Obergiesing:Geistige Heimat

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Oberbürgermeister Reiter und Kulturreferent Küppers eröffnen die Stadtbibliothek Giesing. Sie sprechen dem Neubau außer einer Bildungsfunktion auch eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Integration zu

Von Hubert Grundner, Obergiesing

Man kann es nicht anders sagen: Gerlinde Zimmermann strahlt Freude pur aus. In jedem Wort und jeder Geste spiegelt sich der Stolz auf das, was sie bei einer spontanen Führung durch die neue Stadtbibliothek Giesing gerade herzeigt. Und obwohl die Leiterin des Hauses keine drei Schritte gehen kann, ohne von einem der vielen Besucher, die am Dienstagvormittag an die Deisenhofener Straße 20 gekommen sind, angesprochen zu werden, begegnet sie jedem mit unerschütterlicher Ruhe und überwältigender Freundlichkeit. Was vermutlich auch damit zu tun hat, dass die Anspannung der vergangenen Wochen und Monate, als die Zusammenführung der bisherigen Außenstellen an St.-Martin- und Tegernseer Landstraße vorbereitet werden musste, von Zimmermann abgefallen ist. Die Besucher aus Unter- und Obergiesing, das wird bei dem Rundgang schnell klar, erwartet jedenfalls direkt an der U-Bahn-Station Silberhornstraße eine der attraktivsten und bestausgestatteten Büchereien Münchens. Und Zimmermann scheint darauf zu brennen, so schnell wie möglich loszulegen.

Einige Bürger bewundern die neue Bibliothek schon am Tag der Eröffnung. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Kurz zuvor hatte die offizielle Eröffnungsfeier mit dem Auftritt von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) begonnen. Münchens Rathauschef lobte das "absolut gelungene Konzept", das hier verwirklicht wurde - außer der Mittelpunktsbibliothek entstanden auch noch eine Kinderkrippe, eine Wohnanlage im geförderten Wohnungsbau mit zwei Wohngruppen sowie eine zweigeschossige Tiefgarage. Reiter erinnerte daran, dass der Bibliotheksbau dringend erforderlich war, auch wenn die zwei alten Stadtviertelbibliotheken in anderen Kommunen vielleicht noch als neu durchgegangen wären, wie er frotzelnd hinzufügte. Damit wollte der OB aber weniger Amtskollegen ärgern, als vielmehr betonen, dass ihm und dem Stadtrat solche Investitionen in kulturelle Einrichtungen wichtig seien: "Das ist so und bleibt so", versprach Reiter seinen Zuhörern, "das ist einer der Erfolgsfaktoren hier." Und wenn "die Abstimmung mit den Füßen" stattfinde, wenn also laut Prognosen 10 000 bis 20 000 Menschen jährlich nach München ziehen, dann habe das nicht zuletzt auch mit der Attraktivität der örtlichen Kulturlandschaft zu tun. Konkret den Blick auf die Bibliothek an der Deisenhofener Straße gerichtet, fuhr Reiter fort: "Zu meiner Zeit - ich hasse diese drei Worte - konnte man sich in einer Bücherei nicht einmal hinsetzen." Hier aber fänden die Besucher nun unter anderem gemütliche Schmökerecken, einen begrünten Innenhof, ein Café sowie moderne multimediale Angebote vor. Kurzum, der OB sagte voraus, dass die Münchner gerne hierher kommen werden. Ausdrücklich bedankte er sich beim Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten, der zur Akzeptanz des Projektes unter den Anwohnern beigetragen habe - was auch nicht immer leicht sei.

Schöner Ort: Die neue Stadtbibliothek präsentiert sich draußen wie drinnen mit einladend-modernem Ambiente. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Reiter schloss mit der Bemerkung, dass Bildung wichtig sei wie nie. Das sei ihm angesichts der Pegida-Demonstration tags zuvor wieder sehr bewusst geworden. Deren Teilnehmern empfahl er jedenfalls dringlich, einmal eine Bibliothek wie in Giesing zu besuchen, einen Ort also, an dem beispielhaft Bildung vermittelt werde. Ein Ratschlag, den Hunderte Zuhörer mit kräftigem Applaus quittierten.

Zuspruch erhielt Reiter auch von Kulturreferent Hans-Georg Küppers. "Es ist ein tolles Zeichen, dass der OB zur Eröffnung der Stadtteilbibliothek gekommen ist." Denn, so Küppers weiter, das zeige dessen Wertschätzung für das Stadtviertel und die Menschen, die hier leben. Wobei der Bau der neuen Leseoase Giesings für den Referenten nur konsequent ist: "Die Stadt wächst, daher muss auch die kulturelle Infrastruktur wachsen." Die Bibliothek biete Heimat, sei Treffpunkt im Sinne von Bildung und sozialem Miteinander, ja, könne gar zur Seele des Quartiers werden. Nicht zuletzt sprach Küppers der Bibliothek eine wichtige Funktion bei der Integration von Flüchtlingen zu, da sie mit ihren Angeboten den Zugang zur Gesellschaft eröffne. "Die Investitionen in Bibliotheken sind jeden Cent wert", befand Küppers, obwohl sich ihr eigentlicher Wert nicht in Euro berechnen lasse: "Sie zahlen uns geräuschlos einen geistigen Zins zurück, von dem die Gesellschaft profitiert."

Die Stätte soll nicht nur Bildung fördern, sondern auch die gesellschaftliche Integration. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Die Zahl von jährlich rund 4,7 Millionen Besuchern in den Stadtbibliotheken will die Dependance an der Deisenhofener Straße nach Möglichkeit weiter in die Höhe treiben. Immerhin haben die Giesinger, wie BA-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne) bei der Eröffnung sagte, ihre Büchereien schmerzlich vermisst. Der Neubau entstand nach Plänen des Architekturbüros Goergens + Miklautz. Er umfasst 1600 Quadratmeter Nutzfläche, wobei knapp 1200 Quadratmeter der Ausleihe der rund 56 000 Medien vorbehalten sind. Die Baukosten betrugen knapp acht Millionen Euro, in die Ausstattung flossen 700 000 Euro.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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