Oktoberfest:Was einen Wiesnhit auszeichnet

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Das Rezept für einen erfolgreichen Wiesnhit ist vermeintlich einfach. (Foto: dpa)

Es dürfen nur Drei-Wort-Sätze sein und das Publikum muss dazu Gymnastik machen können: Der Wiesn-Hit ist ein sehr spezielles musikalisches Erzeugnis.

Von Franz Kotteder

Die Musik spielt auf dem Oktoberfest eine merkwürdige Rolle: Es gibt viele Stücke, bei denen sogar Menschen begeistert mitklatschen, die bei derselben Nummer im Autoradio sofort die Sendersuchlauftaste betätigen würden. Jedes Jahr wieder ist obendrein eine der wichtigsten Fragen: Was wird der Wiesn-Hit?

Gleichzeitig haben durch die Oide Wiesn sowohl traditionelle als auch progressive Spielarten von Volksmusik erheblich an Bedeutung für das Oktoberfest zugenommen. Grund genug für die SZ, fünf Musikerinnen und Musiker, die alle mit der Wiesn zu tun haben, zu einem Gipfelgespräch ins Schottenhamelzelt einzuladen.

Als Opernsänger im Armbrustschützenzelt

Das passt auch deshalb, weil Evi Keglmaier vom Streicherinnenquartett Zwirbeldirn schon einmal ein Wiesnstück geschrieben hat mit dem Titel "Schöngeist vom Schottenhamel", worin es um den ausufernden Bierzeltbesuch eines Feuilletonliebhabers geht. Ursprünglich war das Lied für die Formation Giesinger Stenz gedacht, in der auch Andreas Stauber mitwirkte.

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Stauber spielt seit zwölf Jahren im Armbrustschützenzelt, seit vier Jahren ist er auch einer der beiden Leiter der Platzl Oktoberfestkapelle, benannt nach dem Hotel am Platzl, das Wiesnwirt Peter Inselkammer gehört. Was Stauber macht, ist durchaus auch harte Arbeit - je nach Wochentag zwischen fünfeinhalb und neuneinhalb Stunden lang. Eigentlich ist er ja ausgebildeter Opernsänger, im Armbrustschützenzelt ist das weniger gefragt, dort spielt er Gitarre und singt. Tagsüber eher Traditionelles" abends dann klassische Wiesnhits wie "Hey Baby", "Tage wie diese" oder "Brenna tuat's guat".

Was der Wiesnhit mit Gymnastik zu tun hat

Überhaupt: der Wiesnhit. "Heuer gibt's keinen neuen", sagt Stauber. Es ist eh absehbar gewesen, meint er: "Der Wiesnhit kommt meist vom Ballermann oder vom Après-Ski. Jeder Versuch, erst auf dem Oktoberfest einen zu etablieren, ist bisher schiefgegangen."

Zwirbeldirn war 2010 bei der Historischen Wiesn bei einer Aktion des Bayerischen Rundfunks mit der Nummer "Biovollkornnudelauflauf" an den Start gegangen und knapp gescheitert bei der Wahl zum alternativen Wiesnhit. Später wurde die Nummer vom Duo Hasemanns Töchter auf CD veröffentlicht, was nicht weiter verwundert, als Maria Hafner beiden Gruppen angehört.

Ihre Duo-Partnerin Julia Loibl war auch an der zweiten Oktoberfestnummer auf der Scheibe beteiligt, am "Riesnhit", der von einer frischen Wiesnliebelei erzählt und dessen Refrain mit der schönen Zeile endet: "Mir zwoa, mir bleima zamm, bis ma de Mass ausdrunga ham." Loibl sagt: "Für einen Wiesnhit bieten sich eigentlich nur Drei-Wort-Sätze an", und Maria Hafner ergänzt: "Und man muss dazu Gymnastik machen können!"

Wo die Volksmusik spielt

Auch G. Rag alias Andreas Staebler hatte mit seiner Band G. Rag und die Landlergschwister schon einen Wiesnhit. Es handelt sich dabei um "Der Räuber und der Prinz", eine Coverversion eines Hits von DAF aus dem Jahr 1981. Auch auf der aktuellen CD "Schwung" der Landlergschwister findet sich mit "Prost" ein Wiesnsong.

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Im Grunde hat G. Rag ja eher mit klassischem Folkpop zu tun, aber um 2004 herum entstanden dann die Landlergschwister, eine lose, zehn bis zwölf Köpfe starke Formation mit Bläsern, die seither immer wieder auf der Krinoline traditionelle Volksmusik mit Gesang aus dem Megaphon spielt und im Herzkasperlzelt mittlerweile fast schon die Funktion einer Hauskapelle erfüllt. G. Rag sagt: "Mir gefällt das sehr gut, gerade weil es kein Konzertraum ist, sondern ein Bierzelt."

Evi Keglmaier sagt, im Herzkasperlzelt sei der optimale Rahmen für Musik, die auch ein bisschen in Richtung Kleinkunst geht. Stimmt, findet auch Julia Loibl: "Die Leute kommen oft gezielt wegen der Musik und hören zu." Überhaupt sei es nicht so, dass es auf der Wiesn nur Platz für Stimmungsmusik gebe. Keglmaier: "Gerade in den kleineren Zelten wird oft ganz normale Volksmusik gespielt."

Abseits des deutschen Schlagers

Beispielsweise auch in der Hühnerbraterei Ammer, in der schon seit vielen Jahren der Münchner Klarinettist Josef Zapf das Musikprogramm mitgestaltet, was die traditionellen Klänge angeht. Und im Festzelt Traditon auf der Oidn Wiesn ist sowieso der Platz für Blaskapellen und Musikvereine aus dem gesamten Oberland.

Es ist also keineswegs so, dass man auf der Wiesn nur deutsche Schlager oder Rockkracher von AC/DC aufwärts zu hören bekommt. Auch nicht bei Andreas Stauber, selbst wenn es abends "schon mehr in Richtung Party geht, weil das die Leute ja wollen". Die Platzl Oktoberfestkapelle spielt tagsüber ohnehin eher Traditionelles, weil das besser zum Zelt passt: "Wir haben ja auch die Auflage vom Wirt, bis 18 Uhr keine aufreizende Musik zu spielen."

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Die passt nicht so zum etwas gesetzteren Publikum im Armbrustschützenzelt. Und, so darf man vermuten, Wirt Peter Inselkammer weiß natürlich auch, dass ein Publikum, das auf der Bank steht, nicht mehr groß isst.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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