Öffentlicher Nahverkehr in München:MVV will Tariferhöhung um sechs Prozent

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U-Bahn-Fahren soll teurer werden. (Foto: Jakob Berr)

Die Einnahmen stagnieren, der Münchner Verkehrsverbund braucht mehr Geld. Das soll über deutlich teurere Tickets hereinkommen. Beschließen müssen diese Erhöhungen die Kommunalpolitiker der Region. Aber ist das zu vermitteln?

Von Marco Völklein, München

Den Fahrgästen im Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) droht in diesem Herbst womöglich eine saftige Preiserhöhung. Grund ist, dass die Tariferhöhung aus dem vergangenen Jahr "regelrecht verpufft ist", wie MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag sagt. Im Herbst 2013 hatte der MVV die Tarife um im Schnitt 2,9 Prozent angehoben. Damit müsste er heuer unterm Strich mehr Geld einnehmen. Doch dem ist nicht so. "Wir haben in etwa so viel in der Kasse wie im Vorjahr", heißt es beim MVV, bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und der Deutschen Bahn, die die S-Bahn betreibt. "Eine solche Situation hatten wir noch nie", sagt MVG-Chef Herbert König auf Anfrage.

Das stellt den MVV, der seit Kurzem vom neuen OB Dieter Reiter (SPD) geführt wird, vor ein Problem: Eigentlich müssten die Gesellschafter die Tarife deutlich anheben - um die 2,9 Prozent aus 2013 und die Erhöhung für das laufende Jahr. Diese wäre laut den Unternehmen unter anderem wegen der Lohnsteigerungen für das Personal, Belastungen aus der Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie Ausgaben für neue Fahrzeuge nötig. Konkrete Prozentzahlen nennt zwar keiner; aber man benötigt keinen Taschenrechner, um auf einen denkbaren Preissprung von fünf oder gar sechs Prozent zu kommen.

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Ist das Semesterticket schuld? Oder sind es die Wochenkarten?

Als mögliche Gründe für die stagnierenden Einnahmen führen König und S-Bahn-Chef Bernhard Weisser unter anderem das im Herbst eingeführte Semesterticket für Studenten an. Studenten kauften nun weniger Tageskarten. "Seit Start des Semestertickets sind die Verkäufe beim Single-Tagesticket kontinuierlich zurückgegangen", sagt Weisser.

Auch die gleitende Gültigkeit bei den Wochen- und Monatskarten habe zu Mindereinnahmen geführt, ergänzt MVG-Chef König. Und das, obwohl die Fahrgastzahlen weiter steigen: Im ersten Halbjahr waren etwa zwei Prozent mehr Fahrgäste unterwegs als im ersten Halbjahr 2013. Man habe insbesondere beim Semesterticket "den Effekt deutlich unterschätzt", sagt König.

Spannend ist nun, wie die MVV-Gesellschafter darauf reagieren. In knapp zwei Wochen treffen sie sich zur Gremiensitzung. Unwahrscheinlich ist, dass die MVV-Spitze eine saftige Preiserhöhung abnickt. Schließlich sind neben Reiter viele weitere MVV-Entscheider wie etwa einige Landräte erst seit Mai im Amt. Und von denen will wohl kaum einer gleich zu Beginn der Amtszeit Wähler verprellen.

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Im Dezember erhöht der MVV die Preise im Schnitt um 2,9 Prozent, vor allem Monats- und Wochenkarten werden teurer. Die "Aktion Münchner Fahrgäste" hat diesmal gar keine Einwände - denn es gibt eine Gegenleistung für die Kunden.

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"Wir stehen da vor einem Dilemma", sagt Weisser. Zumal unklar ist, wie die Nutzer auf einen Preissprung reagieren würden: Möglicherweise würden sie Busse und Bahnen in großer Zahl meiden, dann würden erneut Einnahmen fehlen. Man werde mit "viel Fingerspitzengefühl" vorgehen, versichert MVV-Chef Freitag. Andreas Nagel von der "Aktion Münchner Fahrgäste" fordert "höchstens eine Zwei vor dem Komma - und das ist schon sehr üppig".

Unterm Strich allerdings benötige man deutlich mehr, betonen König und Weisser. Die S-Bahn werde im Herbst die elektrifizierte Strecke von Dachau nach Altomünster dichter befahren. Dafür brauche es mehr Lokführer und neue Züge. Weisser hat 15 alte S-Bahnen aus Stuttgart herbeischaffen und für sechs Millionen Euro modernisieren lassen. Auch die MVG will auf zahlreichen Linien den Takt verdichten - aber eben nur, wenn dies auch finanzierbar ist. Andernfalls könne man solche Verbesserungen nicht anbieten, sagt König. Auf lange Sicht seien, sofern das Geld fehlt, sogar Angebotskürzungen nicht auszuschließen, betonen Weisser und König.

Welche Investitionen noch anstehen

Auch weil in den kommenden Jahren weitere Investitionen anstünden: Sollte die Stadt tatsächlich die U 5 nach Pasing und die U 4 nach Englschalking verlängern, müssten Züge beschafft und Fahrer eingestellt werden - zusätzlich zu denen, die schon bestellt (aber noch nicht bezahlt) sind, um den überalterten Wagenpark zu erneuern.

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Außerdem bräuchte die MVG dringend einen zweiten Tram-Betriebshof sowie zusätzliche Werkstätten für Busse und Bahnen. Um aber in den nächsten Jahren genügend Einnahmen zu haben, müsse man nun die Basis schaffen, auf der künftige Preiserhöhungen aufsetzen, sagt König. Andernfalls könnte es sein, dass München bald in eine Situation wie Nürnberg gerate, wo über Jahre im Stadtverkehr hohe Defizite aufgelaufen waren. Deshalb wurde vor zwei Jahren im Stadtgebiet ein Tarifsprung von zwölf Prozent nötig.

Einig sind sich Freitag, König und Weisser darin, mehr Zuschüsse der öffentlichen Hand zu fordern. So habe zum Beispiel der Freistaat seine Förderung für den Kauf neuer Fahrzeuge gekürzt und Geld, das er vom Bund für den Nahverkehr erhält, vorwiegend in den Ausbau von S-Bahn und Regionalverkehr gesteckt, sagt König. Zudem würden die Anforderungen etwa an die behindertengerechte Ausstattung der Fahrzeuge größer. "Auch das kostet eine Menge Geld", sagt König.

© SZ vom 06.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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