Poing:Der Falkner und die Freiheit

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Falkner Rudolf Maier mit Bartkauz 'Barbabella'. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Rudolf Maier zeigt seit 25 Jahren Greifvogelschauen im Wildpark Poing. Er weiß, wie man es schafft, die Tiere an sich zu binden.

Von Sandra Langmann

Eine tiefe Stimme spricht laut und euphorisch aus den Lautsprechern. "Da kommt er schon, der Wanderfalke Pila. Er fokussiert, er stürzt hinab und lässt seine Beute nicht mehr los." Es klingt beinahe so, als könne ein Fußballkommentator seine Freude über das erzielte Tor nicht mehr im Zaum halten.

Stattdessen findet gerade die Greifvogelschau von Rudolf Maier im Wildpark Poing statt. 20 Minuten vom Eingang des Parks entfernt, ist das Areal ganz hinten auf der Karte eingezeichnet. Dort, wo es viel Wiese und Wälder gibt und der Falkner sein Reich geschaffen hat.

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Seit 25 Jahren gibt es hier die Greifvogelschau und genauso lange ist Rudi Maier dafür zuständig. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt er und lächelt verschmitzt. Der 52-Jährige strahlt eine innere Zufriedenheit aus und eine Ruhe, die bei der Arbeit mit den Tieren unbedingt notwendig ist.

Hier fühlt er sich wohl, im Wildpark Poing, der neben dem Allgäu seine zweite Heimat ist - mit seinen 16 Greifvögeln und seinem Hund Boni. Bereits als Kind wurde er mit der Jagd und der Fischerei vertraut, die sein Vater und Großvater betrieben. Schließlich hat nur noch die Falknerei gefehlt. Dabei sah sein Leben zuerst ganz anders aus.

Maier machte zuerst die Verwaltungslehre, wurde Standesbeamter und studierte anschließend Wirtschaft und Touristik bis zum Vordiplom. Doch schon währenddessen betrieb er mit einem Kollegen die Falkenzucht für den arabischen Markt, wofür er bereits 1984 die Jäger- und Falkenprüfung ablegte. 1992 wurde die Stelle als Falkner im Wildpark Poing ausgeschrieben und seitdem ist er dort auch nicht mehr weg zu denken.

Die Falknerei ist mehr als 3500 Jahre alt. Das Abrichten der Greifvögel konnte in ihren Grundprinzipien bis heute in fast unveränderter Form erhalten bleiben, indem das Wissen über das Zähmen und Abrichten der Tiere über die Generationen weitervermittelt wurden. Mittlerweile ist die Falknerei für mehrere Länder in die weltweite Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden.

"Die Kunst der Falkner ist es, ein wildes Tier an sich zu binden"

"Die Arbeit mit den Greifvögeln erfordert vollste Konzentration", sagt Maier. "Auf jedes Tier muss ich individuell eingehen." Wie viel Geduld und Arbeit wirklich dahinter stecken, davon ist während der Greifvogelschau im Wildpark Poing nichts zu erkennen. Zwei Mal täglich kommen Zuschauer auf die große Wiese hinter den neu errichteten Volieren, in denen die Greifvögel seit diesem Jahr ein neues Zuhause gefunden haben. Die Schau ist vor allem in den Ferien bis auf den letzten Platz besetzt.

"Oh nein, bitte nicht vor dem Gehege hin setzen! Da kommt bald der Gänsegeier Willi raus und der hat heute noch nichts gegessen", warnt der Falkner die Kinder scherzhaft, da sie dem Vogel den Weg versperren würden. Doch vorher gleitet noch der sibirische Uhu Baba ganz knapp über deren Köpfe hinweg. "Lautlos", wie der Falkner anmerkt, da von dem Tier nicht einmal ein Flügelschlag zu hören ist.

Wanderfalke 'Kitty' landet auf der Hand von Zuschauer Jonas aus Aschheim. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Maier steht mitten auf dem Schauplatz und gibt ein melodisches Pfeifen von sich. Baba segelt mit einer Spannweite von 1,60 Metern los. Die Zuschauer ziehen ihre Köpfe ein. Die Arbeit mit einer Eule am Tag sei nicht einfach, doch seit 25 Jahre habe er Eulen im Programm, erklärt Maier. Wanderfalke, Adler, Schleiereule, Gänsegeier und Sakerfalke präsentieren sich der Reihe nach.

"Doch wenn ein Greifvogel an einem Tag keine Lust hat, dann muss er auch nicht fliegen", sagt Maier. Im Gegensatz zu einigen andren Falknern ließe er seine Tiere niemals hungern, um sie aus ihrer Voliere zu treiben. Er sagt, dass ihm die Zusammenarbeit mit Vertrauen gelinge. "Denn die Kunst der Falkner ist es, ein wildes Tier an sich zu binden, in dem man ihm die Freiheit gibt", sagt Maier. Das ist die Herausforderung.

"Die Beziehung ist zu jedem Vogel unterschiedlich. Doch ich habe zu jedem eine Freundschaft aufgebaut", sagt Maier. Damit die Beziehung zwischen dem Falkner und seinen Tieren funktionieren kann, benötigt es eine Vertrauensbasis. "Es geht nicht, die Tiere zu bestrafen. Dann fliegen sie weg", sagt Maier. Daher werden die Greifvögel bei ihm nur belohnt.

Der Uhu Bubo ist mittlerweile mit 25 Jahren am längsten bei ihm, die beiden verbindet eine ganz besondere Freundschaft. Doch das Aufsehen, für das Gänsegeier Willi sorgte, wird Maier wohl nie vergessen.

Vor zwölf Jahren wurde Willi blind geboren. Dank einer Operation kann er auf einem Auge wieder zu 50 Prozent sehen. Obwohl er von Geburt an auf die Hilfe der Menschen angewiesen ist, beschloss er vor drei Jahren, einen Ausflug zu unternehmen.

Weit kam er allerdings nicht. Kaum hatte er das Areal der Greifvögel verlassen, stürzte er aufgrund seiner "eingeschränkten Sichtverhältnisse" gleich nebenan in den Kioskweiher. "Von da an wusste ich, dass Geier schwimmen können", sagt Maier und lacht. Passiert ist dem Geier bei der Bruchlandung zum Glück nichts. Noch heute ist Gänsegeier Willi einer der Höhepunkte bei der Greifvogelschau.

Aber das gilt für jeden Vogel. Und für einen Hund. Als sich der Falkner während der Show dem Wanderfalken Pila widmet, kommt Maiers Hündin Boni hinzu. "Nehmen Sie sich vor Taschendieben in Acht", ermahnt Maier, während sich Boni ein Leckerli aus dessen Gürteltasche stibitzt.

Danach nimmt sie neben dem Raubvogel Platz. Anstatt aufeinander loszugehen, sitzen Hund und Vogel friedlich nebeneinander. Auf diese Augenblicke arbeitet er hin, sie erfüllen ihn mit Zufriedenheit.

Uhu 'Baba' bei der Greifvogel Flugshow im Wildpark Poing. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Abrichten der Tiere dauert häufig bis in die späten Abendstunden an. Die Dämmerung beruhigt die Vögel und dabei können sie auch an neue Elemente für die Flugschau gewöhnt werden. "Dafür beginnt der Tag später, denn am Morgen brauchen die Tiere noch ihre Ruhe." Dennoch ist Freizeit für den Falkner beinahe zum Fremdwort geworden.

Die Hauptsaison dauert von März bis November. Die drei "Wintermonate", nutzen die Tiere als Ruhephase, um ihre Federn zu wechseln. In dieser Zeit muss Rudi Maier aber schon die Vorbereitungen für die nächste Saison treffen und die Greifvögel sind schließlich auch in dieser Zeit zu versorgen.

In den Wintermonaten hat Maier dann auch mehr Zeit für einen besonderen Schützling, der den meisten Gästen im Wildpark verborgen bleibt. Nach der Greifvogelschau geht Maier häufig bei seinem Steinkauz vorbei. Pucki, so heißt er, liebt diese Besuche. Er kuschelt sich dann unter Maiers Jacke. Wird Pucki anschließend wieder auf die Stange gesetzt, streckt er sich, um ein klein wenig größer zu wirken.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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