Organspenden am Klinikum Rechts der Isar:Chefarzt verschwieg Manipulationsverdacht jahrelang

Die Vorwürfe gegen das Klinikum rechts der Isar sind heftig - und seit mehr als zwei Jahren bekannt: Ein Abteilungsdirektor wusste offenbar schon seit langem von den kriminellen Machenschaften in Zusammenhang mit einer Lebertransplantation, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen.

Christina Berndt

Organspendeskandal - Klinikum Rechts der Isar

Ein Gedächtnisprotokoll wurde einfach weggeschlossen: Neue Ungereimtheiten am Klinikum Rechts der Isar.

(Foto: dpa)

Ein Abteilungsdirektor am Klinikum rechts der Isar wusste wohl seit mehr als zwei Jahren von offenbar kriminellen Machenschaften in Zusammenhang mit einer Lebertransplantation, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatte der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik das Gedächtnisprotokoll, das eine Organ-Schieberei an dem Klinikum der TU im Jahr 2010 entlarvt, damals weggeschlossen.

Der Gastroenterologe habe es bei sich verwahrt, wie eine Sprecherin des Klinikums der SZ auf Anfrage bestätigte. Zu den Motiven und dem Verhalten des Professors könne sie nichts sagen. Der Chefarzt selbst wollte sich zu dem Sachverhalt "derzeit nicht äußern".

Der Professor muss jetzt gegenüber seinem Arbeitgeber und dem für die Universitätskliniken verantwortlichen Wissenschaftsministerium erklären, weshalb er in der Sache nichts unternommen hat. Manipulationen bei der Erstellung der Warteliste für Organtransplantationen verstoßen gegen das Transplantationsgesetz. Sie gelten als Ordnungswidrigkeit und werden mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro bestraft.

Nur wenn Organhandel nachgewiesen wird, droht auch eine Freiheitsstrafe. Noch im August, als das Klinikum rechts der Isar nach den Organ-Betrügereien in Göttingen und Regensburg intern alle Lebertransplantationen der vergangenen fünf Jahre überprüfte, sagte der Professor nichts. Auch in dem Bericht des Klinikums zu etwaigen Transplantationsauffälligkeiten am Rechts der Isar, der dem bayerischen Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) Ende August vorgelegt wurde, erwähnte er den Fall der verschobenen Leber mit keinem Wort.

Seit zehn Tagen kursieren nun Vorwürfe zu etwaigen Betrügereien bei Lebertransplantationen am Klinikum. Die ersten fünf Tage hatte die Klinikleitung Fehler eingeräumt, aber ausgeschlossen, dass Patienten durch vorsätzliche Manipulation ein Organ erhalten haben, das einem anderen, womöglich kränkeren Patienten zustand. Am vergangenen Montag aber kam ein Arzt der II. Medizinischen Klinik aus den Flitterwochen zurück und wies auf das Gedächtnisprotokoll hin.

Aus diesem geht nach SZ-Informationen "eindeutig hervor", dass Blut einer unbekannten Person benutzt worden war, um einen Leberpatienten so krank erscheinen zu lassen, dass er bald eine Spenderleber erhielt. Verfasst hat das Protokoll ein dritter Arzt. "Wir gehen davon aus, dass manipuliert wurde, können aber noch nichts über das Ausmaß sagen", heißt es nun auch aus dem Klinikum. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Wissenschaftsminister Heubisch sicherte am Freitag im Gespräch mit der SZ eine rasche Prüfung aller Vorwürfe zu. Er berief für den Samstag eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung ein, bei der zahlreiche Ärzte aus dem Rechts der Isar gehört werden. Der Minister schloss "personelle Konsequenzen" nicht aus. Zunächst müssten jedoch die Vorwürfe erhärtet und die Verantwortlichkeiten geklärt werden, sagte er. In die Lebertransplantationen am Klinikum rechts der Isar sind neben dem Transplantationszentrum auch die Kliniken für Innere Medizin und Chirurgie involviert.

Anmerkung der Redaktion: Am Abend des 11. Oktober teilte das Klinikum rechts der Isar mit, dass der Direktor der II. Medizinischen Klinik doch keine Informationen verschwiegen habe. Vielmehr habe er schon im Januar 2010 den Ärztlichen Direktor des Klinikums sowie den Leiter der Chirurgie und des Transplantationszentrums auf Unregelmäßigkeiten und auf die Existenz einiger von seinen Mitarbeitern angefertigten Gedächtnisprotokolle hingewiesen.

Nach Prüfung sei man aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nicht um aktive Manipulation, sondern nur um eine Verwechslung von Laborröhrchen gehandelt habe. Der Verdacht auf Manipulation habe sich erst im Oktober 2012 erhärtet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: