Prozess:Pannen beim Satzbau: ADAC muss Windschutzscheibe zahlen

Lesezeit: 2 min

Das Vertragswerk des ADAC ist offenbar sehr kompliziert. (Foto: dpa)
  • Weil ein Club-Mitglied seinen Schlüssel im abgesperrten Auto liegen lässt, muss ein "gelber Engel" das Fahrzeug knacken.
  • Dabei wird die Windschutzscheibe beschädigt.
  • Für den Schaden will der ADAC nicht aufkommen - doch selbst der Richter hat Probleme mit dem Kleingedruckten im Vertrag.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Ein Auto zu knacken, ohne Schrammen oder Löcher zu hinterlassen, schaffen selbst versierte Automarder kaum. Ein "gelber Engel" des ADAC hat das jedenfalls nicht hinbekommen, als er einem Fahrer helfen wollte, der sich selbst ausgesperrt hatte. Jetzt muss der Automobilclub dafür haften - aber weniger, weil der Pannenhelfer zu ungeschickt war, sondern weil im Kleingedruckten des Clubs unverständliches Zeug steht. So sieht das jedenfalls das Amtsgericht München.

Im Februar 2015 hatte der Münchner um fünf Uhr morgens feststellen müssen, dass der Autoschlüssel im verriegelten Fahrzeug lag. Der Mann rief in seiner Not den ADAC. Der "gelbe Engel" schaffte es mit Hilfe einer langen Metallstange, den Volvo zu öffnen. Allerdings hinterließ er ein Loch in der Frontscheibe.

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874,84 Euro kostete der Austausch des defekten Glases. Diesen Betrag verlangte er als Mitglied von seinem Verein. Der Pannenhelfer habe versucht, den Fahrzeugschlüssel mit einer langen Metallstange aus dem Auto zu holen, sagte er später vor Gericht. Die habe sich dabei stark gebogen, sei dann weggeschnellt, von Innen gegen die Scheibe geprallt und habe dabei ein Loch in die Frontscheibe geschlagen. Der ADAC wies das zurück und berief sich auf eine haftungsbeschränkende Vertragsklausel, weil der Pannenhelfer nicht grob fahrlässig gehandelt habe.

Volvos ließen sich überhaupt nur sehr schwer öffnen, meinte vor Gericht der ADAC-Vertreter. Selbst das Einschlagen der Seitenscheibe wäre nicht grob fahrlässig gewesen, meinte er. Wenn der jeweilige Kunde hiermit einverstanden sei, werde das tagtäglich in Deutschland mehrmals so gehandhabt. Der ADAC berief sich auch auf den "Charakter der Pannenhilfe": Das Gericht müsse würdigen, dass dem Mitglied in möglichst kurzer Zeit und mit wenig Aufwand geholfen werden sollte.

Da der Münchner beim Amtsgericht Klage erhoben hatte, musste nun ein Richter den Streit beurteilen - er gab dem Autofahrer teilweise Recht und verurteilte den Verein zur Zahlung von 577,40 Euro. Der Pannenhelfer hatte nach Meinung des Richter mit der Metallstange "fahrlässig den Schaden verursacht". Die Klausel im Kleingedruckten, mit der die Haftung des Vereins auf grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten beschränkt sein soll, sei unwirksam und verstoße gegen das Gebot des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sich verständlich auszudrücken (§ 307).

Nicht einmal für Juristen sei verständlich, was genau ausgeschlossen werden solle, stellte der Richter fest. Die Formulierungen seien zu vage, zu abstrakt und nicht durch Beispiele erläutert. Das Urteil ist rechtskräftig.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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