Planegg:Lehrer spielen Feuerwehr

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Kinder, die kein Deutsch können, werden in Martinsried in einer Übergangsklasse unterrichtet. (Foto: Robert Haas)

An der Grundschule Martinsried gibt es immer mehr Konflikte. Jetzt wird die Jugendsozialarbeit ausgeweitet

Von Rainer Rutz, Planegg

An der Grundschule in Martinsried ist Multikulti gelebter Alltag. Knapp 200 Schüler werden dort unterrichtet. Sie kommen aus 28 Nationen und vier Kontinenten. Das hat einerseits etwas mit der Zahl von Flüchtlingskindern zu tun, die seit mehr als einem Jahr in Martinsried in die Schule gehen, andererseits aber vor allem mit der international ausgerichteten Infrastruktur dieser Einrichtung am Wissenschaftsstandort Martinsried, berichtete Schulleiterin Margit Baran-Lander den Planegger Gemeinderäten in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses.

Zunehmend machten die unterschiedlichen Lebensläufe der Kinder den Lehrern und Eltern Probleme, berichtete sie. Die Schule beantragte deshalb, die bereits existierende Halbtagesstelle für Jugendsozialarbeit auf eine Ganztagesstelle aufzustocken. Baran-Lander und Claudia Haslbeck vom Kreisjugendring (KJR) München-Land fanden deutliche Worte für die derzeitige Situation an der Schule. Die Integrationsarbeit für die Flüchtlingskinder - etliche von ihnen sind anerkannte Asylbewerber - werde immer schwieriger, urteilte Baran-Lander. Das gelte besonders auch für Kinder, die alleine nach Deutschland geflüchtet sind und heute beispielsweise mit älteren Geschwistern oder Verwandten zusammenleben.

Haslbeck sprach von "stark zunehmenden Beratungen", die angesichts dieser Situation auf Lehrer und Sozialarbeiter zukämen. Es entstünden vermehrt "Pausenkonflikte", Lehrer müssten eine "Feuerwehr-Funktion ausüben", "weinende Eltern" seien an der Tagesordnung. Angesichts der "zunehmenden Komplizierung der Welt haben wir an unserer Schule Multi-Probleme", fasste die Schulleiterin zusammen. Die Grundschule sei auf "Inklusion und Integration" ausgerichtet, setze dort und bei der Kooperation auch ihre Jahresschwerpunkte. Doch einfacher wird die Sache dadurch nicht. Baran-Lander verdeutlicht: "Martinsried gilt als wichtiger Standort internationaler Wissenschaft, was sich auch in der zunehmenden kulturellen Vielfalt der Schüler widerspiegelt. Die Begleitung geflüchteter Kinder bringt weitere Aufgaben im Rahmen der Jugendsozialarbeit mit sich."

Es gelte zum Beispiel "unterschiedliche Lebenswelten miteinander zu vernetzen, denn unterschiedliche Kulturkreise prallen hier aufeinander". Fehlende Sprachkenntnisse erschwerten die Situation erheblich, es komme zu "interkulturellen Konflikten". Beim "Umgang mit Gewalt" komme es darauf an, anstelle von Gewaltbereitschaft und Aggression "Respekt und Toleranz anderen Kulturen gegenüber zu schaffen und einzuüben". Bei der derzeitigen Personallage sei "Einzelfallhilfe nur noch bei akuten Situationen möglich". Baran-Lander zieht eine negative Bilanz: "Intensivere Elternarbeit ist aktuell nicht im gewünschten Maß möglich."

Die Planegger Gemeinderäte zeigten sich beeindruckt. Ihre Zusatzfragen nach Beispielen für alltägliche Konflikte, vor allem zum Thema Gewalt, wollten Schulleiterin Baran-Lander und KJR-Vertreterin Haslbeck aus Datenschutzgründen nicht näher beantworten. Die Aufstockung der bestehenden Stelle wurde ohne Gegenstimmen bewilligt.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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