Schlucken und schweigen, das ist für die Lokalpolitiker im Bezirksausschuss (BA) 17 Obergiesing-Fasangarten keine Option, wenn es um die Weiterentwicklung des Mittleren Rings geht. Sie pochen darauf, dass der Stadtrat nach Lösungen sucht, um die Menschen im Münchner Südosten vom Lärm und den Schadstoffen des motorisierten Straßenverkehrs zu entlasten. Die jüngst vom Planungsausschuss getroffene Beschlussempfehlung zum Handlungsprogramm Mittlerer Ring lehnen die Mitglieder des BA deshalb auch vehement ab. Eine entsprechende Stellungnahme hat das Gremium nun einstimmig verabschiedet.
Insbesondere ein Punkt ist es, den Stadtbaurätin Elisabeth Merk im Planungsausschuss beantragt hatte und der jetzt den Ärger der Lokalpolitiker anstachelt: "Der Stadtrat stimmt der Priorisierung der optionalen Tunnelbaumaßnahme zu, wonach der Mittlere Ringabschnitt der Landshuter Allee die höchste Priorität und der Ringabschnitt Tegernseer Landstraße, unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Untersuchungen der baulichen Realisierbarkeit, die zweite Priorität erhält." In Giesing wird dieser Passus - wohl nicht zu Unrecht - so interpretiert, dass die Menschen an Tegernseer Landstraße und Chiemgaustraße auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus mit keiner Verbesserung ihrer Situation rechnen können.
Aus Sicht des BA gilt es deshalb, eine vorschnelle Festlegung des Stadtrats zu vermeiden - konsequenterweise fordert das Gremium, dass dieser Abschnitt in der Beschlussempfehlung des Planungsausschusses ersatzlos gestrichen wird. Stattdessen solle dem Stadtrat vor dessen endgültiger Entscheidung über das Handlungsprogramm Mittlerer Ring die Stellungnahme des Bezirksausschusses vorgelegt werden. Schließlich gehe es dabei um die Gesundheit und das Wohlergehen von 250 000 Menschen am südöstlichen Abschnitt des Mittleren Rings.
Ihre teils scharfe Kritik an der Vorlage des Planungsreferates machen die Giesinger an mehreren Aspekten fest. So zeige die Machbarkeitsstudie beim "Planungsnullfall" - das heißt, wenn an der jetzigen Situation keine Änderungen vorgenommen werden - für die Tegernseer Landstraße für 2025 deutliche Überschreitungen der europaweit geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid auf. Dies eröffne, bliebe es bei dem vorgesehenen Beschluss, Tür und Tor für Klagen von Anwohnern, warnen die Lokalpolitiker.
Einen entsprechenden einklagbaren Anspruch auf Erstellung eines Aktionsplanes mit Maßnahmen, die geeignet sind, die Grenzwerte einzuhalten, habe der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 25. Juli 2008 festgesetzt. Darüber hinaus fordere das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. September 2013, zur Einhaltung der Grenzwerte zeitnah alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Überschreitungen der Grenzwerte möglichst kurz zu halten. "Dem wird mit der Stadtratsvorlage nicht Rechnung getragen, und diese entspricht auch nicht dem Geist der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München", monieren die Verfasser der Stellungnahme. Darin wird auch dem von der Verwaltung erhobenen Einwand widersprochen, aus der aktuellen und prognostizierten Verkehrsbelastung an der Chiemgaustraße lasse sich kein unmittelbarer Handlungsbedarf ableiten. Dem hält der BA 17 entgegen: Gerade für diesen Bereich fehle bislang eine Berechnung der Gesundheitsbelastung der Anwohner "unter Beachtung der hier unvergleichlich nahen Ringbebauung".
Überdies rücken die Giesinger einen bislang eher unbeachteten Aspekt in den Blick. So wurde ihrer Auffassung nach zu keiner Zeit im Rahmen der Machbarkeitsstudie berücksichtigt, dass die Dauerbelastung der Candidbrücke und des Candidtunnels deren umfangreiche Sanierung in spätestens zehn Jahren erforderlich mache. "Alleine diese Tatsache lässt eine Untersuchung des kompletten Teilstücks des Mittleren Rings von der Brudermühlbrücke über die Candidbrücke, den Candidtunnel und die Tegernseer Landstraße bis zu Chiemgaustraße und McGraw-Graben als unbedingt sinnvoll und deutlich wirtschaftlicher erscheinen, als die Verlängerung des Candidtunnels zu planen und möglicherweise nach dessen Fertigstellung oder während dessen Bau Candidtunnel und Candidbrücke sanieren zu müssen." Außerdem konstatieren die Lokalpolitiker beim Referentenentwurf gravierende Mängel. Die entsprechenden Informationen müssten vor einer Entscheidung des Stadtrats über die weiteren Schritte unbedingt eingeholt werden.
Dazu zählten sie die Berechnung der aktuellen Lärm- und Feinstaubbelastung sowie der Belastung mit Stickstoffdioxid an der Landshuter Allee und der Tegernseer Landstraße nach Öffnung des Luise-Kiesselbach-Tunnels über einen repräsentativen Zeitraum sowie deren vergleichende Gegenüberstellung. Außerdem fordert der BA 17 eine aktuelle, differenzierte Verkehrszählung am Mittleren Ring zwischen der Brudermühlbrücke einschließlich der Chiemgaustraße bis zur Schwanseestraße. Darüber hinaus wird die Prüfung und Planung einer fundierten, weiträumigen und flexiblen Verkehrsführung und -rahmenplanung für geschätzte Bauzeiten im Bereich Candidbrücke, Candidtunnel und Tegernseer Landstraße angemahnt.
Erst wenn die damit verbundenen offenen Fragen beantwortet sind, könne der Stadtrat eine auch wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung über das weitere Vorgehen am Mittleren Ring treffen. Die Stellungnahme des BA 17 endet mit dem Appell, dass dabei der rechtlich gebotene und einklagbare Gesundheitsschutz der Bürger vor Lärm und Schadstoffen sowie die tatsächliche Verkehrsbelastung der Anwohner deutlich höher gewichtet werden müsse - höher als der verständliche Wunsch nach einer Verbindung des Englischen Gartens aus ästhetischen sowie Naherholungsgründen.