Neuhausen:Advent für alle

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Besondere Leuchtkraft: An der Grund- und Mittelschule an der Alfonsstraße haben Lehrer und Schüler gemeinsam einen Adventskalender gestaltet. Jedes Fenster ist ein Türchen, das entsprechend beleuchtet ist. (Foto: Florian Peljak)

An der Alfonsschule gibt es Kinder aus vielen Kulturkreisen, trotzdem dreht sich das Dezember-Programm komplett um Weihnachten - und das ist auch von außen zu sehen: Zwölf Fenster sind mittlerweile hell erleuchtet

Von Melanie Staudinger, Neuhausen

Plötzlich ist es ganz still in der 3 c. Dann sagt ein Junge aus der ersten Reihe: "Ich habe eine Frage, Nikolaus. Kann man auch so mittel sein?" Der Mann mit der roten Bischofsmütze und dem weißem Rauschebart lacht. Natürlich könne man manchmal brav und aufmerksam und an anderen Tagen auch mal frech und vorlaut sein. Jetzt sind die Schüler sich einig. So mittel haben sie sich wohl im vergangenen Jahr benommen. Eine ziemlich kritische Sichtweise, der zumindest ihre Vertretungslehrerin so nicht zustimmen will. In der Deutschstunde eben hätten alle fleißig mitgearbeitet. Brav hin, brav her: Der Nikolaus hat für die Kinder einen großen, schweren Sack dabei, gefüllt mit Mandarinen, Nüssen, Äpfeln und auch der ein oder anderen Süßigkeit.

Während Stefan Geigenscheder als Nikolaus verkleidet durch den zweiten Stock und damit die Grundschule an der Alfonsstraße zieht, schallt durch die Gänge der Mittelschule weihnachtliche Popmusik. Dort schieben gleich mehrere Weihnachtsmänner und Weihnachtsfrauen einen Einkaufswagen mit Clementinen, Äpfeln und Schoko-Nikoläusen durch das Schulhaus. Die Schülersprecher Lea und Sejfulla haben die Aktion organisiert. Ihre Klassenkameraden konnten die Schoko-Männer vorbestellen, 20 Cent von jedem Verlauf gehen an ein Hilfsprojekt im westafrikanischen Benin, das seit langem von der Schule unterstützt wird.

Es weihnachtet an der Alfonsschule - und das ist auch von außen zu sehen. Zwölf Fenster sind mittlerweile hell erleuchtet, denn die Fassade zur Albrechtsstraße hin hat sich in diesem Jahr wieder in einen riesigen Adventskalender verwandelt, der nach dem gleichen Prinzip funktioniert wie der Kalender, der weiter südlich die Mercedes-Niederlassung an der Donnersbergerbrücke erleuchtet. Mercedes inszeniert teure Autos, die Alfonsschule ist da bescheidener und beschränkt sich auf weihnachtliche Motive.

Vor ein paar Jahren schon haben Lehrer und Schüler die jeweils neunteiligen Fensterbilder gestaltet. Heuer kam Lehrerin Isabelle Richter auf die Idee, die Motive wieder aus dem Keller zu holen. Drei Tage lang sortierten Lehrer und Schüler die Bilder und fügten sie richtig zusammen. Gar nicht so einfach, weil man seitenverkehrt denken muss. Und auch die Beleuchtung musste improvisiert werden. Die Scheinwerfer von früher waren verschwunden, jetzt erhellen Leuchtröhren die Fenster. Doch davon waren nur zwölf vorhanden, die anderen konnten gerade noch rechtzeitig organisiert werden - sonst wären die weiteren Fenster von heute an dunkel geblieben. Ein weiteres Problem: Unter der Woche und am Wochenende braucht es verschiedene Zeitschalter. Und die Klassen müssen darauf achten, dass abends ihre Vorhänge zu bleiben. Sonst erleuchten die Röhren höchsten die dahinterliegenden Räume, nicht aber die Fenster nach außen.

Die Schüler der Alfonsschule stammen aus vielen verschiedenen Nationen. Allein die Internetseite der Mittelschule ist in nahezu 60 Sprachen übersetzt. Unterschiedliche Herkunftsländer, unterschiedliche Religionen, unterschiedliche Muttersprachen - im Dezember steht Weihnachten trotzdem im Mittelpunkt. Das ist ein durchaus sensibles und oft diskutiertes Thema. Wie viel christlichen Brauch darf es an der Schule geben? Welche Lieder dürfen die Schüler singen? Ist es nicht unfair, wenn die einen feiern und die anderen nicht?

Kerstin Weber, Leiterin der Grundschule, und Eva-Maria Gaßner, Rektorin der Mittelschule, sind ein eingespieltes Team. Weihnachten hat seinen festen Platz an der Alfonsstraße - aus mehreren Gründen. Da wäre zum einen die Atmosphäre. Lehrern wie Schülern tut ein Innehalten im stressigen Alltag gut. Kerzenlicht (aus Brandschutzgründen freilich LED-Kerzen), der Geruch von Tannennadeln, die Stille und Ruhe schaffen eine besondere Stimmung in der Schule, die alle genießen würden. Montagmorgen können sich die Kinder beider Schulen mit einer Lehrerin der Mittelschule zur 15-minütigen Besinnung treffen. Andere Klassen halten am Adventskranz inne oder singen gemeinsam Lieder. "Natürlich sind die Lehrkräfte sehr sensibel", sagt Weber. Kein Kind wird zum Singen gezwungen, die meisten tun es ohnehin sehr gerne.

Vom Thema Weihnachten lässt sich zudem viel lernen. Die Schüler der Übergangsklassen, die erst kurz in Deutschland sind, üben Vokabeln wie Adventskranz oder Christbaum. "Einige kennen tatsächlich kein Weihnachten", sagt Gaßner. Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl auch muslimische Familien, die einen Weihnachtsbaum aufstellen oder sich Geschenke machen. "Uns ist wichtig, dass die Kinder möglichst viel von anderen Glaubensrichtungen wissen", sagt Weber. Das fördere das gegenseitige Verständnis und die Toleranz. Auch die Eltern sind einbezogen. Jede Klasse schmückt an einem Tag ihre Tür und bastelt oder backt. Die Väter und Mütter können dazukommen - damit alle etwas von der vorweihnachtlichen Stimmung haben.

In der Mittelschule ist die Weihnachtszeit so beliebt, dass sich die Schülerfirma der Achtklässler in diesem Jahr sogar Adventsfeen genannt hat. Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Natalie Stahl und Vanessa Schwab haben die Schülerinnen und Schüler Dosen, alte Gläser, Moos und Baumscheiben gesammelt und daraus Adventsgestecke mit vier Kerzen gebastelt. Die Jugendlichen erstellten Budgetpläne und kalkulierten die Kosten. Im Juni wollen sie sich mit ihrem Projekt bei der stadtweiten Firm-Messe bewerben, bei der die besten Schülerfirmen ausgezeichnet werden.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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