Nach Wahl:Stadtrat will Migrationsbeirat in jetziger Form abschaffen

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Nükhet Kivran, die Vorsitzende des Migrationsbeirats, ist verärgert. (Foto: Florian Peljak)
  • Der Migrationsbeirat wird von Münchner mit ausländischem Pass gewählt - bisher in Direktwahl.
  • Nur 3,6 Prozent der Berechtigten gaben am Sonntag ihre Stimme ab.
  • Nach Manipulationsvorwürfen und wegen der geringen Wahlbeteiligung will der Stadtrat die Direktwahl nun abschaffen.
  • Die Vorsitzende reagiert verärgert: Es gebe Gründe für die niedrige Beteiligung. Zudem werde die Arbeit des Beirats nicht ausreichend gewürdigt.

Von Heiner Effern, München

Die Direktwahl des Migrationsbeirats am vergangenen Sonntag wird aller Voraussicht nach die letzte gewesen sein. Das erklärten die Stadtratsfraktionen von CSU und SPD, aber auch die Grünen sind dieser Meinung.

"Das Ziel des Migrationsbeirats, unseren ausländischen Bürgern eine Stimme in der Stadtpolitik zu geben, ist durch die unzureichende Wahlbeteiligung und die Vorwürfe der Wahlfälschung komplett verfehlt worden", sagte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl am Donnerstag. Sein SPD-Kollege Alexander Reissl erklärte, die Direktwahl des Migrationsbeirats habe "keine Zukunft". Auch Grünen-Fraktionssprecherin Gülseren Demirel mochte das Ergebnis "nicht schön reden. Ein Weiter so kann es nicht geben." Die bisherige Vorsitzende des Migrationsbeirats, Nükhet Kivran, wies die Kritik an der Direktwahl "empört" zurück.

In der Woche vor der Wahl hatte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) die Staatsanwaltschaft alarmiert, weil sie Hinweise auf Manipulationen hatte. In mehr als 300 Fällen sollen illegal Unterlagen für die Briefwahl angefordert und an nur zwei Adressen geschickt worden sein. Unter Verdacht stehen auch ultranationalistische türkische Organisationen. Am Sonntag gaben dann von 367 927 Wahlberechtigten lediglich 13 324 ihre Stimme ab. Das entspricht einer Beteiligung von 3,6 Prozent. Das Ergebnis sei korrekt, die erschwindelten Abstimmungszettel seien aussortiert worden, hatte das KVR erklärt.

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Nükhet Kivran, die den Migrationsbeirat bis zur Wahl geleitet hatte, reagierte deshalb verärgert auf die Zweifel an der Legitimation ihres Gremiums. Die Mitglieder hätten bisher engagiert unter oft schwierigen Bedingungen sehr gute Arbeit geleistet. Ohne jedes Gespräch einfach die Abschaffung des Migrationsbeirats in seiner jetzigen Form zu fordern, hält Kivran für platt. Es gebe triftige Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung. Ein großer Teil der Berechtigten sei erst 2015 ins Land gekommen, dürfe aber nach einem halben Jahr Aufenthalt schon wählen. "Diese Menschen verstehen weder die Sprache noch unser Wahlsystem."

Zudem gibt Kivran der Stadtpolitik eine Mitschuld: Die Arbeit des Migrationsbeirats werde kaum beachtet und gewürdigt. Auch gebe es erhebliche Beschwerden über die Durchführung der Wahl. Der Migrationsbeirat werde daher in diesen Tagen einen kritischen Fragenkatalog an das KVR schicken. Zu guter Letzt warnte Kivran die etablierten Parteien vor Überheblichkeit. Bei der Stadtratswahl 2014 hätten bei deutlich mehr Werbung und viel einfacheren Voraussetzungen als beim Migrationsbeirat auch nur 42 Prozent der Münchner abgestimmt.

Ob diese Argumente den Stadtrat umstimmen, ist fraglich. Die CSU will den Migrations- zu einem Integrationsbeirat umbauen, dessen Mitglieder auf Vorschlag von Verbänden, Organisationen oder Religionsgemeinschaften benannt werden. Auch SPD-Fraktionschef Reissl plädiert für ein Berufungsmodell, ahnt aber, dass die Ausarbeitung "kompliziert" werden könnte. Er stellt auch infrage, ob EU-Ausländer überhaupt noch daran beteiligt werden sollen. Diese könnten ihre Stimme ja bei der Stadtratswahl abgeben. Auch die Aufgabenstellung des neuen Gremiums sei zu überdenken.

Das eile alles nicht, sagt Grünen-Fraktionschefin Demirel: "Die Mitglieder sind jetzt erst einmal auf sechs Jahre gewählt." Sie appelliert an SPD und CSU, jetzt keinen Schnellschuss abzufeuern. Grundsätzlich bekennen sich alle drei Fraktionen zum Migrationsbeirat, wie auch immer er künftig aussehen mag. "Natürlich wollen wir unsere ausländischen Bürger an der Kommunalpolitik teilhaben lassen. Denn Identifikation mit der neuen Heimatstadt ist auch ein Stück Integration", sagt Marian Offman, integrationspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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