Neuhausen:Paket-Lösung

Lesezeit: 3 min

Im neuen Verteilzentrum der DHL in Neuhausen laufen von kommender Woche an täglich 23 000 Päckchen über die Fließbänder. Die Post-Tochter reagiert auf den boomenden Internet-Handel

Von Marco Völklein, Neuhausen

Die Mitarbeiter wuchten ein Paket nach dem anderen aufs Band. Mal größer, mal kleiner, mal etwas schwerer, ein anderes ein paar hundert Gramm leichter. Doch eines ist bei allen Paketen gleich: Der Adressat lautet bei allen "Fam. Mustermann". Über eine Art Spindel laufen die Päckchen und Pakete dann nach oben auf ein langes Band - und werden von dort wiederum automatisch auf große Rutschen verteilt. Am Ende einer jeden Rutsche stauen sich dann große Mengen Pakete. Würde das neue Verteilzentrum der Deutsche-Post-Tochter DHL östlich der Friedenheimer Brücke schon im Betrieb sein, würden sich dort nun die Zusteller die Päckchen greifen und in ihre Liefer-Lkw verladen.

Noch allerdings läuft nur der Probebetrieb in der 7000 Quadratmeter großen, grell-gelb angepinselten Halle, die man aus den vorbeirauschenden S-Bahnen gut sehen kann. Geprüft wird, ob die Verteilanlage funktioniert - und zwar "unter Volllast", wie DHL-Immobilienmanager Jürgen Roth betont. Das heißt: 23 000 Pakete und Päckchen täglich werden in der Anlage auf die 120 Zustellbezirke verteilt. Allerdings sind die Poststücke allesamt noch Dummys. Wirkliche Sendungen werden die Postler erst vom 7. September an aus der neuen Halle heraus zustellen. Dann geht sie offiziell in Betrieb.

Bis dahin ist noch einiges zu tun. Nicht nur, dass die Post und der niederländische Hersteller die neue Verteilanlage ausgiebig testen. Auch kleinere Restarbeiten sind noch zu erledigen. Zudem sind Arbeiter derzeit gerade dabei, die geplante, fast 200 Meter lange Schallschutzwand an der Nordseite des Geländes zu errichten. Wenn man ihnen dabei zusieht, fühlt man sich an die TV-Bilder aus dem November 1989 erinnert: Damals hoben Kräne die ersten L-förmigen Bauteile aus der Berliner Mauer und machten diese durchlässig. Ähnlich ist es nun in Neuhausen - nur dass diesmal die Betonteile, die ebenfalls wie ein riesiges L aussehen, nicht per Kran entfernt, sondern an ihren Bestimmungsort gesetzt werden. Und höher wird das Bauwerk in Neuhausen auch: Sechs Meter werden die Bauteile später messen. Die Berliner Mauer kam auf 3,60 Meter Höhe. Ein Teil der Wand soll begrünt werden, ein anderer wird Sprayern zur Verfügung gestellt. Eine Kletterwand soll es auch geben, sagt Roth.

Noch wird geübt, in der neuen Halle hinter dem Backstage. Am Montag, 7. September, geht sie offiziell in Betrieb. (Foto: Florian Peljak)

Von der neuen Zustellbasis aus werden die DHL-Fahrer sämtliche Zustellbezirke in der Innenstadt, in Neuhausen/Nymphenburg und in Laim beliefern. Das alte Verteilzentrum weiter nördlich davon, direkt an der Arnulfstraße gelegen, wird dann nach und nach abgerissen. "Das ist alles eng getaktet", sagt Immobilienmanager Roth. Bereits Anfang Oktober sollen die Abrissbagger anrücken. Und von Ende Juni 2016 an werden die ersten Baufirmen damit beginnen, die geplanten Wohnungen auf dem Areal zu errichten.

Die neue Zustellbasis ist Teil einer größeren Strategie des Logistikkonzerns. Weil das Geschäft mit Päckchen und Paketen vor allem dank des boomenden Internethandels ungebremst wächst, stellt sich die Post darauf ein: Überall in und um München errichtet sie neue Verteilzentren für die Paketzustellung. Zuletzt wurden Anlagen unter anderem in Neuaubing, Aschheim, Germering und Ottobrunn eröffnet. Noch im September soll eine weitere Anlage in Allach und im November eine an der Riesenfeldstraße in Moosach in Betrieb genommen werden - rechtzeitig vor dem Advent. Denn in der Weihnachtszeit herrscht Hochbetrieb bei allen Paketzustellfirmen.

Vom Boom des Internethandels profitiert nicht nur die Post-Tochter DHL. Fast alle Paketdienste stocken ihre Kapazitäten auf, auch und vor allem im Großraum München. "Hier ist die Kaufkraft relativ hoch", erklärt Post-Sprecher Dieter Nawrath. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Paketdienstleistungen. Zuletzt hatte der DHL-Konkurrent Hermes eine neue Verteilanlage an der A 9 in der Nähe von Pfaffenhofen errichten lassen; und der Anbieter GLS hat in Erding einen "internationalen Hub" gebaut, also eine Art Päckchen-Drehkreuz. Verkehrsplaner der Stadt betrachten die Entwicklung indes mit Sorge. Denn von all diesen Verteilzentren schwärmen jeden Morgen Hunderte Zustellfahrzeuge in die Stadtviertel aus. So rechnet das Planungsreferat mit einer Zunahme des Straßengüternahverkehrs in München um elf Prozent in den Jahren 2004 bis 2025. Vor allem der Anteil der Lieferfahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht werde stark wachsen. Auch die Verkehrsfachleute der Industrie- und Handelskammer (IHK) sehen da mittel- bis langfristig ein Problem auf die Stadt zurollen: "Eigentlich ist es völlig widersinnig, dass vier oder fünf verschiedene Zusteller zu ein und demselben Kunden fahren", sagt Joseph Seyboldt von der IHK. "Erst ein gelbes Auto, dann ein braunes und schließlich noch zwei weiße."

Noch liegen Dummys auf dem Fließband, adressiert an Familie Mustermann. (Foto: Florian Peljak)

Doch die Sendungen zu bündeln und nur von einem Fahrer zustellen zu lassen - das funktioniert in der Praxis nicht. "Die Paketfirmen wollen das selbst nicht", sagt Seyboldt. In der Tat setzen die Manager vor allem auf "Qualität", also eine möglichst schnelle und direkte Zustellung, um sich im Kampf um die Kunden von den Wettbewerbern absetzen zu können. Gibt ein Unternehmen aber die Zustellung beim Endkunden aus der Hand, hat es keinen Einfluss mehr darauf - und kann damit auch nicht mehr eingreifen und steuern.

Um dennoch möglichst wenig Verkehr zu verursachen, sagt Post-Manager Roth, habe sich die Post für den Bau der dezentral angeordneten Verteilzentren entschieden. Ziel sei es, möglichst lange Anfahrten zu den Zustellbezirken zu vermeiden. Nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes, "sondern weil Wege Zeit sind und Zeit einfach Geld kostet", sagt Roth. Am wirtschaftlichsten sei es, wenn die Zusteller "arbeiten und möglichst kurze Wege fahren".

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: