Prozess:Rettungsassistent auf Raubzug

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Per Knopfdruck können Senioren beim Hausnotruf Hilfe holen. (Foto: Nicolas Amer/dpa)
  • Peter S. hat Bargeld und Schmuck in Höhe von knapp 50 000 Euro gestohlen.
  • Während seine Arbeit beim Malteser Hilfsdienst bestahl er vor allem Senioren, die ihn in einer Notsituation riefen.
  • Seine Strafe fällt höher aus, als zuvor von der Staatsanwaltschaft gefordert.

Von Christian Rost

Die meisten Betroffenen sind über 90 Jahre alt. Sie kamen die Kellertreppe nicht mehr hoch, litten an Herzproblemen oder sackten mit schwachem Kreislauf zusammen. Als sie dann den Hausnotrufknopf betätigten, traf zwar rasch Hilfe ein.

Allerdings führte Rettungsassistent Peter S. vom Malteser Hilfsdienst noch etwas anderes im Schilde: Dreist bestahl er die Senioren, nachdem er sie in ihre Betten gelegt hatte oder sie für mehrere Tage im Krankenhaus waren. Am Dienstag musste sich der 35-jährige S. wegen Diebstahls in neun Fällen am Amtsgericht verantworten. Drei Taten räumte er ein, die übrigen bestritt er, was ihm aber letztlich nichts half.

Um welches Ausmaß es geht

Bargeld und Schmuck im Gesamtwert von 48 880 Euro erbeutete Peter S. im ersten Halbjahr 2014, als er für den Hilfsdienst im Hausnotrufeinsatz tätig war. Mehrere Bewohner des Seniorenwohnens "Cosimagarten" in Bogenhausen bestahl er, aber auch andere betagte Leute in München, die von den Maltesern betreut wurden.

Bei der 98-jährigen Elisabeth S. hatte es der Angeklagte sogar drei Mal versucht. Wie die Frau - schwerhörig, aber geistig hellwach - im Zeugenstand berichtete, betätigte sie am 31. März 2014 ihren Notrufknopf, weil sie "schlecht beinand" gewesen sei und nicht mehr habe vom Stuhl aufstehen können. Dann sei S. gekommen, "sehr nett" gewesen und habe ihr geholfen, sich ins Bett zu legen. Als er wieder gegangen sei, hätten Ringe, Ketten und Goldschmuck im Wert von 6000 Euro gefehlt.

Diesen Diebstahl gestand Peter S. über seine Verteidigerin Katja Günther, die es auch übernehmen musste, sich im Namen ihres Mandanten bei der Seniorin zu entschuldigen. Der Angeklagte selbst sagte nichts zu dem Opfer. Besonders dreist war, dass der Rettungsassistent nach dem ersten Diebstahl noch zweimal mit einem entwendeten Zweitschlüssel in die Wohnung von Elisabeth S. wollte.

Wie Peter S. überführt wurde

Einmal gelang es ihm tatsächlich, wobei wieder Schmuck verschwand, dann aber ließ die Bewohnerin das Schloss an ihrer Wohnungstür austauschen. Als der Angeklagte danach vergeblich versuchte, mit seinem Schlüssel die Tür aufzusperren, wurde er von einer Nachbarin ertappt. Was er hier wolle?, fragte die Frau. S. gab zurück: "Ich bin vom Malteser Hilfsdienst."

Bei den Maltesern gingen in der Zeit, als der Mann Hausnotrufeinsätze fuhr, überdurchschnittlich viele Meldungen über Diebstähle ein. Der Abteilungsleiter des Dienstes forschte nach und kam auf die Idee, die Routen des Dienstfahrzeugs zu überprüfen, mit dem der inzwischen gekündigte S. unterwegs war.

Was er gewusst, woran er aber nicht gedacht hatte bei seinen Taten: Das Auto ist mit einem GPS-Navigationssystem ausgestattet, das sämtliche gefahrenen Wege aufzeichnet. So konnte nachvollzogen werden, dass sich S. bei den bestohlenen Kunden auch zu Zeiten aufgehalten hatte, in denen kein Notrufeinsatz vorlag. Meist mitten in der Nacht suchte er seine Opfer auf, um mit Zweitschlüsseln heimlich in deren Wohnungen einzudringen und diese nach Wertsachen zu durchsuchen.

Was vor Gericht passierte

Als Motiv für seine Taten gab S. "Überforderung im Beruf" und "Heimweh" an. Er hatte bei seinen Eltern in Chemnitz gelebt, bevor er den Job in München annahm.

Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Josef Bonkamp ging davon aus, dass der Rettungsassistent noch weit mehr Senioren bestohlen hat. Die Polizei hatte in seiner Wohnung rund 250 Schmuckstücke gefunden, von denen lediglich 25 aus den neun angeklagten Taten stammten.

Der Richter nannte es "besonders perfide", ältere Menschen derart auszunehmen und verurteilte Peter S. zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Damit verhängte das Schöffengericht eine noch um sieben Monate höhere Strafe, als die Staatsanwaltschaft verlangt hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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