die Studenten ist die Rechtsunsicherheit kein Nachteil, die in einigen Fächern an der LMU herrscht. (Foto: Catherina Hess)

An der Ludwig-Maximilians-Universität wird in einigen Fächern nach Regeln geprüft, die offiziell noch gar nicht in Kraft sind. Das ist rechtlich bedenklich. Für die Studenten muss es allerdings kein Nachteil sein.

Von Sebastian Krass

Besteht für Studenten in Seminaren oder Vorlesungen Anwesenheitspflicht oder nicht? Nach wie vielen nicht bestandenen Prüfungen darf ein Student das Fach nicht mehr weiterstudieren? Für Fragen wie diese gibt es Prüfungs- und Studienordnungen an Hochschulen. Diese Regelwerke sollen Rechtssicherheit schaffen zwischen Studenten und Hochschule. Was aber ist, wenn in einem Fach schon nach einem solchen Regelwerk studiert wird, obwohl dieses noch gar nicht rechtskräftig verabschiedet ist? Läuft das Studium dann im rechtsfreien Raum? Diese Fragen stellen sich derzeit zum Beispiel an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), in der Fakultät für Volkswirtschaft.

Normalerweise veröffentlicht die LMU auf ihrer Homepage die Prüfungs- und Studienordnungen (PO) ihrer Studiengänge. Bei der Volkswirtschaft aber gibt für die "PO 2013", die für die Einschreibung seit dem Wintersemester 2013/2014 gilt, nur eine "Kurzinformation". Denn, so ist dort in warnender roter Schrift zu lesen, "die verabschiedete Prüfungs- und Studienordnung liegt leider noch nicht vor".

Max-Emanuel Geis, Professor für öffentliches Recht an der Uni Erlangen und Herausgeber des Handbuchs "Hochschulrecht im Freistaat Bayern", findet es "sehr ungewöhnlich", wenn eine Uni nach einem solchen provisorischen Regelwerk studieren lässt. "Das sollte man nicht machen, es fehlt die Rechtsgrundlage", sagt Geis. Schließlich habe die Uni "eine Verantwortung gegenüber den Studenten". Was passiere, fragt Geis, wenn eine Prüfungs- und Studienordnung nicht durchgehe, etwa weil das Wissenschaftsministerium kein grünes Licht gibt? "Dann fällt das Ganze in sich zusammen."

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VWL ist kein Einzelfall

Dabei ist die Volkswirtschaftslehre kein Einzelfall an der LMU. Es gibt dort eine ganze Reihe von Studiengängen, die laufen, ohne dass die grundlegende Satzung dafür verabschiedet wäre. Ein Mitglied des LMU-Senats spricht von "Dutzenden Studiengängen", die derzeit noch in der Rechtsabteilung der LMU festhingen. Auf die Frage, in wie vielen Studiengängen ohne verabschiedete Prüfungsordnung derzeit Studenten eingeschrieben seien, nennt eine LMU-Sprecherin keine Zahl.

Sie erklärt, das Aufstellen einer solchen Satzung sei "ein langwieriger und aufwendiger Prozess". Diesen habe die LMU im Zuge der Umstellung auf Bachelor und Master "mehrere hundert Mal abgewickelt". Wegen der begrenzten Kapazitäten in der Rechtsabteilung sei er aber noch nicht vollständig abgeschlossen: "Einige neue Masterstudiengänge in den Geisteswissenschaften durchlaufen gerade noch diesen Prozess." Und weil man neue Studiengänge vorrangig gegenüber der Reform bereits bestehender Studiengänge behandele, laufe das Verfahren für den VWL-Bachelor noch.

Denn dafür gibt es eine verabschiedete Prüfungs- und Studienordnung von 2008. Diese hat die Fakultät nun in Zusammenarbeit mit Studentenvertretern verbessert und in die "PO 2013" gegossen. Nur, warum hat die LMU das VWL-Studium nicht nach der 2008er-Satzung laufen lassen, bis die neue Version alle Instanzen durchlaufen hat? Man habe den neuen Studenten die Verbesserungen nicht vorenthalten wollen, erklärt die LMU. Und im Streitfall könnten sich die Studenten stets auf die für sie günstigere Satzung berufen.

In der Kurzinformation zum neuen Regelwerk wird unter anderem die sogenannte Grundlagen- und Orientierungsprüfung (GOP) beschrieben. Sie müsse "bis zum Ende des ersten Fachsemesters bestanden sein. Eine nicht bestandene GOP kann einmal im nächstmöglichen Termin wiederholt werden". Wer es dann noch nicht schafft, ist raus. So will es die Prüfungsordnung. Was aber, wenn sich nun ein Student, der zweimal durch die GOP gefallen ist, gegen den Ausschluss wehrt, mit dem Verweis, die Prüfungsordnung sei ja gar nicht in Kraft? Die LMU erklärt, das sei in der alten Regelung genau so geregelt gewesen. Der Erlanger Hochschulrechtler Geis glaubt, dass die Chancen eines klagenden Studenten nicht unbedingt groß wären. "Er hat sich ja eingeschrieben und damit erklärt, dass er unter den gegebenen Umständen mitmacht." Aber, merkt Geis an, die Uni müsse die Studenten von Anfang an aufklären über die in der Luft hängende Satzung. Bisher habe es während des Studiums "nur vereinzelt" Klagen von Studenten gegeben, erklärt die LMU.

Deutlich häufiger hätten abgelehnte Bewerber geklagt. Bisher gab es für VWL einen Eignungstest. Auch diesen wollte die LMU reformieren, doch das bayerische Wissenschaftsministerium verweigerte seine Zustimmung. Zuletzt hatte der Freistaat mehrmals Prozesse gegen abgelehnte Bewerber verloren. Daraufhin kippte die LMU den Eignungstest und lässt nun zum Sommersemester alle Bewerber für VWL zu, die sich während der Einschreibezeit vom 18. bis 28. März anmelden. Man habe die Rechtsunsicherheit beseitigen wollen, erklärte die Fakultät.

Das Ministerium versucht, Distanz zu halten

Und was sagt das Ministerium zu dem Problem mit den nicht verabschiedeten Prüfungs- und Studienordnungen? Es versucht, Distanz zu halten. "Das Staatsministerium ist mit der Genehmigung der Prüfungsordnungen (...) nicht befasst", erklärt ein Sprecher, man bekomme sie auch nicht vorgelegt. Das sei allein Sache der Hochschulen. Man fordere lediglich bei Einführung, Abschaffung oder grundlegender Reform eines Studiengangs eine "Kurzbeschreibung" des Vorhabens an, um zu prüfen, ob es ein "Einvernehmen" gibt.

Dieser Prozess allerdings sei langwierig, ist aus der LMU zu hören. Der Ministeriumssprecher macht noch eine Ergänzung, die durchaus als Alarmsignal für die LMU zu verstehen ist: "Das Fehlen hinreichend bestimmter Regelungen kann zu einem fehlerhaften Prüfungsverfahren und damit zur Aufhebung von Prüfungsentscheidungen führen."

© SZ vom 11.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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