Pasing:Mehr Zeit ist gefragt

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In der Flüchtlingsunterkunft an der Landsberger Straße fehlt es an pädagogischen Fachkräften, die traumatisierte Kinder betreuen. Das soll sich ändern - unter anderem durch den Aktionsplan des Stadtjugendamtes

Von Charlotte Schulze, Pasing

"Kommt ihr morgen wieder?" Die fünfjährige Great schaut zu Marion Schäfer hoch. Die schüttelt den Kopf: "Erst nächsten Monat", antwortet sie. Um Great und Schäfer rennen Kinder durch den Kellerraum des neuen Erweiterungsbaus der Gemeinschaftsunterkunft an der Landsberger Straße. Soeben haben Teilnehmer des Projektes "Gemeinsam starten, statt warten" mit Schäfer vom Kinder- und Jugendforum selbst gebastelte Spielzeuge an Great aus Nigeria und andere Jungen und Mädchen aus der Unterkunft übergeben.

Greats Frage nach dem nächsten Wiedersehen bringt zum Ausdruck, was zur Zeit eines der Probleme in Flüchtlingsunterkünften darstellt: Es mangelt an Pädagogen, die nur für die jüngsten Bewohner da sind. "Das übernehmen hauptsächlich Ehrenamtliche und Teilzeitkräfte, dadurch fehlt es an Kontinuität", meint Monica Sanou, die sich seit 2006 in der Unterkunft engagiert. Stabilität sei aber das, was die rund 90 Jungen und Mädchen brauchen - Kinder, die ihre Heimat in Syrien, Irak und Afghanistan verloren hätten und nun auf engem Raum in einem fremden Land mit fremden Menschen zusammenleben. Bis zu 30 Stunden in der Woche verbringt Sanou, 56, mit den Kindern, sorgt für Unterhaltung, unternimmt Ausflüge in den Hirschgarten und auf Spielplätze. Dafür erhält sie ein kleines Honorar. Unterstützung bei ihrem überwiegend ehrenamtlichen Engagement erhält Sanou insbesondere von zwei Mitarbeitern, die auf 450-Euro-Basis arbeiten.

In den nächsten Monaten will sich Sanou aus der Unterkunft an der Landsberger Straße zurückziehen. Sie ist der Meinung, dass die Arbeit, die sie momentan leistet, eine Vollzeitkraft machen sollte: "Es braucht jemanden, der Verantwortung übernimmt." Verantwortung für die Kinder, die größtenteils traumatisiert und deren Eltern mit der Situation überfordert seien. Wenn die Aufwachsenden nicht die Betreuung erhielten, die sie brauchen, gäbe es später ganz andere Probleme.

Das Stadtjugendamt München hat vor einem Jahr mit einem Aktionsplan auf die prekären Betreuungsverhältnisse reagiert. Der Plan sieht vor, dem jeweiligen Betreuungsverband die Kosten für pädagogische Fachkräfte zu erstatten. Zuvor mussten diese durch Spendengelder finanziert werden. "Mit dem Aktionsplan wurden Prozesse in Gang gesetzt, die wichtig sind, um die Betreuung zu verbessern", sagt Elisabeth Ramzews. Sie leitet die Flüchtlingsbetreuung der Inneren Mission, dem zuständigen Betreuungsverband der Unterkunft. Durch den Plan kann ein Mitarbeiter schon bald seine Arbeitsstunden aufstocken: von fünf auf 25 Stunden in der Woche.

Das ist offenbar auch dringend notwendig. Denn die personellen Engpässe verschärfen sich wegen des Neubaus zusätzlich. Zum einen ziehen im Laufe der nächsten Wochen zu den 182 bereits dort Untergebrachten weitere 150 Menschen auf das Gelände, darunter viele Kinder. Insgesamt werden dort dann laut Verwaltung bis zu 160 Buben und Mädchen wohnen. Nach Ende der Ferien kann die Situation etwas dadurch entschärft werden, dass Regelangebote wie Kindergärten und Schulen genutzt werden. Zum anderen steht das neue Gebäude nun dort, wo die Kinder vorher Fußball und Fangen spielten. Die Kinder müssen jetzt mit den Aufenthaltsräumen im Neubau vorliebnehmen; die Fußballtore stehen nun nicht mehr hinter dem Haus, sondern im Aufenthaltsraum im Keller. "Drinnen brauchen die Kinder intensivere Betreuung. Im Freien konnten sie sich mehr selber beschäftigen", sagt Sanou.

Dabei helfen, Langweile zu mildern, das wollen die Kinder und Jugendlichen von "Gemeinsam starten, statt warten". Beim Kinderkultursommer haben sie mit Schäfer eine Ritterburg, Murmellabyrinthe und ein Ringelspiel gebastelt. Nachdem sie die Spielsachen übergeben haben, verlassen sie die Unterkunft wieder. Ritterburg und Ringelspiel bleiben.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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