Kreativer könnten jugendliche Flüchtlinge, die ohne Eltern oder andere erwachsene Familienmitglieder in München angekommen sind, wohl kaum untergebracht werden: Im Kreativquartier an der Schwere-Reiter-/Dachauer Straße eröffnet die Heilpädagogisch-psychotherapeutische Kinder- und Jugendhilfe (HPKJ) unter der Trägerschaft des Stadtjugendamtes ein Haus für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 74 Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren, unter ihnen eventuell 19 Mädchen, werden dort von Mitte Juni an zwischen Ateliers, Werkstätten, Theater und anderen Kunstschaffenden leben.
Das Gebäude stand längere Zeit leer und wird derzeit umgebaut; in ihm befanden sich vorher Büros der Straßenmeisterei. In der Regel würden die Jugendlichen drei Monate bleiben, bis geklärt sei, welche weiterführende Jugendeinrichtung für sie geeignet sei, sagt Anna Gödeke, eine von zwei Einrichtungsleiterinnen, bei der Einwohner-Informationsveranstaltung des Bezirksausschusses (BA) Neuhausen-Nymphenburg.
Auf dem Kreativgelände ist es die erste Einrichtung dieser Art, für den Stadtteil nach einer kleinen Gruppe am Backstage und 40 Plätzen für Heranwachsende an der Baldurstraße die bis dato größte. Der Bezirksausschuss hat sich nach den Worten seiner Vorsitzenden Anna Hanusch (Bündnis 90/Die Grünen) bereits in einer Resolution für eine Willkommenskultur ausgesprochen. Ähnlich sahen es wohl auch die gut 100 interessierten Bürger, die ins Pathos-Theater auf dem Gelände gekommen waren. Anders als in anderen Stadtteilen gab es keine einzige kritische Stimme zu dem Projekt, zumindest nicht laut. Moderiert von Dieter Bolzani vom regionalen Netzwerk Regsam, wollten die Neuhauser vor allem alles über den Ablauf, die Organisation, den Alltag und die Zukunft der Jugendlichen wissen, aber auch, wie und wo man helfen könne.
Der Alltag sei vom multikulturellen Team gut zu stemmen, sagte Anna Gödeke. Auf fünf Jugendliche komme je ein Betreuer in drei Schichten von 8 bis 23 Uhr, über Nacht ist ein pädagogischer Hilfsdienst anwesend, ausgerüstet mit Rufnummern für alle Notfälle. Den Jugendlichen stehen Zimmer mit drei bis sechs Betten, Gruppen-, Aufenthaltsräume und ein großer Saal zur Verfügung, in dem alle gemeinsam essen könnten. "Viele schlafen gerne in großen Gruppen zusammen und essen auch gerne gemeinsam", so die Erfahrung der Betreuer. Einmal wöchentlich kommt ein Arzt zur Sprechstunde. Abgestimmt auf das jeweilige Niveau - angefangen vom Analphabeten bis hin zum fließend englisch sprechenden Jugendlichen - erhalten sie verteilt in ganz München täglich drei bis vier Stunden Deutschunterricht. Der Alltag sei gut abgedeckt, sagte Anne Gödeke, doch darüber hinaus jede ehrenamtliche Hilfe willkommen. Gefragt sind stark themenspezifische Angebote für mehrere und nicht einzelne Patenschaften, sagte HPKJ-Geschäftsführerin Angela Bauer. Angebote, die das Haus organisieren könne. Sport, Fußballspielen, Deutsch- und Musikangebote oder Kurse zum Reparieren von Fahrrädern würden von den Jugendlichen dankbar angenommen. "Die sind total begierig darauf, etwas tun zu können", sagt Anna Göreke. In einer ausgelegten Liste konnten sich engagierte Bürger eintragen.
Auch wenn das Haus noch nicht bezogen ist, zeigt der Verein "Kreative Hilfe für Flüchtlinge in München" in einer Halle schräg gegenüber bereits ersten Einsatz: Dort können die Jugendlichen zum Zusatz-Unterricht kommen, malen, spielen und andere Angebote wahrnehmen. Auch Spenden werden angenommen und verteilt.
Der wohl schönste Schlusssatz kam von den unmittelbaren Nachbarn selbst: "Ich freue mich sehr, dass so viele Menschen kommen werden. Auch die anderen sind in freudiger Erwartung", sagte Angelika Fink, künstlerische Leiterin des Pathos; das Theater will die jungen Flüchtlinge mit Workshops begleiten.