Obergiesing:Ringen um bessere Luft

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Mit dem Nein der Verwaltung zu Tempo 50 auf der Tegernseer Landstraße zwischen McGraw-Graben und Candidtunnel will sich der Bezirksausschuss nicht abfinden. Jetzt soll OB Reiter entscheiden

Von Renate Winkler-Schlang, Obergiesing

Es ist laut, und vor allem ist die Luft gesundheitsgefährdend an der Tegernseer Landstraße. Deshalb hatte die Bürgerversammlung von Obergiesing bereits im vergangenen Juli zwischen dem McGraw-Graben und dem Candidtunnel "ein einheitliches und durchgängiges Tempolimit von 50 Stundenkilometern sowie dessen permanente Überwachung" verlangt. Die Antwort aus dem Kreisverwaltungsreferat war nun ablehnend: Alles soll so bleiben, wie es ist. Das aber wollen weder die kritischen Bürger, die zur Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Obergiesing gekommen waren, noch das Gremium selbst. Der Bezirksausschuss beschloss, dass die Angelegenheit von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) persönlich entschieden werden müsse, sollte man sich mit der Stadtverwaltung nicht einig werden können. Auf einen langen Ping-Pong-Briefwechsel hatte keiner Lust, dazu sei die Sache zu ernst.

Das Kreisverwaltungsreferat hat sich in seiner Antwort nur auf den Lärm bezogen und festgestellt, dass ein Tempolimit nur dann eingeführt werden solle, wenn der Pegel sich um mindestens drei Dezibel verringern lasse. Hier aber wäre mit Tempo 50 statt 60 nur ein Effekt von 1,2 Dezibel zu erreichen, so die Behörde. Diese Strecke sei eine autobahnähnlich ausgebaute "Hauptverkehrsstraße im Primärnetz". Die Bündelung des Verkehrs sei gewollt - zur Entlastung des untergeordneten Straßennetzes in den Wohngebieten. Diese Funktion könne die Straße nur erfüllen, "wenn möglichst wenig Beschränkungen vorhanden sind". Eine permanente Kontrolle als stationäre kommunale Dauereinrichtung gebe es im Übrigen nur auf Höhe der Zufahrt von der Chiemgaustraße, denn diese Verflechtungszone zweier Auto-Ströme war eine gefährliche Stelle. Das Innenministerium habe die Kontrollstelle auch nur als Pilotversuch genehmigt. An der Tegernseer Landstraße kontrolliere die Polizei, in den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres immerhin 43 Mal - mit insgesamt 1514 Beanstandungen. Aus der Sicht des Polizeipräsidiums sei das ausreichend, erklärt das Kreisverwaltungsreferat.

Der Bezirksausschuss aber legt sein Augenmerk derzeit weniger auf den Lärm oder Unfallhäufigkeiten, ihm geht es um die Stickstoffdioxidbelastung. Das Referat für Gesundheit und Umwelt hatte die Öffentlichkeit kürzlich davon informiert, dass ein Tempolimit an der Landshuter Allee, wo seit Oktober nur noch maximal 50 gefahren werden darf, einen kleinen Effekt zeitigte: Um drei Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft sei die Belastung im Jahresmittel zurückgegangen. Das liegt zwar weit unter den Erwartungen und die Werte dort liegen immer noch weit über den Grenzwerten, doch den Obergiesingern gab die Nachricht ein wenig Hoffnung, dass sich mit einem Tempolimit auch bei ihnen die Schadstoffe würden reduzieren lassen. Der BA will von der Stadtverwaltung jedenfalls eine schlüssige Antwort, warum im Osten unmöglich sein sollte, was im Westen praktiziert werde.

Zugleich forderten die anwesenden Bürger größere Transparenz: Die Stadt solle offenlegen, wo genau an der Tegernseer Landstraße die Schadstoffe gemessen würden. Und sie solle die Stundenmittelwerte ins Internet stellen. Bei Tagesmittelwerten bestehe die Gefahr, dass gute Nacht-Werte die der Stau-Stunden am Tage kompensieren könnten. Joachim Lorenz (Grüne), früher Münchner Umweltreferent, erklärte dazu, der genaue Ort der Messstelle sei geheim, auch der BA kenne ihn nicht. Zu groß sei die Gefahr, dass jemand die Werte manipulieren würde, und sei es nur mit einer vor den Fühler gehaltenen Zigarettenkippe. Sofort ins Netz stellen könne man die Daten nicht, denn die Messstelle sei ein "Passiv-Sammler": Was dort gespeichert werde, müsse erst im Labor ausgewertet werden, das könne jeweils eine bis zwei Wochen dauern. Entscheidend sei zudem auch nicht der Stundenmittelwert, denn das Problem sei die dauerhaft hohe Belastung der Luft. Auch in den Nachtstunden weise die Kurve leider keine tiefen Täler mehr auf. Der Bezirksausschuss will sich alles Wichtige rund um diese Meßstellen-Thematik demnächst von einem Fachmann aus dem Referat für Gesundheit um Umwelt erklären lassen. Dies hatte die Vorsitzende des Gremiums, Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne), angeregt.

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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