Neuhausen:Ortswechsel

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Weil die Gaststätte "Goldener Hirsch" schon wieder Tagungslokal der rechten Szene war, zieht der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg die Konsequenz: Seine nächste Sitzung findet woanders statt

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Sie wollen nicht auf Stühlen sitzen, auf denen anderntags Menschen saßen, die ihre rechte Gesinnung mit bestenfalls kruden, schlimmstenfalls extrem menschenfeindlichen Parolen äußerten. Das haben die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) Neuhausen-Nymphenburg in den vergangenen zwei Jahren hinlänglich deutlich gemacht. Nun aber haben sie erfahren, dass schon wieder Rechte auf denselben Stühlen wie sie saßen, und nun ziehen sie die Konsequenz: Die nächste Versammlung des BA 9 am Dienstag, 16. Juni, findet nicht im angestammten Sitzungslokal, der Gaststätte "Goldener Hirsch", statt, sondern in der Hirschgarten-Gaststätte. "Gerade wegen der Vorgeschichte müssen wir jetzt ein Zeichen setzen", findet BA-Vorsitzende Anna Hanusch (Grüne). Und möglicherweise wird es nicht bei einem einmaligen Ortswechsel bleiben.

Das Thema treibt die Stadtviertelpolitiker seit Anfang 2013 um. Damals wurde ruchbar, dass sich die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung "Pro Deutschland" im Goldenen Hirschen getroffen hatte und dass im Jahr zuvor die NPD das Lokal an der Renatastraße regelmäßig zu monatlichen Treffen genutzt hatte. Im Bezirksausschuss entbrannte eine heftige Debatte, wie man darauf reagieren solle. Die SPD beantragte, auf der Stelle das Sitzungslokal zu wechseln, die damalige BA-Vorsitzende Ingeborg Staudenmeyer (SPD) erklärte, sie wolle zuerst mit der Wirtin sprechen. Es gab eine - nicht öffentliche - Sondersitzung des Bezirksausschusses, in der es ziemlich heftig zuging. Die Wirtin beteuerte damals, sie habe nicht erkennen können, dass es sich um Gäste aus der rechten Szene handelte. Manche glaubten ihr das auch - andere nicht, warfen ihr Uneinsichtigkeit vor. Zu guter Letzt versprach die Wirtin, solchen Gästen künftig die Tür zu weisen - und der BA blieb im Goldenen Hirschen. Allerdings organisierte er im Herbst 2013 eine stadtweit beachtete Informationsveranstaltung für die etwa 150 Gastronomen im Viertel, mit Fachleuten und Vertretern des Hotel- und Gaststättenverbandes. Miriam Heigl von der ebenfalls eingebundenen städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus nannte das Vorgehen der Neuhauser gegen rechte Umtriebe damals "vorbildlich".

Für eine Weile herrschte Ruhe. Anfang vergangener Woche aber, berichtet Anna Hanusch, habe sie mehrere Anrufe bekommen - von den Grünen, von der CSU, von Neuhauser Bürgern: Wieder hätten sich im Goldenen Hirschen Rechte getroffen. Am 30. Mai zum Bespiel der Kreisverband der Splitterpartei "Die Rechte" - ein Treffen, das auch das Münchner Antifaschistische Informations- und Dokumentationszentrum Aida auf seiner Webseite dokumentiert hatte. Vielleicht sei es manchmal nicht hundertprozentig einzuschätzen, wer genau da den Saal reserviert, gesteht Hanusch der Wirtin und den Bedienungen zu. Wenn dann aber Transparente aufgehängt werden, wie später im Internet auf Fotos zu sehen, wenn andere Gäste im Lokal sich höchst irritiert zeigen über Sätze, die sie aufgeschnappt haben, "dann muss man schon erkennen, wer die sind - wenn man ein bisschen sensibilisiert ist . . ." Sie habe deshalb sofort per E-Mail bei den BA-Mitgliedern nachgefragt, ob man in den Hirschgarten wechseln solle und "sehr viele positive Rückmeldungen" bekommen.

Am selben Tag, als die Tagesordnung mit dem neuen Sitzungslokal versandt wurde, verschickte die SPD-Fraktion im Bezirksausschuss Neuhausen einen Dringlichkeitsantrag an die Presse - "an mich nicht", sagt Hanusch, sie sei "etwas irritiert". Die SPD forderte, den Sitzungsort zu wechseln, weil in den vergangenen Monaten "wiederholt Veranstaltungen rechtsextremistischer Gruppierungen im Goldenen Hirschen stattgefunden" hätten. Das Gremium werde nun sicher über die Sache diskutieren und wohl auch einen Beschluss fassen, nimmt Hanusch an. Und den Reaktionen zufolge, die sie schon bekommen hat, "werden wir wohl einige Monate woanders hingehen".

Im Königlichen Hirschgarten könnten die BA-Mitglieder auf unverdächtigem Terrain sein. Dort hängen schon seit Längerem an den Eingangstüren zur Gaststätte Aufkleber, auf denen steht: "Hier ist kein Platz für Nazis und Rassismus."

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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