Neuried:Mieter formieren sich zum Widerstand

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Gesteigerter Aufräum-Bedarf: Die Bewohner der Vonovia-Anlage in Neuried haben sich zusammengeschlossen, um gegen das Geschäftsgebaren ihres Vermieters vorzugehen. (Foto: Florian Peljak)

Bewohner des Vonovia-Quartiers in Neuried beklagen unter anderem zu Unrecht erhobene Vorauszahlungen und falsche Flächenberechnungen. In einer gemeinsamen Versammlung werden die Einwände gebündelt

Von Julian Raff, Neuried

Den Verkauf ganzer Siedlungen an Großkonzerne sehen die Mieter meist mit Sorge. Darin bestätigt sehen sich zahlreiche Bewohner des Quartiers am Haderner Winkel, das 1981 die Münchner Rück hat bauen lassen und das seit 2014 der Vonovia gehört, einem Dax-notierten, in Bochum ansässigen Unternehmen mit mehr als 350 000 Wohnungen, rund 400 davon in Neuried. Misstrauen wecken seit geraumer Zeit Nebenkostenabrechnungen, in denen Mieter und Juristen zahlreiche Unstimmigkeiten ausgemacht haben. Die Vorwürfe sind breit gefächert und betreffen unter anderem falsche Flächenberechnungen, zweistellige Kostensteigerungen bei Hausmeisterleistungen und Verbrauchsgebühren, oder zu Unrecht erhöhte Vorauszahlungen.

Neben nichtgerichtlichen Widerspruchsverfahren laufen inzwischen Klagen, die der Mieterverein München unterstützt. Die Anlage wurde 2010 zunächst an die Dewag-, vier Jahre später an die Deutsche Annington verkauft. Der Ableger eines britischen Immobilienkonzerns stand damals in der Kritik, seine ehrgeizigen Renditeziele auf Kosten der Mieter zu verfolgen. Die Umbenennung in Vonovia anlässlich der Dax-Aufnahme im September 2015 werteten Kritiker nicht zuletzt als Versuch, ein Negativimage abzustreifen, das auch in Neuried viele Mieter dazu bewog, ihre Abrechnungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine Initiative bündelt inzwischen die Einwände und wird das weitere Vorgehen an diesem Freitagabend bei einem öffentlichen Treffen besprechen. Mit Blick auf mutmaßlich überhöhte Nebenkostenabrechnungen in Bremen äußert Mietersprecherin Monika Kohut den Verdacht, dass es Deutschlands größtem privaten Immobilienkonzern "nicht nur um Peanuts geht", sondern darum, aus kleinen Unregelmäßigkeiten in der Summe unrechtmäßige Profite zu schlagen.

Den vielfach geäußerten Verdacht will auch Anwalt Josef Vilsmeier nicht ganz von der Hand weisen, der die Mieter (vorerst ohne Mandat) berät. Wenn schon keine unlauteren Absichten, so doch eine vom aufgeblähten Wohnungsbestand überforderte Verwaltung vermutet Gerd Stimmelmaier, Mieter am Drosselweg, hinter Kostensteigerungen innerhalb eines Jahres von 40 Prozent bei Strom oder um 19 Prozent bei Kabelgebühren. Posten wie 15 000 Euro für einen externen Mülldienstleister machen nicht nur ihn stutzig.

Vonovia-Sprecher Max Niklas Gille kann sich Nachprüfungen bei den Verbrauchskosten vorstellen, weniger Korrekturbedarf sieht er aber bei Hausmeisterleistungen. Die für Mieter ärgerliche Berechnung von Aufzug-Betriebskosten in Häusern ohne Lift habe man versehentlich vom Vorgänger Dewag übernommen, inzwischen aber korrigiert, so Gille. Einzelne Mieter bestreiten dies und werfen der Vonovia überdies vor, auf Widersprüche mit "letzten Zahlungsaufforderungen" zu reagieren statt mit dem vorgeschriebenen Mahn-Stopp. Für unkorrekt hält Anwalt Vilsmeier das Gebaren des Unternehmens auch dort, wo es Nebenkostenvorauszahlungen erhöht, obwohl das Mieterkonto aus dem Vorjahr ein Guthaben ausweist. Vonovia werde am Abend niemanden schicken, die Unstimmigkeiten aber danach im Einzeldialog klären, so Gille. Außerdem gibt er zu bedenken, dass Nebenkosten an Dritte durchgereicht würden, der Konzern sich daran also gar nicht bereichern könne.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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