Pasing:Gegenwehr

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Die GBW-Anlage an der Nimmerfallstraße in München stammt aus den Fünfzigern. Kommendes Jahr soll sie vielleicht einem Neubau mit 88 Wohnungen weichen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Mietergemeinschaft an der Pasinger Nimmerfallstraße will den geplanten Abriss der GBW-Wohnanlage verhindern. Die meisten Bewohner fürchten, dass sie sich die Mieten in den Neubauten nicht mehr leisten könnten

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Benedick Miller begrüßt seine Nachbarn britisch locker. Er sagt "Ihr" und "Euch", spricht mit ruhiger Stimme zu den Leuten im Pasinger Rathaussaal, die alles andere als entspannt wirken. Seit die Mieter der Wohnanlage an der Nimmerfallstraße 60 bis 76 Ende Januar ein Schreiben von Karl Scheinhardt in ihren Briefkästen gefunden haben, blicken sie besorgt in die Zukunft. Der Niederlassungsleiter der GBW Management GmbH kündigt darin an, dass man "technische Anpassungen" und "Optimierungen" am Bestand ihrer etwa 75 Wohnungen prüfe. Mittlerweile wurde die GBW konkreter, der Abriss der Anlage im Sommer 2016 steht im Raum - und der Neubau von 88 neuen Wohnungen. Weil diese "Vollmodernisierung" nach Ansicht der Bewohner mindestens eine Verdoppelung ihrer Mieten nach sich ziehen könnte, haben sie nun beschlossen, sich zu wehren und eine Mietergemeinschaft gegründet. Ben Miller ist einer der Vorsitzenden, die bei einer Infoveranstaltung des Beirats im Pasinger Rathaus sprechen.

"Wir leben alle gerne dort", sagt der Engländer. Die Anlage stamme aus den Fünfzigerjahren, natürlich seien die Wohnungen sanierungsbedürftig - aber eben auch günstig. Viele seiner Nachbarn, ältere Menschen, Migranten, könnten sich höhere Mieten nicht leisten und würden in München bestimmt auch nichts vergleichbar günstiges finden. Für eine 40-Quadratmeter-Wohnung mit zwei Zimmern zahle man an der Nimmerfallstraße im Durchschnitt 350 Euro warm. Es gebe auch Altverträge, die noch günstiger lägen, bei älteren Bewohnern, die dort schon seit den Sechzigerjahren lebten.

Bereits seit 2006 gibt es bei der GBW-Gruppe Überlegungen, diesen Altbestand, der auch äußerlich einen vernachlässigten Eindruck macht, "zu verändern", sprich abzureißen. Ein Bauvorbescheid von 2006 wurde stets verlängert und gilt noch bis Herbst 2015. Umgesetzt wurde bis heute nichts, denn es kam die Pleite der Hypo Alpe Adria dazwischen, und die GBW und mit ihr die Mieter wurden hineingezogen in einen ganzen Strudel politischer Skandale. Die Bewohner der Nimmerfallstraße 60 bis 76 hörten bei ihrer Versammlung im Pasinger Rathaus nun aufmerksam zu, als ihnen Albrecht Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des Mieterbeirats der Landeshauptstadt, vor Augen führte, wem ihre Wohnungen mittlerweile gehören. Nicht alle konnten ihm da bis in Detail folgen. Unterm Strich aber, so erfuhren sie, seien sie nun Bälle im freien Spiel der Marktkräfte, verkauft von der Bayerischen Staatsregierung an ein undurchschaubares Luxemburger Firmengeflecht, zu dem auch die Augsburger Patrizia AG gehöre. Zumindest nominell sei die GBW als GmbH in diesem Konstrukt erhalten geblieben. Schmidt erklärt den Mietern auch, dass die von der Staatsregierung mit der Patrizia ausgehandelte "Sozialcharta" nichts wert sei: "Das können Sie zu allem möglichen hernehmen, nur nicht zum Mieterschutz", sagt er. Grundsätzlich müssten sich die Bewohner der betroffenen Häuser bewusst sein: "Wer sich nicht wehrt, hat schon verloren!"

Genau das aber hat die frisch formierte Mietergemeinschaft vor, sie will sich wehren. Zur Versammlung waren auch Rechtsanwalt Martin Böhm vom Verein "Mieter helfen Mietern" und Beate Marschall, Geschäftsführerin des Mietervereins München ins Pasinger Rathaus gekommen. Sie rieten der Gemeinschaft, sich nun nicht auseinander dividieren zu lassen, den Mut nicht zu verlieren und Ruhe zu bewahren. Die GBW sei im Moment sehr darauf bedacht, keine Negativschlagzeilen zu bekommen. Man sei an der Nimmerfallstraße in einem frühen Projektstadium, vielleicht lasse sich mit der GBW ein "tragbarer Kompromiss" finden. Die Wohnungen seien nicht in einem so schlechten Zustand, dass nur noch ein Abriss in Frage komme. Eine Sanierung im Bestand mit "Augenmaß", die erträgliche Mieterhöhungen nach sich ziehen würde, sei durchaus im Bereich des Möglichen.

Bei einer Infoveranstaltung mit Vertretern der GBW Anfang Februar, ebenfalls im Pasinger Rathaus, waren den Mietern die Abrisspläne erläutert worden: Erst soll ein neues Hinterhaus entstehen, in das dann die Bewohner des Querhauses einziehen, wenn dieses abgerissen wird. So ginge es sukzessiv weiter; ins neue Querhaus kommen dann wiederum die Bewohner des Haupthauses, das ebenfalls durch einen Neubau ersetzt wird. 2020 wäre alles fertig. Und wann würde die GBW dann damit beginnen, die Anlage - quasi in Bestlage nahe dem Pasinger Bahnhof - zu verkaufen? Eine konkrete Antwort hatte es von Niederlassungsleiter Scheinhardt auf diese Frage nicht gegeben.

70 Prozent aller Bewohner der Nimmerfall-Häuser lehnen die Abriss-Pläne ab, Ben Miller und seine beiden Kollegen vom Vorstand der Mietergemeinschaft haben das bei einer Befragung ermittelt und der GBW inzwischen auch mitgeteilt. Für sie steht fest: "Wir wollen keinen Neubau und keine hohen Mietpreise." Wie die GBW auf diese Willensbekundung ihrer Mieter reagiert, ist unklar. Bis Redaktionsschluss war von dem Unternehmen keine Stellungnahme zu bekommen.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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