Perlach:Mal schauen, was geht

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Der Bagger wartet schon: An dem Plan der Stadt, den Wert dieses Hauses an der Hofer Straße im Zuge einer Bauvoranfrage zu ermitteln, nimmt der Bezirksausschuss Anstoß. (Foto: Robert Haas)

Die Stadt lässt für ein bebautes Grundstück prüfen, ob dort ein Boardinghaus errichtet werden könnte. Im Bezirksausschuss ist man empört, fraktionsübergreifend wird das Vorgehen scharf missbilligt

Von Hubert Grundner, Perlach

Wäre es ein Multiple-Choice-Test gewesen, hätte man die Frage stellen können: Handelt es sich (1) um einen gewöhnlichen Vorbescheidsantrag für den Neubau eines Boardinghauses oder (2) um ein Stück aus dem Tollhaus? Die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach hätten sich vermutlich für Antwort Nummer zwei entschieden.

Es geht um das Anwesen Hofer Straße 24. Angesichts des Umfeldes, das immer stärker einem Rotlichtbezirk als einem Gewerbegebiet ähnelt, unkte schon der eine und andere im Gremium, ob dort wohl das nächste Bordell entstehen soll. Wie groß aber war das Erstaunen, als sich herausstellte, dass der Antragsteller des Vorbescheids die Stadt beziehungsweise das Kommunalreferat ist. Dieser Umstand erregte jedenfalls "erhebliches Befremden", wie der Vorsitzende des Unterausschusses Bauvorhaben, Wolfgang Thalmeir (CSU), berichtete. Was dann wiederum dazu führte, dass Thomas Kauer (CSU), der Vorsitzende des BA 16, schriftlich nachfragte, ob denn die Stadt tatsächlich selbst plane, nunmehr Boardinghäuser zu errichten.

Darauf antwortete laut Thalmeir das Kommunalreferat, dass man das selbstverständlich nicht beabsichtige. Der gestellte Antrag auf Genehmigung eines Vorbescheids diene lediglich dazu, "eine maximierte Wertermittlung" des privaten Grundstücks für Tauschverhandlungen zu ermöglichen. Die Stadt benötige hierzu die hochwertigste, baurechtlich voraussichtlich zulässige Nutzung. In Anbetracht des dort vorliegenden "reinen Gewerbegebietes" sei dies wohl die Boardinghaus-Nutzung.

Die Teamleiterin der Lokalbaukommission (LBK) wiederum soll auf Nachfrage erklärt haben, dass das fragliche Gebiet an der Hofer Straße nicht im Bereich eines Bebauungsplans liege. Die Fläche sei deshalb auch nicht als reine Gewerbefläche festgesetzt. Eine Einordnung des Gebietes sei entsprechend den Gebietskategorien der Baunutzungsverordnung nicht möglich. Ihrer Meinung nach sei in diesem Fall ohnehin von einer "Gemengelage" auszugehen. Ohne einer Entscheidung der LBK vorgreifen zu wollen, halte sie es für sehr schwierig, den gestellten Vorbescheidsantrag auf Genehmigung eines Boardinghauses aus bauplanungsrechtlichen Gründen abzulehnen.

Diese Aussage aber hat die Lokalpolitiker in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Einstimmig lehnen sie das Vorhaben ab. Die Realisierung eines Boardinghauses an der Stelle wäre für die weitere Entwicklung dieses Teils des Gewerbegebietes Perlach-Süd "sogar schlichtweg katastrophal". Das meint zum einen den erheblichen Verkehrszuwachs, der durch den hotelähnlichen Betrieb des Boardinghauses ausgelöst würde und der die Weidener Straße, die einzige Zufahrtsstraße zum Gewerbegebiet, unzumutbar belasten würde.

Abgesehen davon warnen die BA-Mitglieder vor möglichen nachfolgenden Nutzungen eines solchen Boardinghauses, "die bekanntermaßen bis hin zum Bordellbetrieb reichen". Angesichts der bereits bestehenden Rotlichtbetriebe entstehe eine geradezu fatale Situation: "Die Signalwirkung, die durch einen positiven Vorbescheid betreffend ein Boardinghaus für zukünftige Investoren ausgehen würde, wäre nicht mehr korrigierbar. Im Falle eines positiven Vorbescheids wird das Grundstück zwangsläufig zur Spielwiese von Spekulanten", befürchten die BA-Mitglieder. Stattdessen sollte das Grundstück Hofer Straße 24 zum Nutzen des Stadtbezirks und der Bürgerschaft bebaut werden. Vorstellbar sei die Realisierung von Wohnungen, die Entwicklung zusätzlicher Gewerbeflächen sowie die Integration möglicher bürgerschaftlicher Nutzungen. Als Beispiel dafür nannte Thalmeir den Antrag des Burschenvereins Perlach, der händeringend nach einem Stadel für seine Veranstaltungen suche.

Den Vorbescheidsantrag des Kommunalreferats, so das abschließende Urteil des BA, könne man jedenfalls nur als gedankenlos bezeichnen, weil es dem Spekulantentum auch noch Vorschub leiste. "Da hat man sich echt selbst ins Knie geschossen", monierte Wolfgang Thalmeir. Und Thomas Kauer kommentierte: "Es gibt Sachverständige dafür, um den Wert eines Grundstücks zu ermitteln." Die Absicht, ein städtisches Grundstück allein unter dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung zu verwerten, sei "auf das Schärfste zu missbilligen". Der Bezirksausschuss fordert deshalb in seiner Stellungnahme das Kommunalreferat nachdrücklich auf, den Vorbescheidsantrag noch vor dem Bescheid durch die Lokalbaukommission zurückzunehmen. Außerdem solle für das Gebiet ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt werden, wurde auf Anregung Kauers ergänzt. Danach müssten Stadt und BA unverzüglich Gespräche aufnehmen und nach Nutzungen suchen, die dem örtlichen Bedarf gerecht werden.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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