Pasing:Beispielhaftes Gewusel

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Der Bund Naturschutz kritisiert das aktuelle Chaos auf Wegen und Straßen rund um den Pasinger Bahnhof. Er fordert, einen "Shared Space" im Zentrum zu schaffen - alle Verkehrsteilnehmer wären dann gleichberechtigt

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Die Fahrradhauptstadt München gibt sich auf zugunsten der Taxifahrer", formuliert der Pasinger Peter E. Funck in einem Beschwerdebrief an Oberbürgermeister Dieter Reiter. Funck empört sich darüber, dass auf dem Fahrradweg vor dem Mexiko-Haus am Pasinger Bahnhof nun die Taxen einen Standplatz bekommen haben. Grundsätzliche Kritik an den Zuständen im "verkehrsberuhigten Geschäftsbereich" kommt auch vom Bund Naturschutz. Martin Hänsel, stellvertretender Geschäftsführer der Kreisgruppe München, spricht von einem "Chaos" und stellt seinerseits einen Vorschlag zur Debatte: Weil eh alles durcheinander läuft, warum nicht einen "Shared Space" im Pasinger Zentrum schaffen, also eine Begegnungszone, in der alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind und aufeinander Rücksicht nehmen? "Das würde der Wirklichkeit entsprechen", sagt Hänsel und fordert einen Modellversuch.

Das mit dem Teilen und Rücksicht nehmen ist gegenwärtig noch ein frommer Wunsch. Die gelebte Wirklichkeit auf dem Pasinger Bahnhofsplatz, in den Zentrumsstraßen und am Marienplatz gestaltet sich zuweilen abenteuerlich. Die Beschilderung, so sie überhaupt wahrgenommen beziehungsweise verstanden wird, interpretieren viele eher als einen Vorschlag denn als eine Verordnung. Radler und Fußgänger überqueren die neugestalteten Plätze, wo es ihnen gerade einfällt, Ampelrot ist da kein Kriterium. Zwischen Bussen, der Tram und Autos, die natürlich auch nicht dort fahren, wo sie sollen, wurstelt alles irgendwie aneinander vorbei. Manchmal so haarscharf, dass man als Beobachter die Augen schließen möchte.

Dass die Taxifahrer nach vielmonatigem Protest nun wieder einige Standplätze südlich des Bahnhofsportals bekommen haben, freut sie und die Kundschaft gleichermaßen. Nicht aber BN-Funktionär Hänsel: "Das ist ein Affront seitens einer Kommune, die sich Fahrradhauptstadt nennt." Wie der Beschwerdebrief-Schreiber Peter E. Funk ärgert er sich darüber, dass der frisch angelegte Fahrradweg nun auf zwanzig Meter Länge unterbrochen ist. Das könne auch zu gefährlichen Situationen führen.

Nicht viel besser sei die Situation in der Bäckerstraße, da würden immer wieder Lieferfahrzeuge sowohl den Radweg als auch die Gehwege blockieren. Vor allem auf Höhe des Tegelmanns spitze sich die Situation deutlich zu, wegen der Auslagen bleibe für die Fußgänger dort nur mehr eine kleine Furt. Der Bund Naturschutz glaubt, dass gemäß Straßenverkehrsordnung die Voraussetzungen für einen "Shared Space" im Pasinger Zentrum mit seinem "verkehrsberuhigten Geschäftsbereich" gegeben seien. Hänsel verweist auf eine Broschüre zum Thema, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft herausgebracht hat und die Empfehlungen für die Praxis auflistet. Pasings Mitte mit ihren sensiblen Straßenräumen und Platzbereichen eigne sich für ein solches Modellprojekt, weil dort Fußgänger- und Radverkehr das Straßenbild bestimmen beziehungsweise zumindest in einer Größenordnung zu verzeichnen seien, die den Wunsch nach einem "Gaststatus" des Kfz-Verkehrs rechtfertigt.

Das potenziell für den Modellversuch geeignete Gebiet spannt der Bund Naturschutz von der Ernsbergerstraße im Westen bis zur Rathausgasse im Osten, von der Landsberger Straße im Süden bis zur Kaflerstraße im Norden, inklusive aller Querstraßen. Diese Begegnungszone müsste dann optisch markiert sein - wie ein riesiger Zebrastreifen.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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