Münchner Stadtrat:Posten sammeln, Einfluss sichern

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Neue Aufgaben, verlorene Zuständigkeiten: sechs der Gewinner und Verlierer der jüngsten Rochade. (Foto: Haas (4), Peljak, Reger, Rumpf)

Der Gesundheitsreferent hat nichts mehr mit Kliniken zu tun, die FDP aber plötzlich mit Schulen - und die CSU brüskiert eine ihrer Mächtigsten, weil sie sich einen SPD-Posten schnappt. Ein Überblick über die neuesten Verteilungskämpfe im Münchner Stadtrat.

Von Silke Lode

Stück für Stück sortiert sich der neue Stadtrat und ist so - gut zweieinhalb Monate nach der Kommunalwahl - allmählich wieder arbeitsfähig. Vor einer Woche wurde die Koalitionsbildung mit der Wahl von Josef Schmid (CSU) und Christine Strobl (SPD) zu Bürgermeistern besiegelt. Doch das Personalkarussell dreht sich bei Posten und Pöstchen munter weiter Ein unvollständiges Lexikon der Stadtratsspezialitäten und -spezialisten.

Aufsichtsräte: Die städtischen Unternehmen werden mehr oder weniger streng von ihren Aufsichtsräten kontrolliert. Deren Bedeutung und Beliebtheit ist sehr unterschiedlich. Stets begehrt sind Posten im Aufsichtsrat der florierenden Stadtwerke, während Münchens Olympia-Ambitionen. Eine heikle Sache ist dagegen ein Job im Aufsichtsrat der Städtischen Kliniken, geht es da doch um so unangenehme Dinge wie Milliarden-Defizit und betriebsbedingte Kündigungen. Deshalb gibt es hier mehrere Wechsel: Die CSU tauschte ihr Personal komplett aus und schickt statt Manuela Olhausen und Eva Caim künftig Hans Theiss und Alexander Dietrich in das Gremium. Neu ist Horst Lischka (SPD), der Hans Dieter Kaplan ablöst, wieder dabei sind Alexander Reissl (SPD) und Lydia Dietrich (Grüne). Aufsichtsratschef wird OB Dieter Reiter (SPD).

Ausschüsse: Die Fachleute der Parteien beraten in den Ausschüssen viele Themen vor oder treffen Entscheidungen, um so die Debatten in der Vollversammlung zu verkürzen. 13 Ausschüsse tagen ab sofort. Neu geschaffen wurde der Sportausschuss, der bislang gemeinsam mit dem Bildungsausschuss getagt hat. Zahl und Größe der Ausschüsse legen die Stadträte selbst fest. Die sieben kleinsten Ausschüsse haben je 16 Mitglieder, in größter Runde trifft sich der Planungsausschuss mit seinen 22 Mitgliedern. Die Zahl der Sitze orientiert sich am Wahlergebnis. Nur Karl Richter von der rechtsradikalen BIA ist in keinem Ausschuss vertreten. Königsweg für solche Einzelkämpfer und für kleine Gruppierungen, um in mehr Gremien mitzureden, ist eine Ausschussgemeinschaft. Die Partner muss keine politische Ziel verbinden. ÖDP und Linke haben ein solches Bündnis geschmiedet, ebenso Bürgerliche Mitte und AfD.

Fraktionsgemeinschaften: Hier muss die Partner ein gemeinsames Ziel verbinden. In der Praxis wird das allerdings sehr lax gehandhabt, das zeigen das Bündnis zwischen FDP, Hut und Piraten. Ähnlich wild war die ursprüngliche Konstellation der "Bürgerlichen Mitte" aus Freien Wählern, Bayernpartei und ÖDP. Letztere hat sich inzwischen von den Freien Wählern getrennt, die Bürgerliche Mitte gibt es aber weiter. Ihr gehört nun auch Josef Assal an, der seiner SPD den Rücken gekehrt hat. Um auch noch den letzten Vorteil auszureizen - einen Sitz im Rechnungsprüfungsausschuss und ein paar Kommissionssitze - hat die Bürgerliche Mitte nun eine Ausschussgemeinschaft mit der AfD gegründet (siehe rechts).

Geld: Neben den Aufwandsentschädigungen, die allen ehrenamtlichen Stadträten zustehen, bekommen die Gruppierungen von der Stadt Geld für Personal und andere Ausgaben. Die CSU bekommt als stärkste Fraktion mit gut 460 000 Euro pro Jahr am meisten, die AfD kommt noch auf 68 000 Euro. Für Karl Richter von der BIA, der nicht in den Ausschüssen vertreten ist, fallen immer noch 10 500 Euro ab.

Kliniken: Als eine ihrer ersten Amtshandlungen hat die neue schwarz-rote Stadtregierung am Mittwoch die Zuständigkeit für die Kontrolle des Stadtklinikums verändert. Künftig wird die Kämmerei alleine als Betreuungsreferat zuständig sein. Bis vor einem Jahr hatte sich nur das Gesundheitsreferat um die Krankenhäuser gekümmert. Nachdem der Konzern jedoch seine finanziellen Probleme nicht lösen konnte, wurde Kämmerer Ernst Wolowicz (SPD) im Sommer 2013 als zusätzlicher Kontrolleur geholt. Immer wieder war damals die Expertise von Gesundheitsreferent Joachim Lorenz (Grüne) in Zweifel gezogen wurde - so auch an diesem Mittwoch.

FDP-Stadtrat Wolfgang Heubisch etwa forderte, den Gesundheitsreferenten sogar aus dem Aufsichtsrat der Kliniken zu entfernen. Brigitte Wolf (Linke) stichelte, man müsse sich bei der Wahl des nächsten Gesundheitsreferenten jemanden suchen, der von dem Thema auch etwas verstehe. Lorenz war einverstanden, dass die Kämmerei sich künftig alleine um die Kliniken kümmere. Das Gesundheitsreferat solle weiterhin mit medizinischen Fragen befasst sein. Ob der Lenkungskreis bestehen bleibt, den noch OB Christian Ude ins Leben gerufen und in dem zuletzt alle Entscheidungen getroffen wurden, ist unklar. OB Reiter sagte, er wolle die ersten Sitzungen von Aufsichtsrat und Lenkungskreis abwarten.

Korreferenten: Während Referenten unabhängig von der Legislaturperiode in der Regel für sechs Jahre vom Stadtrat für ihren Vollzeitjob ausgesucht werden, werden die Korreferenten nach jeder Kommunalwahl neu bestimmt. Die elf Damen und Herren arbeiten ehrenamtlich und sollen Bindenglieder zwischen Politik und Verwaltung sein. Im Idealfall sind sie bei wichtigen Sitzungen in den Behörden genauso präsent wie im Rathaus. Das Wahlergebnis hat dazu geführt, dass CSU und SPD je vier Korreferenten stellen, die Grünen zwei und die Fraktionsgemeinschaft von FDP, Piraten und Hut einen.

Die Stärke der Parteien regelt auch, wer sich in welcher Reihenfolge ein Amt aussuchen darf. Die CSU hat zuerst beim Wirtschaftsreferat zugegriffen und Manuel Pretzl zum Korreferenten gemacht. Das wichtige Planungsreferat konnte sich so die SPD für Christian Amlong sichern - eine Rolle, die früher die CSU übernommen hatte ( Zöller, Walter). Im Wahlkampf wollten zwar alle Parteien mit Schulpolitik Punkte sammeln - als es um die Verteilung der konkreten Arbeit ging, hat aber niemand zugegriffen. Der Posten landete so bei der FDP und Gabriele Neff.

Lorenz, Joachim: Der letzte grüne Referent der Stadtregierung. Zugleich ist der Chefposten im Referat für Umwelt und Gesundheit derjenige, der als erster neu besetzt wird. Lorenz wird 2015 pensioniert.

Wiesn-Stadtrat
:Ein Prosit auf die Prioritäten

Wer in München was werden will, braucht einen ganz bestimmen Job: den als Wiesn-Stadtrat. Schließlich halten manche das Oktoberfest für das wichtigste politische Ereignis der Stadt. Den Posten hat sich jetzt die CSU gesichert.

Eine Kolumne von Silke Lode

Wiesnstadtrat: Zwölf Jahre hat Helmut Schmid (SPD) den Job gemacht und ihn nun unfreiwillig an Georg Schlagbauer (CSU) abgegeben. Den Reiz dürfte die enorme Nähe ausmachen, die jeder Wiesnstadtrat zu den (einfluss-) reichen Wirten entwickeln kann.

Zöller, Walter: Allseits respektierter Planungsexperte der CSU, den seine Partei jetzt bei laufender Fahrt aus dem Personalkarussell gestoßen hat. Viele Jahre war der Notar, der seit 1972 Stadtrat ist, Korreferent des Planungsreferats. Da die CSU aber lieber beim Wirtschaftsreferat zugriff, hat Zöller diesen Posten nun verloren.

© SZ vom 30.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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