Pasing:Zurück ins Leben

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Worauf es ankommt: Im Treppenhaus des Übergangswohnheims am Haidelweg signaliert eine Tafel, was für die Bewohner wichtig ist. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Hilfsorganisation Condrobs bietet suchtkranken Menschen die Chance, nach der Therapie in die Normalität zu finden

Von Hannah Knuth, Pasing

Marco möchte bald wieder Koch sein. Das hat er gelernt, bevor er auf Abwege geraten ist. In ein paar Wochen schon ist es soweit, dann geht es für ihn zurück in seine Heimat Passau, wo in einer Wohnung seine Freundin und sein Kind auf ihn warten. Seit fünfeinhalb Monaten lebt der 32-Jährige am Haidelweg in einer der vier Wohngruppen der sozialen Hilfsorganisation Condrobs - in den sogenannten Übergangswohngemeinschaften.

Seit 25 Jahren betreut Condrobs in diesen Einrichtungen suchtkranke Menschen, die nach ihrer erfolgreichen Entgiftung zurück in ein selbständiges, soziales Leben finden müssen: "Wir wollen sie bei ihrer Alltagsbewältigung unterstützen", sagt Einrichtungsleiter Andreas Schwabeneder. Ziel sei, die Bewohner erfolgreich in die Gesellschaft reintegrieren. "Vor allem wollen wir ihnen Alternativen zum Drogenkonsum zeigen." Die Suchtkranken leben jeweils mit vier bis sechs Mitbewohnern, teilen sich Küche, Bad und Wohnzimmer - und auch einige Schlafzimmer. Gemeinsam mit dem 15-köpfigen Betreuungsteam, zu dem zwei Sozialpädagogen und zwei Ergotherapeuten zählen, arbeiten die Bewohner an verschiedenen Projekten; sie renovieren das Haus oder polieren den Garten, lernen über Haushaltsführung oder werden auf den Wiedereinstieg in die Berufsfähigkeit vorbereitet. "Manche haben da ein klares Ziel vor Augen", erzählt Katrin Bahr, Geschäftsführerin des Bereichs Sozialtherapie und Frauenarbeit. Andere wüssten nur, dass sich etwas ändern muss.

Marco gefällt das Konzept gut. "Wir können hier unser Leben größtenteils selbst gestalten", sagt er. Von neun bis 23 Uhr haben die Bewohner freie Ausgehzeiten - wenn gerade keine Arbeit im Projekt oder Therapiestunden und Behördengänge anstehen. Derzeit wohnen zwei Frauen und 14 Männer in der Einrichtung am Haidelweg. Zwischen sechs und 24 Monate können sie dort bleiben, dann geht es in die eigene Wohnung oder in betreutes Einzelwohnen.

In diesem Jahr feiert Condrobs das 25-jährige Jubiläum der Übergangswohngemeinschaften - mit einem Tag der offenen Tür. Rund hundert Leute sind am Mittwoch am Haidelweg zusammen gekommen: Bewohner, Nachbarn, Mitarbeiter. Auch Polizist Andreas Rumiej ist da, der Kontaktbeamte der Pasinger Inspektion. Für Alexander Ebert, den Gründer von Condrobs, ist das ein starkes Zeichen dafür, "dass wir uns nicht verstecken müssen". Rumiej erzählt, dass es seit dem Einzug keine Vorfälle gegeben habe. "Wenn ich nicht wüsste, das hier eine solche Einrichtung ist, wäre es mir nicht aufgefallen", sagt er.

Erst seit dem Jahr 2012 gibt es die Übergangswohngemeinschaften am Haidelweg, zuvor waren sie rund 23 Jahre im Landkreis Ebersberg zu Hause - bis der Vermieter dort plötzlich aus Eigenbedarf kündigte.

Der Umzug nach Pasing verlief nicht problemlos: Die Nachbarschaft wehrte sich vehement gegen die Wohngemeinschaft. "Natürlich gab es im Viertel anfänglich große Angst", sagt Katrin Bahr. Angst davor, ob die neuen Bewohner gegenüber den vielen Kindern in der Nachbarschaft achtsam genug sind. Angst, ob Ruhezeiten eingehalten werden - und natürlich: "Die Angst, dass mit Suchtkranken auch Suchtmittel in die Nachbarschaft kommen." Nach vielen Protesten wurde ein Bürgerbeirat gegründet, in dem nun die Fraktionen des Bezirksausschusses, die Polizei sowie Vertreter der Nachbarschaft und Vertreter von Condrobs sitzen. Man sei in einem kontinuierlichen Austausch, sagt Bahr.

Die 18-jährige Svenja Stebner wohnt mit ihrer Mutter nur ein paar Häuser entfernt. "Auch wir hatten anfangs Bedenken", sagen die beiden, "aber die waren nach einem Vierteljahr weg." Was war die Sorge? "Dass der Eigentumswert unserer Wohnung durch die Wohngemeinschaften verloren geht", erklärt die Mutter. Diese Sorge habe sich aber schnell gelegt: "Wir haben nach dem Einzug überhaupt keinen Unterschied gespürt", sagt Svenja, "nach dem vielen Hin und Her verlief das fast etwas unspektakulär."

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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