Planegg:Das Wunder von Planegg

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Hartes Training, viel Teamgeist und nach dem Spiel Spaghetti in der Kabine: Bereits zum sechsten Mal haben die 25 Eishockey-Damen des ESC die Deutsche Meisterschaft gewonnen

Von Annette Jäger, Planegg

Das ist also das Planegger Eiswunder. Die Damen vom Eishockeyteam des ESC Planegg-Würmtal stehen etwas schüchtern mit Sektglas am noch kühlen Frühlingsabend im Biergarten Pe. Es. Kottmeier in Planegg und stoßen auf eine grandiose Saison an: Zum sechsten Mal haben sie die Deutsche Meisterschaft gewonnen - zum fünften Mal in Folge -, obendrein den Pokalsieg errungen. Die jungen Damen sind die Topstars der deutschen Frauen-Eishockeyszene. Jetzt stehen sie da in Rock und Jackett, mit Pferdeschwanz, Handtasche und Lidstrich. Kaum vorstellbar, dass sich diese zarten Geschöpfe in so einem burschikosen Sport durchsetzen. Doch dann sollen sie sich zum Foto gruppieren und die Freude über die beiden Pokale rauslassen. "Wir holen uns das Ding!", ruft eine von ganz unten aus dem Bauch heraus, und die anderen stimmen johlend ein. Okay, man kann sich doch vorstellen, dass sie ihre Gegner auf dem Eis förmlich wegputzen.

Die Bezeichnung Planegger Fraueneishockeymannschaft ist irreführend, denn: In der Mannschaft ist keine Einzige aus Planegg. Die 25 Spielerinnen kommen aus München, Germering, Erding, Freising, Mittenwald, Dorfen oder Bad Tölz. Was sie zu Planeggerinnen macht, ist der Verein: Der ESC Planegg-Würmtal ist ihr sportliches Zuhause. Es ist ein Kuriosum, dass ausgerechnet ein Verein an der Spitze der Eishockey-Bundesliga steht, der nicht mal ein eigenes Eisstadion hat. Wenn die Spielerinnen aufs Eis wollen, müssen sie in die Stadien nach Bad Tölz und Grafing fahren. Das lässt den Erfolg noch mehr zum Wunder werden, denn es ist ein immenser Zeitaufwand, den die Spielerinnen und Trainer Brian Ashton auf sich nehmen.

Derjenige, der das Fraueneishockey nach Planegg geholt hat, ist Klaus Wüst. Er hat den Verein vor genau 25 Jahren mit aus der Taufe gehoben und ist heute der Präsident. Mit Eishockey hatte er nie etwas zu tun, er ist eingefleischter Fußballer. Aber im Bekanntenkreis wurde Eishockey gespielt und - "Es ist eine lange Geschichte", winkt er ab - eines Tages hat sich vom EC Geisenbrunn-Planegg der ESC Planegg-Würmtal abgespaltet; Planegg hatte seinen eigenen Verein. Um den Geisenbrunnern keine Konkurrenz zu machen, konzentrierte man sich auf Fraueneishockey. "Du spinnst", musste sich Wüst anhören. Drei Jahre später dann stieg der ESC bereits in die Bundesliga auf.

Die Leidenschaft ist der Motor zum Erfolg. Die jüngsten Spielerinnen sind gerade mal 15 Jahre alt, die älteste 32. Die eine ist übers Schlittschuhlaufen auf dem Dorfweiher zum Eishockey gekommen, die andere über die älteren Brüder. Sie lieben ihren Sport, der extrem schnell ist und viel Koordination erfordert, und leben für ihn. Wie anders ist es zu erklären, dass sie bereitwillig zweimal pro Woche mit den zwei Kleinbussen des Vereins, die sie an zentralen Sammelstellen abholen, in die Eisstadien nach Grafing und Bad Tölz zum Training kutschieren. Hinzu kommen 24 Punktspiele pro Saison in ganz Deutschland, plus Freundschaftsspiele in Österreich und der Schweiz, obendrein Spiele in der europäischen Liga. Das sind viele gemeinsame Stunden in Bussen, Bahn und Flugzeug. Eine Bürde, die auch ihre positiven Seiten hat: Die Planegger Penguins - so ihr Maskottchenname - prägt ein besonderer Teamgeist, sagt Mona Pink, Kapitän der Mannschaft. Die Spielerinnen sind zu Freundinnen geworden, sie teilen sportliche Erfolge, manchmal Niederlagen und auch die Kabine. Das schweißt zusammen. "Sie harmonieren, suchen einander im Spiel, sie sind keine Einzelkämpfer", lobt Trainer Brian Ashton. Der Kanadier, früher selbst Eishockeyspieler, trainiert die Mannschaft seit zwei Jahren.

Der ESC hat etwas von einem Familienclan. Lukas Häring, genannt Luk, dessen Freundin eine der Spielerinnen ist, kümmert sich als Teammanager um die Organisation; Annemarie Wüst, Ehefrau des Präsidenten, auch "Mutter der Kompanie" genannt, macht die Buchhaltung; Präsident Wüst, das Familienoberhaupt, und Trainer Ashton steuern die Kleinbusse zum Training. Auch die Gemeinde Planegg leistet mit knapp 27 000 Euro Zuschuss pro Jahr ihren Beitrag. Immerhin sind mehr als 100 der 150 Mitglieder wirklich Planegger.

Es verwundert nicht, dass sie auch zusammen essen wie in der Großfamilie. Da für Restaurantbesuche nach den Spielen keine Zeit bleibt, gehört zu jedem Wettkampf auch eine Kochorgie in der Kabine: Die Mannschaft reist stets mit zwei Herdplatten, Töpfen und Tellern im Gepäck. Im letzten Drittel der Partie schmeißt Teammanager Luk dann die Herdplatten an, kurz vor dem Schlusspfiff brodelt schon die Spaghettisoße. Normalerweise kommen die Spielerinnen als Sieger in die Kabine. Dann gibt es Essen - und Jubel. "Das kann dann bei 20 Mädels schon mal ausarten", verrät Assistenzkapitän Sophie Kratzer. Ja, das kann man sich vorstellen. "Nein", sagt sie entschieden, "das kann man sich nicht vorstellen." Vermutlich sind das die Momente, in denen sich der Trainer "dann mal abseilt", wie er es nennt.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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