Olympiabewerbung von Annecy:Berge voller Zweifel

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Prinz Albert hat die IOC-Mitglieder bei seiner Hochzeit noch ins Fürstentum Monaco eingeladen. Doch an einen Sieg von Annecy glaubt in Frankreich keiner mehr. Selbst Präsident Sarkozy reist nicht nach Durban.

Stefan Ulrich

Für Winterspiele sind Berge von Vorteil. "Wir haben sie", sagt Charles Beigbeder, der Chef des Bewerbungskomitees Annecy 2018. "Wir haben den Mont Blanc. Wir sind keine Megastadt, die sich Berge ausleiht." Im Gegensatz zu München und Pyeongchang, will Beigbeder damit sagen.

Die Straße in die Berge von Chamonix in der Region Annecy in den französischen Alpen: Kaum jemand mehr glaubt, dass hier 2018 die Olympischen Spiele stattfinden werden. (Foto: Reuters)

Die Natur ist der Trumpf des 50.000-Einwohner-Städtchens im französischen Hochsavoyen. Ganz in der Nähe, in Chamonix, fanden 1924 die ersten Olympischen Winterspiele statt. Nun will Annecy Olympia zurück zu seinen Ursprüngen führen. Es wirbt mit Tradition und Authentizität und den sieben Millionen Touristen, die die grandiose Natur um Annecy jährlich anzieht. Diese Umwelt soll erhalten werden, weswegen die Bewerber möglichst wenig Raum verbauen wollen. 80 Prozent der Infrastruktur seien vorhanden, sagen sie und schieben weitere Pluspunkte nach. Die Vorfahrt für die Eisenbahn, die Sportbegeisterung der Franzosen und ihre Erfahrung in der Organisation großer Wettkämpfe.

Dennoch scheint kaum ein Franzose auf einen Sieg in Durban zu setzen. In der Annecy-Delegation in Durban heißt es bereits über eine wahrscheinliche Niederlage: "Danach wird abgerechnet; und wir werden Lehren für die Zukunft daraus ziehen." Auch die französische Presse gibt sich alles andere als patriotisch-optimistisch. "Annecy 2018: Chronik eines angekündigten Fiaskos" titelt die Wochenzeitung Journal Du Dimanche. Dann listet sie die Pannen und Fehler der Bewerbung auf.

Von Anfang an gab es Streit zwischen den Lokalpolitikern in Annecy und der Regierung in Paris. Das internationale Lobbying kam zu spät in Gang. Das Budget war im Vergleich zu den Konkurrenten zu niedrig, weshalb im Dezember der damalige Bewerbungschef und ehemalige Goldmedaillengewinner Edgar Grospiron von der Fahne ging. Hinzu kamen, ähnlich wie in München, Probleme mit den Bürgern. Nur etwa die Hälfte der Bewohner Annecys unterstützt die Spiele.

Auch inhaltlich hat das Konzept Schwächen. Die Sportstätten sind weit verstreut, weshalb die Unterkünfte auf mehrere olympische Dörfer verteilt werden müssten. Die Wege sind lang, etwa zur 140 Kilometer von Annecy entfernten Bob- und Rodelbahn in La Plagne. Von Nachteil könnte es auch sein, dass der Ort Annecy gegenüber seinen Mitbewerbern sehr klein ist.

Trotz alldem ist ein olympisches Wunder nicht völlig auszuschließen. Womöglich hat die Fürstenhochzeit am Wochenende in Monaco noch Stimmen im IOC gebracht. Albert II., der Bräutigam, selbst mehrfacher Bob-Olympiateilnehmer, lud alle IOC-Mitglieder zu seiner Hochzeit ein; etwa 50 sollen gekommen sein.

"Ich werde bis zum Ende kämpfen", sagt Sportministerin Chantal Jouanno, die in Durban auftritt. Sie verweist darauf, in jüngster Zeit hätten mehrmals Außenseiter bei großen Sport-Bewerbungen gewonnen. Erst vor kurzem erhielt Frankreich den Ryder Cup 2018 zugesprochen, das bedeutendste Golfturnier der Welt. Das sei ein gutes Omen.

Ein schlechtes Vorzeichen könnte dagegen sein, dass Präsident Nicolas Sarkozy nicht nach Durban fliegt. Seine Berater sollen ihn davon abgehalten haben, damit er nicht zum Empfänger einer Niederlage wird. Immerhin hat Sarkozy einen Brief an die IOC-Mitglieder geschrieben. Darin preist er Annecys größten Trumpf: "Die Berge stehen im Mittelpunkt unseres Projekts."

© SZ vom 06.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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