Nymphenburg:Kleines Glück

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"Endlich Kontakt": Schüler treffen sich mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Von Charlotte Schulze, Nymphenburg

Wenn Ludwig morgens um acht Uhr in die Eingangshalle der Privatschule "Nymphenburger Schulen" kommt und ihm der Geruch von Schulflur, Klassenzimmern und Büchern in die Nase steigt, geht es ihm gut. Mehr als hundert Lehrer, Sozialpädagogen, Psychologen und Sekretärinnen sorgen sich um seine Ausbildung, sein Wohlergehen. Gut so. Immerhin zahlen seine Eltern mehr als 8000 Euro Schulgeld im Jahr.

Wenn Hamid (Name geändert) morgens in einer Unterkunft in Aubing aufsteht, ist niemand da, der ihn umsorgt. Aus Afghanistan geflüchtet, das Mittelmeer überlebt, in Deutschland gelandet, sind die Eltern und Geschwister des 16-Jährigen tausende von Kilometern entfernt. Für Jugendliche wie ihn haben die Behörden die Bezeichnung "UMF" - "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" - geschaffen. Emotionalität findet keinen Platz in der Sprache der Bürokratie. Hätte er 8000 Euro, würde er das meiste wohl in die Heimat schicken. Was passiert nun, wenn diese jungen Menschen, Ludwig und Hamid, und damit zwei Welten aufeinandertreffen?

"Es war, als wäre ich mit Schulkameraden zusammen gewesen", sagt der 14-jährige Ludwig, "es war ein total bewegender Moment, sie lachen zu sehen, als sie ein Tor geschossen haben. Die haben sich richtig freuen können, obwohl sie so viel Schlimmes erlebt haben." Der Schüler gehört zur Arbeitsgemeinschaft "Endlich Kontakt", die Christian Sautier, Sozialpädagoge der Nymphenburger Schulen, mit Kollegen ins Leben gerufen hat.

Endlich Kontakt zu haben zu Gleichaltrigen, die aus Syrien, Afghanistan, Ghana oder Albanien kommen, über die soviel gesprochen und geschrieben wird, war der Wunsch vieler Schüler. "Wir wollten Berührungspunkte zwischen den Jugendlichen schaffen. Und was ist einfacher, als die Jungen aus einer Unterkunft in Aubing an Samstagen in die Schule einzuladen?", sagt Sautier. Dort wurde dann gemeinsam gekocht, gegessen, getanzt: "Es ist wahrscheinlich nur eine Winzigkeit, die wir ihnen geben konnten. Aber immerhin das." "Vielleicht konnten sie so wenigstens für einen Tag vergessen, was sie hinter sich haben," ergänzt Max Zimmermann, der sich auch in der AG engagiert. "Nur mit der Kommunikation war es teilweise schwierig, die meisten können kein Englisch", erzählt Ludwig. Auf dem Fußballfeld hat das allerdings keine Rolle gespielt, das Spiel mit dem Ball kennt keine Sprache: "Irgendwie haben die immer gewusst, was wir meinten - und wenn nicht, haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt." Jetzt sind erst einmal Sommerferien, die AG pausiert sechs Wochen. Ludwig wird sich auch während der Ferien mit dem Albaner Altin, 16, treffen. Oft wird das nicht möglich sein. Altin ist wie die meisten nicht mehr in München untergebracht, sondern auf dem Land.

"Bei den Schülern hat es in jeden Fall etwas ausgelöst. Es wird viel differenzierter diskutiert", sagt Sautier. Zu erfahren, dass alle Menschen gleich sind, sei eine wichtige Erfahrung. Nur: Am Ende des Tages geht Ludwig nach Hause. Hamid nicht.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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