Olympiadorf:Herz und Seele

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Zwei, die eins sind: Elisabeth Schneider-Böklen und Herbert Schneider. (Foto: Florian Peljak)

Herbert Schneider und Elisabeth Schneider-Böklen leben Ökumene - zu Hause und in der Gemeinde

Von Nicole Graner, Olympiadorf

Eigentlich kann es anders nicht sein. Wenn Herbert Schneider und Elisabeth Schneider-Böklen im Olympiadorf, in dem sie schon seit 1977 wohnen, spazieren gehen, muss man sie schon von weitem erkennen: Er hat weißes Haar, sie knallrotes. Keine abwegige Vorstellung. Denn irgendwo im Urlaub ist das tatsächlich schon einmal passiert. "Wir saßen zusammen in einer Kirchenbank, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte mit den Worten: 'weiße Haare, rote - das könnt nur ihr sein'!" Herbert Schneider lacht und schaut seine Frau an. Mit einem Blick, der vieles sagt. Vor allem, so glaubt man zu spüren, eine große Vertrautheit zum Ausdruck bringt.

Was zu einem weiteren Merkmal der beiden führt. Keinem äußerem, sondern einem, das man nur dann wahrnimmt, wenn man ihnen länger zuhört. Wenn sie sich frotzeln, Streitgespräche führen. Er ist katholisch, sie evangelisch. Eine Tatsache, der in diesen Tagen kaum mehr große Bedeutung beigemessen wird. Eine ökumenische Ehe zu führen, ist etwas Normales. Doch Mitte des 20. Jahrhunderts steckte die ökumenische Bewegung, die ein verstärktes Miteinander der Konfessionen anstrebte, noch ganz am Anfang.

Elisabeth und Herbert lernen sich Ende der Sechzigerjahre beim Studium in Tübingen kennen. Beide studieren Theologie, beide wollen unbedingt Pfarrer werden. 1971 funkt es zwischen den beiden. "Naja", sagt Elisabeth Schneider-Böklen, die damals Vikarin in Schwenningen war, "ich habe mit Gott richtig Tacheles gesprochen. Ich wünschte mir einen Mann fürs Leben und wollte gerne heiraten". Ihre Bitte um göttliche Mithilfe wurde erhört, Herbert kam. Mit Grappa und einem heißen Espresso mit Schuss besiegelten sie während einer Reise in Zürich ihre Liebe.

Eine Liebe, die aber dazu führte, ihre Traumberufe nicht ausüben zu können. Da er mit einer evangelischen Frau verheiratet war, bekam der heute 71-Jährige natürlich keine Missio canonica - also die kirchliche Beauftragung. Und sie keine Anstellung. "Da denkt man schon mal an die sogenannten Klagepsalmen", sagt sie. An Psalm 13 vielleicht, in dem es heißt: "Herr, wie lange wirst du mich noch vergessen, wie lange hältst du dich vor mir verborgen?" Traurig waren die Schneiders darüber, aber Zweifel an ihrem Glauben hatten sie nie. Er bekam schließlich eine Anstellung bei der Monumenta germanicae historica mit Sitz in der bayerischen Staatsbibliothek, und sie ihre zwei gemeinsamen Kinder. "Es war alles gut so", sagt die jetzt ebenfalls 71-Jährige - auch das gleiche Alter eint die beiden.

Aus dem Traurigsein wurde Aktivität. "Wir wollten was tun", beschreibt Herbert Schneider. Und sie taten was. Seit sie im Olympiadorf wohnen, haben sich die beiden in Frieden Christi und der evangelischen Olympiakirche für die Ökumene stark gemacht: "Die Gemeinden war im Aufbruch, der Pfarrer fragte uns damals. Und wir machten uns dran, Menschen beider Konfessionen zusammenzubringen." Mit dem Ökumenekreis und dem ökumenischen Frühstück der evangelischen und katholischen Gemeinden im evangelischen Prodekanat Nord zum Beispiel. Zweimal im Jahr wurde immer in verschiedenen Gemeinden gemeinsam gefrühstückt.

Die Arbeit fruchtete. So gut, dass immer mehr Aufgabenfelder hinzukamen. Nach so vielen Jahren der Hoffnung sogar eine Pfarrerstelle für Elisabeth Schneider-Böklen - als Pfarrerin im Ehrenamt. Beide engagieren sich heute noch in der Ehevorbereitung und im Sachbereichsgremium Ökumene des Diözesanrats der Katholiken.

In all dieser Zeit haben beide nicht das Trennende der Konfessionen im Auge behalten, sondern das Verbindende. Und sie haben dieses Verbindende weitergegeben. "Obwohl", lacht Herbert Schneider, "da gibt es schon Unterschiede." "Genau", antwortet die Frau mit den knallroten Haaren: "Wir sind die Kirche des Wortes - die Bibel im Mittelpunkt." "Und mir waren es", antwortet der Mann mit den weißen Haaren lachend, "immer zu viele Bibelsprüche." Dafür hat es die 71-Jährige nicht so mit dem Weihrauch.

Theologisch habe es trotzdem in ihrer Ehe nie Streit gegeben. Aber: Da war die Sache mit dem Essen. Für sie war es eine notwendige Nebensache, für ihn sehr wichtig. "Ich habe lernen müssen, dass in einer katholischen Familie das Essen eine viel größere Rolle spielt, dass man mehr Zeit darauf verwendet", sagt Schneider-Böklen. Sie schaut ihren Mann von der Seite an und schmunzelt: "Dafür frühstücken wir beide gerne und lang. Aber ich mag Marmelade, er Wurst."

So unterschiedlich, und doch eins. Im Wohnzimmer hängen zwei Bilder der beiden, die eine mit dem Ehepaar befreundete Künstlerin gemalt hat. Richild Holt hat ihre Charaktere gut eingefangen. Er der stets ruhig Erklärende. Sie die lebendig Dagegenhaltende. Eine Kombination, die erfrischend ist. Allein vom Zuhören, allein vom Beobachten. Seit 1973 sind beide verheiratet - 43 Jahre.

Für ihre Arbeit, die Ökumene als etwas Inspirierendes und nie Trennendes zu sehen, haben sie nun vor Kurzem die Korbiniansmedaille bekommen, eine Auszeichnung für ehrenamtlich Engagierte der Erzdiözese. "Es ist schön, dass unsere Arbeit sichtbar geworden ist". Das sagen sie beide. Und das ausnahmsweise wie aus einem Mund.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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