Erinnert sich noch jemand an Friedrich Merz und seine Bierdeckel-Steuerreform? Die Idee des CDU-Politikers war zu schön, um wahr werden zu können. Niedrige Steuersätze, keine Ausnahmen und Absetzungsmöglichkeiten mehr - alles so einfach, dass eine Steuererklärung Platz hat auf einem Bierdeckel. Ein Traum, aber ein ungerechter. Denn was einfach ist, ist selten gerecht, und umgekehrt. Weil ein solches Steuersystem den vielen Besonderheiten des Lebens nicht Rechnung tragen kann.
Genauso verhält es sich mit dem Tarifsystem des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), über das zu schimpfen in etwa so originell und überraschend ist, wie eine Stammstrecken-Sperrung blöd zu finden. Ja, es ist kompliziert und für Normalmenschen kaum zu durchblicken. Aber erstens ist es auch nicht viel schlimmer als in anderen europäischen Großstädten. Und zweitens liegt das am Wesen des Systems selbst: Es radikal zu vereinfachen, brächte viele Ungerechtigkeiten hervor.
Nur noch ein einheitlicher Tarif für Pendler, die täglich zur Arbeit fahren, und Touristen, die einen Tag im Jahr in München sind? Gleiche Kosten für Azubis und Manager, für Berufstätige und Schüler, für Studenten und Alte? Und soll, wer mit der S-Bahn 30 Kilometer weit in die Stadt fährt, wirklich 30-mal so viel zahlen wie derjenige, der mit dem Bus nur einen Kilometer in der Isarvorstadt zurücklegt? Diese Beispiele zeigen schon, dass es nicht per se unsinnig ist zu differenzieren, auch wenn das eben ein etwas kompliziertes Ticketsystem nach sich zieht.
Nahverkehr:Der MVV-Tarifdschungel soll einfacher werden - aber das ist kompliziert
In München eine gültige Fahrkarte zu kaufen, ist vor allem für Nicht-Münchner eine Herausforderung. Experten tüfteln an einer neuen Ticketstruktur - nicht erst seit den jüngsten Vorfällen.
Es gäbe nur eine Möglichkeit für den großen Wurf, für die radikale Vereinfachung: Die öffentliche Hand, also der Freistaat und die Kommunen, müssten die MVV-Tickets mit viel mehr Geld bezuschussen, als sie es heute tun - und im Gegenzug werden die Preise massiv gesenkt. Das ist die Idee des Ein-Euro-ein-Tag-Tickets.
Zugegeben, das klingt gut und einfach. Es brächte den Menschen und der Umwelt aber mehr, investierte die öffentliche Hand ihre Zuschüsse in die Infrastruktur des Nahverkehrs: In neue Linien und Fahrzeuge, in ein attraktives Angebot also, das mehr Menschen dazu bewegt, das Auto stehen zu lassen. Kunden nehmen gerne auch ein etwas komplizierteres Ticketsystem in Kauf, wenn sie dafür etwas geboten bekommen.