Prozess:Teures Dressurpferd streckt Preisrichtern die Zunge raus

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  • Der Dressurhengst "Figaro von Nymphenburg" aus Ostfriesland kostete 75 000 Euro.
  • Doch seine neuen Besitzer fühlen sich übervorteilt und klagen vorm Landgericht. Der Grund: Das Pferd hat einen Zungenfehler.

Von Stephan Handel

Ein stolzer Name, und ein stolzer Preis: "Figaro" heißt der Hengst, und als Jessica H. ihn im vergangenen Jahr kaufte, kostete er 75 000 Euro. Das ist viel Geld, aber andererseits nicht viel für ein Pferd, das verspricht, erfolgreich in der Dressur werden zu können.

Kaum aber war das Tier im vergangenen Jahr vom verkaufenden Gestüt in Norddeutschland nach Hofolding gebracht worden, seine neue Heimat, da bemerkte die jetzige Besitzerin Schreckliches: Das Pferd zeigte die Zunge! Was bei einem Menschen eine Ungehörigkeit ist, ist bei einem Pferd eine Katastrophe: "Das Tier ist praktisch wertlos", sagt der Ehemann der Reiterin.

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Und deshalb klagten sie gegen den Verkäufer, das Gestüt Nymphenburg, das aber nur so heißt und nicht im Münchner Westen, sondern im Osten Frieslands zu Hause ist. Auf der Sitzungsliste der 3. Landgerichts-Kammer stand zwar "Schadensersatz", aber H. hatte sehr viel weitergehende Vorstellungen: "Die sollen das Tier zurücknehmen."

Ist das Pferd "mangelhaft"?

Tatsächlich ist es wohl so, dass der sogenannte Zungenfehler bei einem Dressurpferd inakzeptabel ist. Ist ja auch gut vorstellbar: Elegant, souverän und kraftvoll soll das Tier sich in Piaffe, Traversale und Pirouette bewegen - und streckt gleichzeitig den Preisrichtern die Zunge heraus. Juristisch allerdings stellt sich nicht die Frage nach der Ästhetik, sondern, sehr viel profaner: ob ein solches Tier "mangelhaft" ist.

Darüber gehen vor Gericht die Meinungen naturgemäß auseinander. H. unterstellt der Gegenseite, sie habe ihn und seine Frau arglistig getäuscht, indem sie zum Beispiel bei den drei Besuchen in dem Gestüt dem Figaro das Maul so verbunden habe, dass die Zunge drinbleiben musste. Quatsch, sagt Helmut Freiherr von Fircks, der Besitzer des Gestüts: Der Zungenfehler sei ja nicht vererbt, sondern praktisch immer erworben - Ausdruck von Stress bei dem Tier. Im Figaro-Fall hat er herausgefunden, dass dessen Box direkt gegenüber von zwei weiblichen Pferden liegt, zudem nahe des Eingangs, was dann ebenfalls "Publikumsverkehr in Form von Stuten" bedeute - und das könne Hengste in Aufruhr versetzen, denn die seien sensibler, als der Volksmund annehme.

Falsches Verhalten der Reiterin, falsches Zaumzeug - glaubt man von Fircks, so sind die Ursachen für ein Zunge zeigendes Pferd ohne Zahl. Er bietet sogar an, bei der Therapie zu helfen, denn das ist das Gute: Wenn der Zungenfehler etwas Erworbenes ist, eine schlechte Angewohnheit, dann kann man es dem Pferd auch wieder abgewöhnen.

"Dann wäre wohl der Pferdemetzger gekommen"

Davor steht aber zunächst noch die Klage. Der Richter erklärt dem Kläger eindringlich, wie das gehen würde, wenn das alles durchverhandelt werden müsste: Zeugen müssten gehört werden, deren Glaubwürdigkeit und Kompetenz wiederum von einem Sachverständigen beurteilt werden müssten, denn: "Ich kenn mich da nicht aus", so der Richter. Also: Es wird auf jeden Fall teuer, und wie's ausgeht, weiß man nicht.

15 000 Euro würde Fircks vergleichsweise zahlen, 20 000 möchte H., was den gegnerischen Anwalt zu dem Ausruf veranlasst: "Wir sind hier ja nicht beim Pferdehandel." Weil man das aber eigentlich ja doch ist, einigt man sich schließlich in der Mitte - 17 500 Euro zahlt Fircks zurück, und die H. behalten dafür das Pferd. Das hat damit Glück gehabt - denn hätte das Gestüt Figaro zurückgenommen, so mutmaßt der Richter, "dann wäre wohl der Pferdemetzger gekommen". Todesstrafe fürs Zungezeigen, das wäre ja doch etwas übertrieben.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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