Prozess um dritte Startbahn:Vier Kilometer Beton und ein Butterbrot

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Protest vor dem Verhandlungsgebäude in der Infanteriestraße: Gegner des geplanten Flughafenausbaus machen ihrer Empörung Luft. (Foto: dpa)

Trotz des Neins der Münchner steht der Flughafenausbau nun auf dem Prüfstand. Die Verhandlung um die dritte Startbahn könnte zu einem Mammutprozess werden. Was die Richter schon jetzt sagen: Der Bürgerentscheid sei ohne rechtliche Bedeutung.

Von Marco Völklein

Sie müssen durch ein Spalier von Ausbaugegnern, die Anwälte des Flughafens, die Gutachter, Planer und Ingenieure, als sie sich mit Kartons voller Akten unterm Arm und schweren Rollkoffern im Schlepptau auf den Eingang des "Amtes für ländliche Entwicklung Oberbayern" zubewegen. Mit einer Mahnwache protestieren am Mittwoch die Mitglieder des Aktionsbündnisses "Aufgemuckt" gegen die geplante dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen.

Transparente werden hochgehalten mit Sprüchen wie "Klimaschutz vor Eigennutz". Oder an die Adresse des Flughafenbetreibers gerichtet: "Alle eure Prognosen gingen in die Hosen." Selbst Freiwillige Feuerwehren und Vereine sind mit Fahnen vor dem Gebäude in der Infanteriestraße erschienen, wo bis in den Sommer hinein die insgesamt 17 Klagen gegen das 1,2-Milliarden-Euro-Projekt verhandelt werden.

Trotz des Neins der Münchner beim Bürgerentscheid im vergangenen Sommer steht die mit vier Kilometer Länge geplante Betonpiste auf dem Prüfstand. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) muss über die Klagen gegen die Baugenehmigung entscheiden. Davon betroffene Kommunen, der Bund Naturschutz sowie mehrere Privatkläger wollen den Genehmigungsbescheid, den sogenannten "Planfeststellungsbeschluss", zu Fall bringen. Der Airport indes möchte am Ende mit einer rechtlich abgesicherten Baugenehmigung dastehen - um in ein paar Jahren eventuell einen erneuten Vorstoß wagen zu können für den Bau.

Wie wichtig der Prozess für alle Beteiligten ist, zeigt sich nicht nur am Auftrieb der Ausbaugegner. In der ersten Reihe, direkt vor der Richterbank, sitzt zum Auftakt auch Flughafenchef Michael Kerkloh. Wegen des erwarteten Andrangs ist der achte Senat des VGH vom Gerichtsgebäude an der Ludwigstraße in den großen Vortragssaal des Landwirtschaftsamtes in Westschwabing umgezogen.

Weitere Termine geblockt

Zu Beginn macht der Vorsitzende Richter Erwin Allesch gleich einmal klar, was auf alle Beteiligten zukommen wird: ein Mammutverfahren. Hatte das Gericht zunächst nur 14 Verhandlungstage bis Ende Mai festgelegt, so haben Allesch und die beiden anderen Richter nun bereits weitere Termine geblockt. Wenn es sein muss, dann wird bis tief in den Juli hinein über Sinn und Unsinn des Projekts vor Gericht verhandelt. Und allem Anschein nach wird sich der Prozess locker bis dahin ziehen.

Beide Seiten schenken sich bereits am ersten Tag nichts. Zu Beginn sind es vor allem die Anwälte der Kläger, die versuchen, über einen besonderen Kniff das Projekt zu stoppen: Nach dem Nein der Münchner zum Startbahnbau beim Bürgerentscheid im Sommer fehle schlichtweg die Grundlage dafür, dass die vier Kilometer lange Startbahn überhaupt gebaut werde. Schließlich muss der Beschluss zum Bau im Gesellschaftergremium des Flughafens einstimmig fallen.

Das Nein der Münchner aus dem Juni 2012 aber zwinge die Stadt als eine der drei Gesellschafter zu einem Veto gegen das Projekt. "Die Einstimmigkeit ist derzeit nicht herbeiführbar", sagt Anwältin Ursula Philipp-Gerlach, die den Bund Naturschutz vertritt. Sie regt an, der VGH möge die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorlegen.

Doch der Vorsitzende Richter Allesch und seine beiden Kollegen machen schnell klar, dass sie gar nicht daran denken, den Luxemburger Richtern irgendetwas vorzulegen. Der Bürgerentscheid sei ohne rechtliche Bedeutung für das Verfahren, entscheiden sie nach einer kurzen Beratung. Die genauen Gründe will das Gericht erst in seinem Urteil nennen, das aber kaum vor Herbst gesprochen werden dürfte.

Während sich die Juristen vorne unter anderem über angebliche Sperrgrundstücke der Naturschützer streiten und darüber, ob den Klägern wichtige Unterlagen vorenthalten wurden, brabbelt weiter hinten im Saal der kleine Leopold vor sich hin. Das viereinhalb Monate alte Baby von Christoph und Monika Riesch aus dem Freisinger Stadtteil Attaching liegt meist im Kinderwagen. "Der Bub ist zur moralischen Unterstützung mitgekommen", sagt Christoph Riesch.

Die Großeltern des Kleinen klagen gegen die dritte Startbahn. Sie wohnen seit ihrer Geburt in Attaching; käme die dritte Bahn, müssten sie wegziehen. "Aber für ein Butterbrot", schimpfen sie. Bis ihr Fall behandelt wird, müssen sie noch etwas Geduld haben. Voraussichtlich Mitte Mai will sich das Gericht mit den Details der Anwohnerklagen befassen.

© SZ vom 21.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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