Münchner Momente:Wer nicht hören will

Lesezeit: 1 min

Nicht selten ist der Mensch des Präwikipedia-Zeitalters besser dran - zum Beispiel im Straßenverkehr. Doch stimmt das wirklich?

Von Karl Forster

Dass die Jugend viel zu schön sei, um an die Jugend verschwendet zu werden, da waren und sind sich große Geister von Sokrates bis G. B. Shaw einig. Ihre dahingehenden Aphorismen werden gern zitiert, vornehmlich von jenen, die hierbei besser wegkommen als die jungen Leute, also von den Älteren. Und weil sowohl Sokrates als auch Shaw Männer waren, sind es meist Männer, die sich auf den scharfsinnigen Griechen und den scharfzüngigen Iren berufen, wenn sie wieder mal ein paar Teenager zurechtweisen müssen. Die haben ihrerseits die Hohe Schule des Aphorismus versäumt, weil die im Lehrplan nicht mehr vorkommt, und müssten da schon erst mal unter Wikipedia nach einer passenden Antwort forschen.

Wer sich aber allzu sehr auf das Wissen aus Netz und Computer verlässt, kann ziemlich baden gehen, zum Beispiel, wenn er sich bei der Suche nach dem schnellsten Weg in München von A nach B auf sein Navigationsgerät verlässt. Das ist in der Regel so programmiert, dass es den Suchenden auf die großen, breiten, nachts zwischen 2 und 4 Uhr früh sogar leeren Straßen führt. Tagsüber steht er dann mit Hunderten anderen, die auch der stets emotionslosen Stimme aus dem Navi gefolgt sind. Darunter sind auffallend viele junge Fahrer und -innen, weil die, vom Netz verwöhnt, keine Straßenkarten mehr lesen können, weswegen sich auch Straßen und Plätze nicht mehr ins Gehirn eingebrannt haben. Da ist der Mensch des Präwikipedia-Zeitalters besser dran.

Dachte er, als er, auch um ein bisschen Eindruck zu machen auf die junge Kollegin neben sich, angesichts des Staus stadteinwärts beim Siegestor nach links in die Schackstraße düste, um dann auf der Königin- Richtung Prinzregentenstraße zu kommen. Vorbei am US-Konsulat noch ein kleiner Schlenker durch die Schönfeld- und Hahnen- auf die Von-der-Tann-Straße. Und schon liegt das Haus der Kunst, Zielort der Schönen, vor ihm. Leider, leider hat die Stadt München unlängst beschlossen, die Schönfeldstraße an kurzer, aber entscheidender Stelle zur Einbahnstraße in falscher Richtung zu machen. Das Navi hätt's gewusst, der Ältere am Steuer aber musste zurück bis zum Siegestor. Dann Stau, dann keine Schöne mehr auf dem Beifahrersitz. Dann die Erkenntnis: Es ist nicht alles schlecht, was jung ist.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: