Hochsicherheitssaal:Wenn eine fehlende Toilettenwand die Justiz beschäftigt

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Bevor hier verhandelt wird, muss der Hochsicherheits-Gerichtssaal in Stadelheim erst nachgerüstet werden. (Foto: Claus Schunk)
  • Der Hochsicherheits-Gerichtssaal in Stadelheim wird nach Kritik von Verteidigern geschlossen und nachgerüstet.
  • Das Gebäude sollte das Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße entlasten. Dort bleibt die Lage angespannt.

Von Christian Rost

Nach nur einem Verhandlungstag muss der neue Hochsicherheits-Gerichtssaal in Stadelheim geschlossen und nachgerüstet werden. Laut dem Oberlandesgericht München gibt es "Unzulänglichkeiten im Sanitärbereich", die behoben werden müssten. Wann der 17 Millionen Euro teure Bau der Justiz zur Verfügung steht, ist unklar. "Über die Dauer können derzeit keine Prognosen abgegeben werden", so OLG-Sprecherin Andrea Titz.

Am Montag war erstmals in Stadelheim verhandelt worden. Die Justiz hatte den Prozess gegen zehn mutmaßliche Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) vom Strafjustizzentrum in den Hochsicherheitssaal verlegt, der sich auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim befindet.

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Die 20 Verteidiger lehnten es aber ab, das Verfahren dort fortzusetzen. Sie störten sich an Kameras im Saal, mit denen ihre Prozessunterlagen abgefilmt werden könnten, und kritisierten, dass es in dem bunkerartigen Gebäude keinen Mobilfunkempfang gibt. Auch die Bauweise der Toiletten im Haftraum erregte die Gemüter: Bei der Toilette in einer Zelle fehlt eine Abtrennung. Der Vorsitzende Richter des 7. Strafsenats, Manfred Dauster, gab den Verteidigern recht: "Wir sehen ein, dass Sie so nicht weiterverteidigen können", meinte er und unterbrach die Sitzung. An diesem Freitag sollte der Prozess eigentlich in Stadelheim fortgesetzt werden.

Das Gericht prüfte die Einwände der Verteidiger und kam zu dem Schluss, dass die meisten Kritikpunkte nicht gerechtfertigt seien. Die Kameras seien ausgeschaltet und würden nur bei Bedarf aktiviert - etwa wenn Beweismittel für alle Prozessbeteiligten sichtbar an eine Wand projiziert werden müssten. Die fehlende Mobilfunkverbindung soll ein Wlan-Zugang für die Verteidiger ersetzen, der sicherstellt, dass sie zumindest online gehen und E-Mails empfangen können. Der Senat entschied dennoch, wieder ins Strafjustizzentrum umzuziehen. Denn die baulichen Mängel in Stadelheim lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen beheben.

Schließlich fehlt dort nicht nur eine Toilettenwand, es stehen auch nicht genügend Räume zur Verfügung. Für die Anwälte gibt es ein Zimmer, das für 14 Personen ausgelegt ist. An dem TKP/ML-Prozess nehmen aber 20 Verteidiger teil. Für die Dolmetscher gibt es gar keinen Raum.

Die Verlegung des Prozesses in den neuen Gerichtssaal, der eigens für besonders gefährdete Verfahren gebaut wurde, sollte die räumlich beengte Situation im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße entschärfen. Seit dort der NSU-Prozess läuft, sind mindestens drei Verhandlungssäle ständig blockiert: Der Schwurgerichtssaal wird für die Hauptverhandlung gegen Beate Zschäpe und die anderen Angeklagten genutzt, ein Saal ist zum Presseraum umfunktioniert und ein weiterer für die Nebenklagevertreter reserviert.

Regelmäßig kommt der übrige Gerichtsbetrieb ins Stocken, weil das NSU-Verfahren außerdem zu viele Kräfte bindet, das Sicherheitspersonal zum Beispiel. Ausgerechnet eine fehlende Toilettenwand in Stadelheim führt nun dazu, dass sich die Lage im Strafjustizzentrum nicht entspannen wird. Das TKP/ML-Verfahren muss aufgrund der vielen Beteiligten im selben Saal verhandelt werden wie der NSU-Prozess.

Die beiden zuständigen Senate stehen nun vor der Herausforderung, sich nicht in die Quere zu kommen. Die Verantwortlichen für den NSU-Prozess hatten es abgelehnt, nach Stadelheim umzuziehen. Sie befürchteten, dort könnte es zu unvorhersehbaren Problemen kommen.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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