Olympiapark:Das schönste Winter-Wimmelbild

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50 Jahre Olympiaturm: Viele Besucher fahren bei eisiger Kälte ganz nach oben - ihre Lieblingsplätze entdecken

Von Andrea Schlaier, Olympiapark

Der Himmel hat sein prächtigstes Blau aufgespannt, morgens um zehn macht einzig ein Kondensstreifen der monochromen Schönheit einen Strich durch die Rechnung. Festtagsstimmung 50 Jahre und drei Tage nachdem hier eines der Wahrzeichen der Stadt fertiggestellt wurde, mit seinen damals knapp 290 Metern wohl Münchens stolzestem Fingerzeig gen Firmament. Der Olympiaturm feiert am Sonntag noch einmal mit Tausenden Ausschau-Lustigen Geburtstag.

Kaum dass die Kassen um zehn Uhr erstmals aufblinkten mit dem historischen Preis von 1968 für die Fahrt zur Besucherplattform (umgerechnet war das nun ein Euro), bildeten sich erste kleine Schlangen mit auffallend vielen sehr jungen und eher älteren Menschen, die sich mit dem Aufzug sieben Meter pro Sekunde nach oben schießen ließen. Senioren mit Echt-Fell-Mützen und umgehängten Feldstechern, andere mit schwer gebeugtem Haupt, weil das beachtlich lange Teleobjektiv an der Kamera um den Hals gar so schwer wiegt. Alle dick eingepackt, unten ist Winter bei minus 9 Grad, ganz oben: Sibirien. "Ich will trotzdem hier rauf", ruft eine ältere Dame, die rote Mütze tief ins Gesicht gezogen ihrem Begleiter zu und zieht ihn aus der verglasten 190 Meter hohen Besucherplattform heraus nach oben, zum windumtosten Plateau. "Ich will alles sehen, ich komm hier nie mehr rauf", sprach's und stapft die letzten Stufen nach oben. Die tränenden Augen sind da weniger der nostalgischen Rührung geschuldet als der Witterung. Wer an diesem Morgen ganz hoch hinaus will, tut es nur kurz. Umschreitet "Häschen&Bärchen 12.03.2016"-Lyrik, die sich um den Stempen windet, für den einst etwa 40 000 Tonnen Beton und 2000 Tonnen Stahl verbaut worden sind. Mit klammen Fingern Fotoapparat oder Smartphone gezückt, abdrücken, einpacken, Schal hochziehen und nichts wie ab eine Etage tiefer in den verglasten und damit wohl temperierten Aussichtskorb.

München liegt einem als weiß blendender Winter-Wimmelbild-Traum zu Füßen, wer Glück hat, kommt gleich bis zur Scheibe. (Foto: Catherina Hess)

München liegt einem als weiß blendender Winter-Wimmelbild-Traum zu Füßen, wer Glück hat, kommt gleich bis zur Scheibe, sonst muss man sich erst mal mit den Entdeckungen der andern akustisch begnügen: "Schau, s'Heizkraftwerk an der Müllerstraße!", "Do, die Kirch' am Giesinger Berg, wia hoaßt's?", "Den oana Turm vom Nockherberg werd's a nimmer geb'n?" - "Na, den gibt's nimmer." "Nein, Noah, ganz da hinten, das ist nicht das Meer, das sind die Berge!" Ein Gewitter aus begeisterten Ausrufen, ungeduldigen Erklärungen und stammelnden Orientierungsversuchen.

"Der Ausblick von hier ist einfach beeindruckend", entfährt es Jürgen Scheferling, 80, der um die Uhrzeit mit seiner Frau Traute eher zu den stillen Genießern zählt. Das Paar war 1976/1977 das erste Mal hier oben, als es nach München gezogen ist. "Die olympische Landschaft da unten war damals so gigantisch wie heute." Als Münchner, sagt Traute Scheferling, würden sie, die aus Kiel stammen, sich nach all den Jahren, in denen die Stadt so unglaublich gewachsen sei, nicht bezeichnen. "Aber wir fühlen uns hier sehr wohl." Auch darüber lässt sich an diesem entrückten Punkt trefflich nachsinnen. Angelika Birke steht nebenan und schickt einen andächtigen Blick durch die Scheibe. "Ich bin in München geboren, am Karolinenplatz daheim." Die Hand um die Kamera gelegt, hält sie Ausschau nach ihren Lieblingsplätzen: Englischer Garten, Hellabrunn.

Blick auf die Anlagen im Olympiapark. (Foto: Catherina Hess)

Wer will, kann sich hier oben in die Geschichte des Turms versenken. Historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen dokumentieren den Baubeginn am 1. Juni 1965, als sich ein einzelner Bagger in einer riesigen Grube zu schaffen machte. Am 31. Dezember 1965, da misst der Turm inzwischen stolze 145 Meter, begutachten Honoratioren der Stadt in Anzug und schmalem Binder den Fortgang. In Form einer sogenannten Kletterschalung wuchs das 22 Millionen Mark-Stangerl täglich etwa um zwei Meter in die Höhe. Die Deutsche Post hatte sich als Bauträger mit der Stadt nicht auf ein Konzept für eine Besucherplattform einigen können, drum gibt's jetzt zwei Turmkörbe: den oberen mit dem Drehrestaurant und den unteren für die Sendeleistungen.

Raphael haben es weder die historischen Daten, noch das Rockmuseum, das hier ebenfalls logiert und an diesem Tag auch stark frequentiert wird, angetan. "Ich hab' die Allianz Arena entdeckt", erzählt der Siebenjährige - wohl gemerkt Borussia-Dortmund-Fan -, der mit dem dreijährigen Bruder Nikolas und Mama Christine Pruscha hochgefahren ist. "Wir wohnen am Ackermannbogen und sind rübergelaufen, weil die Kinder den Park hier lieben; der ist für uns ein richtiger Magnet."

Schlange stehen lohnt sich: Tausende feierten den 50. Geburtstag des Olympiaturms hoch oben bei bester Aussicht. (Foto: Catherina Hess)

Wer wie die Familie um elf Uhr wieder nach unten fahren will, muss sich inzwischen in eine stattliche Aufzug-Schlange einreihen. Unten wummert inzwischen der Radio-Sound der Geburtstags-Party-Begleiter. Auf dem Olympiasee schlittern Tauben Brotkrumen hinterher, rutschen aus auf eisiger Fläche, so blitzblank wie der Himmel über dem Olympiaturm.

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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