Obermenzing:Notquartier

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Zwei zweistöckige Holzhäuser mit je 30 Wohnungen entstehen gerade am Dreilingsweg. (Foto: Catherina Hess)

In Obermenzing entsteht eine Unterkunft für Familien, die in München keine bezahlbare Bleibe finden. Ehe Anfang Mai die ersten Wohnungslosen einziehen, wurden jetzt die Nachbarn unterrichtet

Von Jutta Czeguhn, Obermenzing

Voraussichtlich Anfang Mai werden am Dreilingsweg 14 nahe der S-Bahnstation Langwied wieder Menschen leben, die auf dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt keine Bleibe gefunden haben. Auf dem städtischen Grund am Ortsrand von Obermenzing sind zwei Gebäude in Holzständerbauweise entstanden. Mit je zwei Stockwerken bieten sie Platz für 199 Personen, unter ihnen werden viele Kinder und Jugendliche sein, denn am Dreilingsweg sollen ausschließlich Familien ein vorübergehendes Zuhause finden. Das Gelände hat eine Geschichte als Standort eines Notquartiers. In den Neunzigerjahren waren dort bis zu 200 Flüchtlinge in Container-Behausungen untergebracht, die dann 2010 abgerissen wurden. Bei einer insgesamt sehr sachlich verlaufenden Informationsveranstaltung für die Anwohner in der Aula der Grundschule an der Schäferwiese stellte Rudolf Stummvoll, Leiter des städtischen Amts für Wohnen und Migration, das Projekt vor.

Lange hatte man auf dem Areal nördlich der Bergsonstraße nur noch die Fundamente der beiden demontierten Wohncontainer gesehen. 2009 hatte der bayerische Landtag Sammelunterkünfte dieser Bauweise für menschenunwürdig befunden und die Schließung angeordnet, zumal damals die Zahl Asylsuchender nach unten gegangen und auch die allgemeine Wohnungsnot in der Stadt noch nicht so dramatisch war. Rudolf Stummvoll nahm sich Zeit, den etwa 100 Zuhörern in der Schulaula die aktuelle Situation darzustellen: "Derzeit sind in München circa 5500 Menschen akut wohnungslos, in diesem Jahr erwarten wir eine weitere Steigerung um etwa 3000." Die Stadt habe die gesetzliche Verpflichtung diese Menschen unterzubringen, das sei keine freiwillige Leistung. Dabei sei man jedoch bemüht, die Notquartiere gleichmäßig auf alle Stadtbezirke zu verteilen.

Eine Frage, welche die Anwohner in Obermenzing zentral beschäftigt: Auf wen müssen sie sich bei den neuen Nachbarn einstellen? Laut Stummvoll werden es keine Asylbewerber sein, denn für diese bestehe Residenzpflicht in den staatlichen beziehungsweise kommunalen Gemeinschaftsunterkünften. Erwartet werden am Dreilingsweg also "Münchner Bürger, die auf Dauer in der Stadt leben", sagte Rudolf Stummvoll. Das können ehemalige Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgenehmigung sein, Leute, die aufgrund von Arbeitslosigkeit, Scheidung oder sonst einem Schicksalsschlag ihre Wohnung verloren haben. Arbeitslose, aber auch Münchner mit einem durchschnittlichen Einkommen, das in der teuren Landeshauptstadt nicht ausreicht, um für eine Familie mit mehreren Kinder eine Wohnung zu finden. Stummvoll machte den Obermenzingern deutlich, dass es sich bei den künftigen Bewohnern der Notunterkunft um keine homogene Gruppe handeln wird.

Das Grundstück am Dreilingsweg ist im Besitz der Landeshauptstadt, sie hat es an einen privaten Betreiber auf zehn Jahre verpachtet, mit der Option auf Verlängerung des Pachtvertrags um fünf Jahre. Die künftigen Bewohner werden mit der Firma jeweils einen privatrechtlichen Mietvertrag schließen. Auf dem Podium bei der Infoveranstaltung saßen auch die beiden Geschäftsführer dieser Firma, die schlicht "Hausverwaltung" heißt, Dieter Vogt und Lars Hanninger. Man habe 30 Jahre Erfahrung mit dem Bau und Betrieb solcher Unterkünfte sagte Vogt. Sein Kollege erläuterte den Zuhörern, was in den vergangenen sechs Monaten auf den Gelände entstanden ist: zwei Baukörper in Holzständerbauweise, die die Namen "Haus Bonifatius" und "Haus Antonius" tragen. In den beiden zweistöckigen Gebäuden gibt es jeweils 30 abgeschlossene Wohneinheiten mit Küchenzeile und Bad. Für die Kinder und Jugendlichen wird es jeweils getrennte Spiel- und Aufenthaltsflächen geben, außerdem einen zentralen Platz, auf dem sich die Bewohner treffen können.

Um die Betreuung der Menschen am Dreilingsweg wird sich die Arbeiterwohlfahrt (Awo) kümmern. Man werde mit einer Einrichtungsleitung, vier Sozialpädagogen und vier Erziehern in der Unterkunft präsent sein, erläuterte Mitarbeiterin Angelika Martin. Es werde darum gehen, die Bewohner in allen Lebenslagen und bei ihrer Integration zu unterstützen. Vor allem auch bei der Suche nach Wohnungen auf dem freien Markt. Für die Kinder, die Schulen, Kindergärten und Horte in der Umgebung besuchen werden, wird es ebenfalls Angebote geben. Zudem will die Awo eng mit dem Helferkreis zusammenarbeiten, der noch aus den Zeiten der alten Container-Unterkunft besteht.

"Wo intensive Betreuung stattfindet, haben wir wenig zu tun", sagte Pasings Polizeichef Peter Löffelmann, den die Organisatoren eingeladen hatten, weil bei Veranstaltungen dieser Art das Sicherheitsbedürfnis der Anwohner immer ein Thema ist. Ein solches Haus werde kein Gefährdungspotenzial für die Anwohner entwickeln, glaubt Löffelmann und stellte klar: "Ich halte nichts davon, jemanden, der zu uns kommt, von vornherein zu stigmatisieren." Applaus in der Aula.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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